Der Gewinner des Wirtschaftsnobelpreises wird für gewöhnlich als letztes bekannt gegeben. Das ist auch richtig so, schließlich wurde die Ehrung als letzte ausgelobt und ist im strengen Sinne gar kein echter Nobelpreis.
Die fünf ursprünglichen Preise für Literatur, Frieden, Medizin/Physiologie, Physik und Chemie, die 1901 erstmalig verliehen wurden, stiftete Alfred Nobel zum Zwecke der Anerkennung von Leistungen, die durch wissenschaftlichen Fortschritt, literarische Kreativität oder Bemühungen um Frieden die Lebensqualität der Menschen verbessern.
Der Wirtschaftsnobelpreis dagegen wurde 1968 von der Schwedischen Zentralbank als „Preis in Wirtschaftswissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel“ ins Leben gerufen. Mittlerweile unterliegt
rweile unterliegt er aber dem gleichen Auswahlprozess durch die Stockholmer Akademie, ist gleich dotiert und wird auf die gleiche Weise verliehen wie die anderen, ursprünglichen Preise.Es wurden wiederholt Zweifel angemeldet, ob er mit den grundsätzlichen Zielen des Begründers in Einklang stehe. Ist Wirtschaft eine Wissenschaft in derselben Weise wie Physik oder Chemie? Trägt sie uneingeschränkt und eindeutig zum menschlichen Wohlbefinden bei wie Frieden oder Literatur? Sollte die Wirtschaftslehre vor anderen Forschungszweigen Vorrang genießen?PR-Coup von ÖkonomenDer Urgroßneffe des Preisstifters Peter Nobel ist der Ansicht, Alfred Nobel hätte den Preis nicht gut geheißen. Er nannte ihn einen „PR-Coup von Ökonomen zur Verbesserung ihrer eigenen Reputation“, der „meist an Börsenspekulanten“ vergeben werde.Die Wirtschaftswissenschaften konnten eine solche Aufwertung ihrer Reputation bestimmt schon vor der Weltwirtschaftskrise gut gebrauchen. Je mehr der wirtschaftswissenschaftliche Mainstram von selbstbezüglichen, esoterischen Theorien beherrscht wurde, deren Zweck allein in der Legitimierung des Marktliberalismus bestand, desto mehr entfremdete sich die Öffentlichkeit vom Tun der Ökonomen. In einem solchen Kontext war der Nobelpreis ein nützliches Mittel, nicht nur den konzeptionellen Fortschritt zu proklamieren, der in der „trostlosen Wissenschaft“ angeblich erzielt werde, sondern ebenso, um bestimmte Arten ökonomischer Analysen und Forschung anzuregen. Seine Wirkungsmacht geht also über die öffentliche Wahrnehmung hinaus. Er verändert die Produktion des ökonomischen Wissens selbst.Eine unrühmliche GeschichteIn den ersten Jahren der Verleihung wurden Ökonomen geehrt, deren Arbeit schon in weiten Kreisen anerkannt war. Aber selbst im ersten Jahrzehnt war die Liste derer, die nicht ausgezeichnet wurden, wahrscheinlich beeindruckender als die der Empfänger – Größen wie Michal Kalecki, Joan Robinson, Richard Kahn, Nicholas Kaldor und Piero Sraffa wurden zugunsten weniger bekannter Kollegen übergangen und gingen leer aus. In der darauf folgenden Periode ging die Auszeichnung gelegentlich an Ökonomen mit relativ geringen, manchmal auch mit absolut zweifelhaften Verdiensten, die selbst Kollegen erst einmal nachschlagen mussten, nachdem die Ehrung bekannt gegeben worden war.Die politische Wirkung des Preises auf die Wirtschaftswissenschaften selbst ist unbestreitbar. Die Vorherrschaft der neoklassischen Schule war erdrückend. Sie führte so weit, dass alternative Denkrichtungen, die auch nur einen etwas breiteren gesellschaftlichen Ansatz verfolgten, ausgeschlossen wurden. Dies wiederum führte zwangsläufig dazu, dass konservativere Forschungs- und Lehransätze stärker gefördert wurden. Wissenschaftler, die monetaristische und marktwirtschaftliche Ansätze vertraten, wurden überdurchschnittlich oft und oft zu einem wirtschaftlich schwierigen und daher entscheidenden Zeitpunkt ausgezeichnet.Extreme Form des MonetarismusSo führte beispielsweise die Ehrung Friedrich von Hayeks im Jahr 1974 zu einer Wiederbelebung des Interesses an der Österreichischen Schule und ließ sein Buch Der Weg zur Knechtschaft zum Bestseller avancieren. Zwei Jahre später ging der Preis an Milton Friedman, machte dessen extreme Form des Monetarismus wissenschaftlich salonfähig und führte sogar zu einer „Revolution“ der konservativen Politik. Die Vergabe des 1993er-Preises an Robert Fogel und Douglass North förderte die Wirtschaftsgeschichte in der stark eingeengten Gestalt der retrospektiven Ökonometrie. 1995 erhielt mit der Wahl Robert Lucas' die rationale Erwartungstheorie einen ordentlichen Schub.Hinzu kommt: Die geographische Verteilung spiegelt die Machthierarchien in der Disziplin wider, reproduziert und zementiert sie. Der Wirtschaftsnobelpreis wurde 40 Mal an 62 Ökonomen verliehen, von denen 42 aus den USA stammten und mehr als 50 zum Zeitpunkt der Verleihung in den USA arbeiteten. Die Universität von Chicago kann auf stolze 11 Preisträger verweisen, was zu dem Witz über den „Stockholm-Chicago-Express“ geführt hat. Dies sagt weniger über den Stand des wirtschaftswissenschaftlichen Wissens , als über die Einseitigkeit und Blindheit der Jury aus. Bislang haben nur zwei aus Entwicklungsländern stammende Wissenschaftler (Arthur Lewis und Amartya Sen) den Preis erhalten, die aber beide in den USA und Großbritannien arbeiteten. Und nur drei der bisherigen Preisträger interessierten sich für die ökonomische Situation der Entwicklungsländer bzw. die ökonomische Realität von etwa drei Vierteln der Weltbevölkerung.Nobelpreis für Pleite-FondsIn den vergangenen Jahren konzentrierte sich der Preis auf das Verhalten der Finanzmärkte. 1997 ging er an Robert Merton und Myron Scholes, die eine Methode zur Bewertung von Derivaten entdeckt haben wollten, mit der das Risiko von Finanzinvestitionen reduziert werden sollte. Als der von ihnen betriebene Hedge-Fonds (Long Term Capital Management) innerhalb eines Jahres Pleite ging und von der US-Notenbank gerettet werden musste, war eine gewisse Peinlichkeit nicht zu verhehlen. Vielleicht wollte man diesen Fehler damit ausgleichen, dass man den Preis ein paar Jahre später George Akerlof und Joseph Stiglitz verlieh, die auf das mangelhafte Funktionieren der Finanzmärkte aufmerksam gemacht hatten. Auch die letztjährige Auszeichnung Paul Krugman könnte Indiz dafür sein, dass man sich den gewandelten Zeichen der Zeit gebeugt hat.Bisher hat noch keine Frau den Preis erhalten. Abgesehen von Joan Robinson, die offensichtlich übergangen wird, spiegelt dies auch die Machtstrukturen innerhalb der Disziplin wider – auch in den USA und Großbritannien konzentrieren sich weibliche Ökonomen eher im Unter- und Mittelbau als Forscherinnen und Dozentinnen - Professorinnen werden sie nur sehr selten.Diese Ungleichheiten werden nicht leicht zurechtgerückt werden können. Aber der Wirtschaftsnobelpreis dürfte nun unter mindestens ebenso großen Legitimationsnot geraten sein wie die Disziplin, in der er vergeben wird, selbst. Man darf gespannt sein, ob die heutige Preisverleihung dem Rechnung trägt.