In Anbetracht des Ausmaßes, mit dem die Wirtschaftskrise Amerika getroffen hat, wird sich die Welt wohl noch gedulden müssen, bis der amerikanische Präsident die Zeit und Kraft dazu findet, in der Außenpolitik seines Landes maßgebliche Veränderungen durchzusetzen.
In Obamas Rede vor dem Kongress wurde die Außenpolitik recht stiefmütterlich behandelt. Da das von Obama angetretene Erbe ihm in einem derart schlechten Zustand übergeben wurde, muss er es erst einmal sorgfältig prüfen. Wo überhaupt steht Amerika in der Welt, sowohl strategisch als auch moralisch? Im unberechenbaren, gleichzeitig aber entscheidenden Mittleren Osten soll ein Team schwergewichtiger Emissäre die mühsame Kleinarbeit übernehmen und dabei von den Kabinettsmitgliedern Clinton, Jones und Biden unterstützt werden.
Im Irak wird möglicherweise der Präsident selbst die Führung übernehmen. Seine Versprechungen, den Krieg dort schnell zu beenden, werden aber immer wieder relativiert. Da sind zum einen die Sicherheitsziele, die während der Truppenaufstockung ins Auge gefasst wurden, und zum anderen die Angst, man könnte den schon sicher geglaubten Sieg noch kurz vor der Zielgeraden leichtfertig aus der Hand geben. In der Rede vor dem Kongress kam die schwindende Bedeutung des Iraks in dem einen Satz zum Ausdruck, den er diesem Thema widmete: Man prüfe „nun sorgfältig unsere Politik in beiden Kriegen, und ich werde in Kürze bekannt geben, wie wir den Irak an seine Menschen übergeben und diesen Krieg auf verantwortungsvolle Weise beenden werden“.
Neuer Zeitplan
So erfuhr die Öffentlichkeit nun, dass Obama die Truppen innerhalb von 19 Monaten aus dem Irak zurückziehen wolle. Im Wahlkampf hatte Obama immer erklärt, er wolle dies innerhalb von 16 Monaten tun. Die Nachrichtenagentur AP hatte zuvor berichtet, die amerikanische Armee teste mögliche Rückzugsrouten für den Abtransport des Kriegsgeräts durch Jordanien und Kuwait, um vorbereitet zu sein. Das in beinahe sechs Kriegsjahren angehäufte Arsenal wieder aus dem Land zu schaffen, stellt eine nicht geringe logistische Herausforderung dar.
Artikel 24 des SoFA-Sicherheitspaktes zwischen den USA und dem Irak, der am ersten Januar in Kraft getreten ist, sieht vor, dass die amerikanischen Truppen zum 30. Juni aus den irakischen Städten abgezogen sind und sich bis zum 31. Dezember 2011 dann vollständig aus dem gesamten irakischen Territorium zurückgezogen haben. Wenn Obamas Drängen, das Hauptkontingent der Streitkräfte schon früher, das heißt im September kommenden Jahres abzuziehen, Erfolg hätte, wäre dieser Zeitplan nach Aussage eines Beraters von Präsident Maliki für die Iraker absolut akzeptabel.
Für einen derart beschleunigten Zeitplan sprächen auch die guten Nachrichten, die in letzter Zeit aus dem Irak zu hören sind. Von der Wiedereröffnung des Bagdader Museums (die der "Bagdad-Blogger" Salam Pax eine „wichtige symbolische Geste“ nennt) bis hin zu den Gerüchten um den Bau einer U-Bahn für die Hauptstadt.
Unvorhergesehene Herausforderungen
Obamas Pläne könnten allerdings durch unvorhergesehene Herausforderungen durchkreuzt werden. McClatchy News berichtete vergangene Woche, die irakischen Provinzwahlen hätten „die weit zurückreichende Feindschaft zwischen sunnitischen Arabern und sunnitischen Kurden wiederaufleben lassen“ und die Befürchtungen mehrten sich, dass „ein neuer Krieg ausbrechen“ könne. Kommentatoren sind der Ansicht, die Kurden hätten ihr Blatt überreizt und könnten von einem wieder erstarkten Maliki und/oder dazu ermächtigten sunnitischen Gruppen zurückgedrängt werden.
Die Gewalt konzentriert sich hauptsächlich auf die Provinz Ninewa und im Besonderen auf Mossul, die drittgrößte Stadt des Landes und 2003 erster Sitz des Kommandos von General Petraeus. Die Stadt wird von den US-Militärs beim Kampf gegen Aufständische nach wie vor als größter Kriegsschauplatz betrachtet. In einem vor kurzem veröffentlichten Bericht einer International Crisis Group hieß es über die Provinz, sie gleiche einem Pulverfass, das jeden Augenblick explodieren könne.
Die Explosivität dieses Pulverfasses wird gegenwärtig durch die amerikanisch-irakische Militäroperation Operation New Hope auf die Probe gestellt, mit der „ al Qaida und andere extremistische Gruppen“ vertrieben werden sollen. Diese traditionelle Fokussierung auf al Qaida lenkt aber von den fortgesetzten und tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen der kurdischen Führung und Premierminister Maliki ab, wie die Macht zwischen zentralen und förderalen Institutionen verteilt, wie diese Institutionen genau aussehen und über welches Gebiet sie regieren sollen.
Die Kurden, die so lange die loyalsten Verbündeten der Amerikaner im Mittleren Osten waren, könnten sich für Obamas Pläne für einen schnellen Abzug aus dem Irak noch als entscheidender Bremsklotz erweisen.
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