Statisten gegen Obama

US-Vorwahlen Die Republikaner haben bisher keinen Kandidaten, der es mit dem Präsidenten aufnehmen könnte. Doch das System macht die in Obama gesetzten Hoffnungen auch so zunichte

Eigentlich liegt die US-Präsidentschaft aus republikanischer Sicht zum Greifen nah. In Iowa, wo Barack Obama 2008 ohne Schwierigkeiten mit 54 Prozent der Stimmen gewann, liegen die Zustimmungsraten des Präsidenten derzeit bei nur noch 45 Prozent. Viele, die sich damals dem inspirierenden Bewerber zuwandten, sind angesichts einer stotternden Wirtschaft und anhaltend hoher Arbeitslosigkeit von seiner Leistung als Präsident enttäuscht. Die Rechten werfen ihm seine Gesundheitsreform vor, die Linken sein Unvermögen, sich gegen den Kongress zu behaupten. Was könnte sich ein Aspirant auf die republikanische Kandidatur Besseres wünschen? Wenig – nur dass ein solcher erst einmal gefunden werden muss.

Patzer und Aussetzer

Und damit tun sich die Republikaner ganz außerordentlich schwer. In sechs Monaten haben sie bereits sechs potenzielle Spitzenkandidaten verbraucht. Es ist gut möglich, dass Michele Bachmann, die selbst ernannte Margaret Thatcher des Vorwahlkampfes, deren Auftritte im Kabelfernsehen bei der Tea-Party-Basis auf große Resonanz stießen, in Iowa den letzten Platz belegt. Vor Wochenfrist wechselte ihr Wahlkampfleiter zu einem ihrer Konkurrenten. So unfähig wie Bachmanns Wahlkampf war wohl nur noch der von Rick Perry. Zwar hat er seine Straußenleder-Cowboystiefel mit der Aufschrift „liberty“ und „freedom“abgelegt, doch von seinen Aussetzern konnte er sich nie ganz erholen. So wollte ihm einmal von den drei Ministerien, die er abschaffen möchte, eines partout nicht mehr einfallen. Herman Cains, dem Fox News mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte als allen anderen, musste seine Kandidatur wegen des Vorwurfs sexueller Nötigung Anfang Dezember zurückziehen. Newt Gingrich stolperte über seine Beratertätigkeit für die Hypothekenbank Freddie Mac, die er öffentlich wiederholt scharf kritisiert hatte. Es wurden Fernsehspots im Wert von 2,5 Millionen Dollar geschaltet, in denen er der Heuchelei bezichtigt wurde.

Es gibt drei Kandidaten, die sich in Iowa Chancen auf einen Sieg ausrechnen können. Die Umfragewerte für den mittellosen Ex-Senator von Pennsylvania, Rick Santorum, weisen nach oben – wie Mike Huckabee 2008 kann er sich der Stimmen der Evangelikalen sicher sein. Er erntet jetzt die Früchte dafür, mehr als alle anderen unterwegs gewesen zu sein. Ron Paul hat sowohl die Organisation als auch die Spendengelder im Rücken, um es bis zur National Convention im August zu bringen. Würde einer der beiden in Iowa gewinnen, hätte das republikanische Establishment freilich in jedem Fall ein Problem: Ein Sieg Ron Pauls würde den Demokraten die Möglichkeit geben, die Grand Old Party als extremistisch darzustellen – in seinem Buch Freedom Under Siege schreibt er, Aids-Patienten würden andere diskriminieren, weil sie sie zwingen, für ihre Behandlung aufzukommen. Und ein Triumph Santorums könnte in New Hampshire, South Carolina oder Florida, wo die Primaries der Republikaner stattfinden, nicht wiederholt werden.

Tödliche Etikettierung

Bleibt der eintönige Mitt Romney. Er konnte sich zwar beherrschen und schaffte es, weder Gott, Waffen, Schwule oder Ronald Reagan anzusprechen, bezahlte dies aber mit dem Preis, wie ein Roboter zu wirken. Neben der Unfähigkeit, die Vorstellungskraft seiner Zuhörer zu fesseln, trägt Romney ein weiteres Handicap mit sich: Er gilt als gemäßigt – für einen modernen Konservativen eine geradezu tödliche Etikettierung, selbst wenn seine Einlassungen zu Iran der NATO die Haare zu Berge stehen ließen.

Alles in allem taugt dieses Feld der Kandidaten nur dazu, das adäquate Abbild einer Partei zu sein, die so gespalten ist und so stark von ideologischen Dämonen beherrscht wird, dass ihre Kandidaten sich gegenseitig mehr fürchten als die Demokraten. Eine Partei, die in der Vergangenheit Hauptdarsteller hervorbrachte, wurde auf die Rolle einer Agentur reduziert, die zuverlässige Statisten im Angebot hat. Obwohl dies für die Demokraten eigentlich gute Nachrichten sein sollten, werden auch sie defensiv in die Wahlen gehen und eher darum kämpfen, die Präsidentschaft zu retten, als für ein positives Programm einzutreten. An der Regierung zu bleiben, um die bescheidenden Errungenschaften bei Gesundheitsreform und Sozialleistungen zu sichern, wäre ihnen Erfolg genug. Aber auch mit einem Wahlsieg ist die Auseinandersetzung nicht vorbei. Die Mängel eines Systems, welches die Hoffnungen, die in Obamas erste Amtszeit gesetzt wurden, lähmten, werden ihr Werk in seiner zweiten Amtszeit zu Ende bringen.

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Editorial | The Guardian

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