Suppenküchen gegen den Hunger

USA Eine Million Kinder gehen nach einem gerade vorgestellten Bericht der US-Regierung hungrig zu Bett. Im Vorjahr ist die Zahl der Betroffenen erheblich gestiegen

Präsident Barack Obama hatte während des Wahlkampfes versprochen, dass in den USA kein Kind mehr hungern muss. Jetzt bezeichnet das Weiße Haus eine vorliegende Untersuchung des Agrarministeriums als „sehr beunruhigend“. Die Studie gibt an, dass 50 Millionen (oder jeder sechste) Amerikaner im vergangenen Jahr mehrfach nicht in der Lage waren, genügend Lebensmittel zu kaufen, um gesund zu bleiben. Vorrangig wird das auf eine grassierende Arbeitslosigkeit und schlecht bezahlte Jobs zurückgeführt. Die Zahlen sind im Vergleich zu 2007 um ein Drittel gestiegen und die höchsten seit Beginn der Erhebung im Jahr 1995. Sie dürften in diesem Jahr eine weitere Zunahme erfahren.

Schwarze oder Latinos

Landwirtschaftsminister Tom Vilsack spricht von einem „Weckruf“ und sagte, er gehe davon aus, dass die jetzige Lage sogar noch schlechter sei, was aber erst im Bericht des nächsten Jahres dokumentiert werde. Man müsse von 6,7 Millionen Menschen mit einer „sehr geringen Lebensmittelsicherheit“ ausgehen, was bedeutet, dass sie regelmäßig nicht genug zu essen haben. Nahezu alle Betroffenen sagen aus, sie verfügten kaum über genügend Geld, um sich ausgewogen zu ernähren. Auch wenn nur wenige angeben, es handle sich um ein permanentes Problem, das sich über das gesamte Jahr erstrecke, so sagen doch 88 Prozent, mit Geldnot hätten sie immerhin in drei bis vier Monaten des Jahres zu tun.

Die Zahl der Kinder, die in Haushalten mit Lebensmittelengpässen leben, erhöhte sich 2008 um nahezu ein Drittel auf 17 Millionen. Im Bericht der Regierung heißt es, dass die meisten Eltern, die selbst nicht genug zu essen haben, zwar dafür Sorge tragen, dass wenigstens ihre Kinder nicht hungern – dennoch über eine Million Kinder unter mangelnder Ernährung leiden. Am stärksten sind davon die Südstaaten betroffen. Mississippi weist den höchsten Anteil an Menschen auf, die mit langfristiger Lebensmittelknappheit zu kämpfen haben. Es folgen Texas und Arkansas. Mehr als die Hälfte der Betroffenen sind Schwarze oder Latinos. Millionen weiterer Amerikaner hungern nur deshalb nicht, weil sie so arm sind, dass sie von der Regierung Lebensmittelmarken erhalten oder sich auf die Versorgung durch Suppenküchen wie die von Feeding America verlassen. In manchen Staaten wie etwa West Virginia ist jeder sechste auf Lebensmittelmarken angewiesen.

Weniger Arbeit, gekürzte Löhne

Vicki Escarra, die Vorsitzende der Organisation Feeding America, die 200 Ausgabestellen für Lebensmittel in den Vereinigten Staaten betreibt und dabei 25 Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgt, nennt den Bericht „alarmierend“. „Obwohl diese Zahlen schon niederschmetternd genug sind, darf man nicht vergessen, dass sie die Situation von vor einem Jahr beschreiben. Seitdem ist die Wirtschaft wahrlich eingebrochen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass heute noch mehr Menschen Hunger leiden müssen als dieser Bericht wiedergibt.“

Nach Angaben von Feeding America gibt es einen „dramatischen Anstieg“ der Notfallhilfe, von Ausgabestellen und Suppenküchen im ganzen Land. Manche verzeichnen einen Mehrbedarf um über 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Als Hauptursache gelten die auf über zehn Prozent gestiegene Arbeitslosigkeit sowie die wachsende Zahl von Amerikanern, denen die Wochenarbeitszeit und damit die Löhne gekürzt wurden. Bereits vor der Wirtschaftskrise hatten viele der Arbeitenden damit zu kämpfen, steigende Lebenshaltungskosten zu bezahlen, beispielsweise höhere Benzinpreise, die für Menschen in ländlichen Regionen, die zum Arbeitsplatz weite Strecken zurücklegen müssen, eine große Last darstellen. Feeding America gibt an, 40 Prozent der von ihnen unterstützten Menschen lebten in Familien, in denen mindestens ein Erwachsener Arbeit habe.

Die Veröffentlichung des Berichts fällt mit dem in diesen Tagen in Rom stattfindenden UN-Welternährungsgipfel zusammen. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erinnerte aus diesem Anlass daran, dass alle fünf Sekunden ein Kind an den Folgen von Unterernährung stirbt und über eine Milliarde Menschen auf der Welt an Hunger leiden.

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

Chris McGreal, The Guardian | The Guardian

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