Wenn es Steve Bannon nicht gäbe, müssten ihn die Medien erfinden. Und tatsächlich haben sie das auch zum Großteil getan. Die US-Berichterstattung hat Bannon in Donald Trumps Rasputin verwandelt, im Alleingang verantwortlich für die Schock-Wahl des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Und wenn Bannon jetzt den Atlantik überquert, sprechen atemlose Berichte von seinem „Plan, Europa für die extreme Rechte zu kapern“. Sein Treffen mit dem früheren Außenminister Boris Johnson wurde angeblich einberufen, um „neue Schritte“ zu planen, „die bedeutende Auswirkungen auf die europäische Politik haben könnten.“
Die Vorstellung des bösen Genies, insbesondere eines Rechtsextremen, ist verführerisch. Sie trägt dazu bei, das Böse zu externalisieren. Anstatt zu akzeptieren, dass nationalistische und populistische Ideen Teil des gesellschaftlichen Mainstreams sind, wird ihr Erfolg als Ergebnis einer hinterhältigen, von einem politischen Mastermind angezettelten Verschwörung dargestellt, zu der leichtgläubige Bürger von einem charismatischen Anführer verführt werden.
Während das eine attraktive Darstellung sein mag, ist sie aus mindestens zwei Gründen gefährlich. Erstens ist sie falsch und versäumt es, die Menschen über die bedeutendste Gefahr für unsere liberale Demokratie in unserer Zeit zu informieren. Zweitens übertreibt sie die Bedeutung der Rechtsextremen, was paradoxerweise zu einer tatsächlichen Zunahme ihrer Macht führen kann.
Bannon ist kein politisches Wunderkind
Bannon ist weder Trumps Rasputin noch ein politisches Wunderkind. Wenn überhaupt, ist er ein Meister darin, sich selbst als erfolgreichen Unternehmer und politischen Akteur zu verkaufen – und zwar an Journalisten und Investoren gleichermaßen. Seine frühe Unterstützung für Trump war ebenfalls kein Geniestreich, sondern Glück. Zuvor hatte er ein Jahrzehnt lang so ziemlich alle anderen radikal rechten Bewegungen oder Politiker unterstützt, von der Tea Party-Bewegung bis zu Sarah Palin.
Zudem wurde Bannon erst im August 2016 Trumps Wahlkampfmanager, einen Monat nachdem Trump sich die Nominierung als Kandidat der Republikaner gesichert hatte. Bannon kann zugeschrieben werden, dass der Wahlkampf wirklich populistisch geführt wurde. Aber es ist fraglich, ob das eine große Auswirkung auf das Ergebnis hatte – oder eher keine größere Wirkung als andere Faktoren, wie etwa die obsessive Berichterstattung über Hilary Clintons E-Mails oder der Brief von FBI-Direktor James Comey. Unterm Strich fand 2016 vor allem eine ganz gewöhnliche Wahl statt, bei der Republikaner die Republikaner wählten und Demokraten die Demokraten.
Als er zum Chefstrategen des Weißen Hauses wurde, stellte man Bannon sofort als den wahren Präsidenten dar, einen Mann, der den politisch inhaltsleeren Trump mit einer radikalen rechten Agenda füllte. #PresidentBannon wurde zu einem populären Hashtag auf Twitter. Davon abgesehen, dass die meisten von Trumps Positionen nichts weiter sind als radikale Versionen der republikanischen Mainstream-Politik, sind selbst Trumps nicht-republikanische Ansichten – wie etwa der ökonomische Nationalismus – mindestens genauso "trumpisch" wie "bannonesk". So beklagte Trump beispielsweise bereits in dem berühmten Playboy-Interview von 1990, das Bundeskanzlerin Angela Merkel angeblich zur Vorbereitung auf ihr erstes Treffen mit ihm las, dass die USA „sehr stark von unseren sogenannten Verbündeten, wie Japan, Westdeutschland, Saudi-Arabien oder Südkorea, über den Tisch gezogen werden “.
Die Vision bleibt US-amerikanisch
Bedenkt man seine bescheidene Wirkung in den USA, stellt sich die Frage, wie Bannon in Europa mehr Erfolg haben sollte. Seine großspurig benannte Denkfabrik „Die Bewegung“ will zehn Vollzeitmitarbeiter anstellen, um das Ergebnis der 2019 anstehenden Europawahlen zu beeinflussen. Aber wie will sie der Open Society-Stiftung von Wirtschaftsmagnat George Soros Konkurrenz machen, die eine Kapitalausstattung von 18 Milliarden US-Dollar zur Verfügung hat? Wie könnte ein politisch verbrauchter Amerikaner erreichen, was gewiefte Politiker und gut organisierte Parteien seit Jahrzehnten nicht schaffen: Die radikale Rechte in Europa zu vereinigen? Ganz offensichtlich ist Bannon dazu nicht in der Lage. Und so ist seine Behauptung, es schaffen zu können, ebenso lächerlich wie eine Medien-Berichterstattung, die diese Behauptung unhinterfragt veröffentlicht.
Auch wenn er ideologisch Parteien wie der Rassemblement National (RN, früher Front National), der italienischen Lega-Partei oder Rechtspopulisten wie dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán nahe steht, bleibt Bannon in seiner Vision eindeutig amerikanisch.
Seine moralische Sicht des Kapitalismus als Vehikel für jüdisch-christliche Werte passt nicht gut zu den interventionistischen Ansichten der Dänischen Volkspartei (DF) oder der RN in Frankreich. Ganz zu schweigen von seiner US-zentristischen außenpolitischen Vision, die bei der anti-amerikanischen Rechten in Südeuropa sowieso die Alarmglocken schrillen lässt. Nur wenige in Europa denken, dass wir uns „im Krieg mit China befinden“. Tatsächlich betrachtet Bannons angeblicher Verbündeter Orbán China als eines seiner Vorbilder für seinen autoritären Staat.
Es ist daher nicht überraschend, dass die meisten dieser Parteien nicht enthusiastisch auf Bannons Werben reagiert haben. Während Bannon die rechtspopulistischen Parteien "Die Finnen" und "Die Schwedendemokraten" als perfekt geeignet lobt, erklärte der Parteisekretär der finnischen Partei, sie werde Beiträge Bannons „wahrscheinlich ablehnen“ und "Die Schwedendemokraten" ließen verlauten, seine Initiative sei „nicht interessant für uns“. Ähnlich formulierte es der Abgeordnete der Dänischen Volkspartei im Europäischen Parlament Morten Messerschmidt: „Wir kommen sehr gut allein zurecht.“
Nur marginale Parteien sind interessiert
Die Alternative für Deutschland (AfD) reagierte gespalten. Während die Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel sich mit Bannon traf, lehnt AfD-Sprecher Jörg Meuthen ihn ab. Die französische RN kommentierte: „Wir sind gegen eine supranationale Instanz und beteiligen uns nicht an Bannons Vorhaben“. Am Ende zeigten sich nur marginale Parteien wie die belgische rechtsliberale Parti Populaire und die spanische Vox wirklich an einer Zusammenarbeit interessiert.
Was Gerüchte über ein Bündnis von Boris Johnson und Bannon betrifft, würde davon vor allem Bannon profitieren. Seit seinem Rücktritt als Außenminister ist Johnson der Favorit der Buchmacher als Nachfolger für die stark unter Druck stehende britische Premierministerin Theresa May. Er braucht weder Trumps Unterstützung noch Bannons Hilfe, um Premierminister zu werden. Kurz gesprochen hängt sich Bannon an erfolgreiche europäische Politiker aus dem rechten Lager – in der Hoffnung, wieder politisch relevant zu werden.
Bedeutet das also, dass der jüngste Bannon-Medienhype irrelevant ist? Keineswegs. Medienberichte, die seine großtuerischen Pläne unkritisch verbreiten, stärken die Narrative, dass die Europawahlen 2019 wieder ein grundlegender Kampf zwischen dem Status Quo und europaskeptischen Kräften sein wird. Das bedeutet, dass die Rechtspopulisten weiterhin die politische Agenda und ihre Vorgaben den Wahlkampf bestimmen.
Rechtsruck der etablierten Parteien ist die Gefahr
Es gibt mittlerweile Belege zuhauf dafür, wohin das führt. Etablierte Parteien, vor allem aus dem mitte-rechts-Lager, bewegen sich weiter in diese Richtung, indem sie nicht nur die Themen der extremen Rechten übernehmen, sondern auch ihre Politik. Der neue Wahlprogrammentwurf der Europäischen Volkspartei ist ein gutes Beispiel für diese Auswirkung.
Trotz einiger (vorübergehender) Erfolge, wie dem von Sebastian Kurz in Österreich, macht eine solche Politik aber die Rechnung ohne den Wirt. Die Strategie rinrt „rechtsextrem-light“-Politik schwächt ihre Gegner nur in unerheblichem Umfang. Von den Niederlanden bis Schweden, wo rechte Parteien beträchtlichen Zulauf vorweisen können, war im Gegenteil zu beobachten, dass es sie stärkt. Wenn Themen wie die europäische Integration und (muslimische) Einwanderung den Wahlkampf dominieren, werden ausländerfeindliche Wähler das Original der Kopie vorziehen.
Darin liegt die Gefahr, nicht in der Person eines Möchtegern-Rasputins auf der Suche nach einem neuen Zar.
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