Eine Million Totgeburten pro Jahr haben mit Luftverschmutzung zu tun
Studie Erstmals hat eine Studie beziffert, wie viele Totgeburten in aller Welt mit giftigen Schadstoffen in der Luft in Verbindung stehen. Wo es Erfolge im Kampf gegen Luftverschmutzung gibt, sinkt die Zahl der Totgeburten, etwa in China
Smog über der chinesischen Hauptstadt Peking (Archivbild)
Foto: Lintao Zhang/Getty Images
Fast eine Million Totgeburten pro Jahr können auf Luftverschmutzung zurückgeführt werden, hat eine erste weltweite Studie zu dem Thema ergeben. Sie geht davon aus, dass fast die Hälfte der Totgeburten auf die Belastung durch Schadstoffpartikel mit einer Größe von weniger als 2,5 Mikrometern (PM2,5) zurückzuführen ist, die hauptsächlich bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen.
Die Studie nahm 137 Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika in Augenschein, wo 98 Prozent der Totgeburten auftreten. Es war bereits bekannt, dass schmutzige Luft das Risiko von Totgeburten erhöht, aber die Studie ist die erste, die die Zahl der Todesfälle bei Föten taxiert. Die Arbeit basiert auf Daten von mehr als 45.000 Tot- und Lebendgebur
ebendgeburten.Unicef: „Vernachlässigte Tragödie“Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hatte Totgeburten in einem Bericht für das Jahr 2020 als eine „vernachlässigte Tragödie“ bezeichnet. Angesichts der schwerwiegenden Auswirkungen, die Totgeburten auf Mütter und deren Familien haben, seien Maßnahmen zu ihrer Verhinderung wichtig für die Förderung der Gesundheit und der Gleichberechtigung von Frauen, so die Wissenschaftler, die hinter der neuen epidemiologischen Studie stehen.Sie untersuchten nicht, wie die Verschmutzung durch kleine Partikel Totgeburten verursacht, folgt jedoch auf eine Enthüllung aus dem Oktober, die zeigte, dass toxische Luftverschmutzungspartikel in den Lungen und Gehirnen von Föten gefunden wurden. Luftverschmutzungspartikel wurden erstmals 2018 in der Plazenta nachgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits bekannt, dass schmutzige Luft stark mit vermehrten Fehlgeburten, Frühgeburten, niedrigem Geburtsgewicht und gestörter Gehirnentwicklung korreliert.Die Ziele der WHO einhalten„Die Einhaltung der Luftqualitätsziele der Weltgesundheitsorganisation WHO könnte eine beträchtliche Zahl von Totgeburten verhindern“, so die Wissenschaftler unter Leitung von Dr. Tao Xue von der Universität Peking in China. „Die derzeitigen Anstrengungen zur Verhinderung von Totgeburten konzentrieren sich auf die Verbesserung der medizinischen Versorgung, aber im Vergleich zu den klinischen Risikofaktoren werden die umweltbedingten Faktoren in der Regel nicht beachtet.“Und weiter: „Maßnahmen zur Luftreinhaltung, die in einigen Ländern, etwa China, ergriffen wurden, können Totgeburten verhindern. Darüber hinaus könnten persönliche Schutzmaßnahmen gegen Luftverschmutzung, das Tragen von Masken, die Installation von Luftreinigern und das Vermeiden von Aufenthalten im Freien bei Luftverschmutzung zum Beispiel, gefährdete Schwangere ebenfalls schützen.“Pakistan, Indien, NigeriaFür die in Nature Communications veröffentlichte Studie wurden Daten über Totgeburten und Luftverschmutzung zwischen 1998 und 2016 aus 54 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMIC) verwendet, darunter Pakistan, Indien und Nigeria. Anhand dieser Daten wurde die Zahl der Totgeburten geschätzt, die auf die PM2,5-Belastung in den 137 LMIC-Ländern zurückzuführen sind, wobei die Tatsache berücksichtigt wurde, dass die Auswirkungen der verschmutzten Luft bei älteren Müttern größer sind.Praktisch alle Mütter in der Studie waren einer PM2,5-Belastung ausgesetzt, die über dem aktuellen WHO-Richtwert von 5 Mikrogramm pro Kubikmeter (μg/m3) lag. Im Jahr 2015 wurden in den untersuchten Ländern 2,09 Millionen Totgeburten verzeichnet, von denen 950.000 (45 Prozent) auf eine Exposition über dem Wert von 5 μg/m3 zurückzuführen waren, so die Studie.Weniger Luftverschmutzung in ChinaDer WHO-Richtwert für PM2,5 lag bis 2021 bei 10 μg/m3 – 99 Prozent der Mütter in der Studie waren einer höheren Belastung durch schmutzige Luft ausgesetzt. Dies wurde mit 830.000 Totgeburten in Verbindung gebracht, was 40 Prozent der Gesamtzahl entspricht, so die Studie. Der Anteil der Totgeburten, der auf die PM2,5-Verschmutzung zurückgeführt wurde, war in Pakistan, Indien, Nigeria und China besonders hoch. Insgesamt stellten die Forscher fest, dass ein Anstieg der PM2,5-Belastung um etwa 10 µg/m3 mit einem um elf Prozent erhöhten Risiko einer Totgeburt verbunden war.Die Gesamtzahl der Totgeburten sank von 2,31 Millionen im Jahr 2010 auf 1,93 Millionen im Jahr 2019. Die Forscher erklärten, dass die Verringerung der Luftverschmutzung in einigen Ländern, z. B. in China, ein wesentlicher Grund für diesen Rückgang sein könnte. Sie schätzten, dass eine Verringerung der Luftverschmutzung auf den Wert von 10 ug/m3 heute 710.000 Totgeburten pro Jahr verhindern könnte. „Da alle Menschen der Luftverschmutzung ausgesetzt sind, ist sie einer der wichtigsten Faktoren, die zu Totgeburten weltweit beitragen“, sagte Xue.Irreversible embryonale SchädenWie genau die Luftverschmutzung Totgeburten verursachen kann, ist noch nicht klar. Die Forscher erklärten jedoch, dass Schadstoffpartikel, die die Plazenta passieren, „irreversible embryonale Schäden“ verursachen und auch die Plazenta selbst schädigen könnten. Die Luftverschmutzung könnte auch die Fähigkeit des Körpers der Mutter einschränken, den Fötus mit Sauerstoff zu versorgen.Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Zahl der Totgeburten zwar weltweit zurückgeht, aber in etwa der Hälfte der untersuchten LMIC-Länder kein Rückgang zu verzeichnen ist. Sie stellten fest, dass die Zahl der Totgeburten langsamer zurückging als die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren. „Dies deutet darauf hin, dass die Bemühungen zur Förderung der Gesundheit von Müttern bei den verschiedenen negativen Folgen ungleich und dass die für Totgeburten relevanten Maßnahmen unzureichend sind“, so die Forscher.Prof. Gregory Wellenius, der Direktor des Zentrums für Klima und Gesundheit an der Universität Boston in den USA, der nicht an der Studie beteiligt war, sagte: „Diese Studie ist neu und zeigt, dass die Luftverschmutzung bei den derzeitigen Werten zu einer beträchtlichen Zahl von Totgeburten in der ganzen Welt beiträgt. Gesundheitliche Folgenabschätzungen wie diese beruhen immer auf einer Reihe von wichtigen Annahmen. Auch wenn der Anteil der Totgeburten, der durch eine deutliche Verringerung der PM2,5-Belastung verhindert werden könnte, ungewiss ist, ergänzt die Studie die Fülle wissenschaftlicher Erkenntnisse, die zeigen, dass eine Verringerung der Luftverschmutzung die Gesundheit der Menschen auf der ganzen Welt verbessern würde, insbesondere bei den am stärksten gefährdeten Personen“.
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