SVB, Credit Suisse & Co.: Der nächste Banken-Crash ist sicher

Finanzmärkte Jahrelang haben die Zentralbanken den Finanzsektor an massenhaft billiges Geld gewöhnt. Dass es bei einem Ausstieg aus dieser Geldpolitik durch Fed, EZB & Co. zu Turbulenzen kommen würde wie jetzt bei SVB und Credit Suisse, war absehbar
Die größte Schweizer Bank, UBS, hat die Credit Suisse, zweitgrößte Bank der Eidgenossen, übernommen
Die größte Schweizer Bank, UBS, hat die Credit Suisse, zweitgrößte Bank der Eidgenossen, übernommen

Foto: Fabrice Coffrini/AFP/Getty Images

Vor einem Jahr hat die US-Zentralbank Federal Reserve begonnen, die Zinsen zu erhöhen – und jetzt beginnt der Absturz von Banken. Wer glaubt, dass die Silicon Valley Bank (SVB) oder die Credit Suisse Einzelfälle sind, macht sich etwas vor. Finanzkrisen traten im vergangenen halben Jahrhundert durchschnittlich einmal pro Jahrzehnt auf. Die jetzige Krise war gewissermaßen überfällig.

Es hat bis dahin nur etwas länger gedauert, weil Banken seit 2008 in einer Welt arbeiten, die von extrem niedrigen Zinssätzen und regelmäßigen elektronischen Geldspritzen der Zentralbanken geprägt sind. Ursprünglich als vorübergehender Ausweg aus der angespannten Lage nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers gedacht, wurde das viele billige Geld zu einer ständigen Stütze für die Märkte.

Immobilienblasen und abstürzende Aktienmärkte

Diskussion hat es im Laufe der Jahre immer wieder gegeben darüber, was passieren würde, wenn die Zentralbanken die Zinssätze anheben und das von ihnen geschaffene Geld aus dem Finanzsystem abziehen würden. Jetzt wissen wir es. Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Inflation als notwendig erachtet wurden, haben Immobilienblasen zum Platzen gebracht, Aktienkurse abstürzen lassen und den Banken große Verluste aufgrund ihrer Staatsanleihen-Bestände beschert.

Die Bank of England kam schneller aus den Startlöchern als die Fed. Die britische Zentralbank begann im Dezember 2021 mit der Anhebung der Zinssätze und hat sie nun zehnmal in Folge erhöht. Die Europäische Zentralbank (EZB) wartete bis Juli vergangenen Jahres, bevor sie beschloss, die Kreditkosten zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt zu erhöhen. Vergangene Woche blieb sie bei diesem Kurs – obwohl schon bekannt war, dass sich die Bankenmisere über den Atlantik bis zur Credit Suisse ausgebreitet hatte.

Drei Anzeichen einer US-Rezession

Dass sich die Volkswirtschaften der USA, Großbritanniens und der Eurozone besser gehalten haben, als unmittelbar nach dem durch Russlands Einmarsch in der Ukraine verursachten Energiepreisschock erwartet worden war, sollte nicht blenden. Es dauert seine Zeit, bis sich geldpolitische Veränderungen – die Entscheidungen der Zentralbanken über Zinssätze und Anleihekäufe oder -verkäufe – auswirken.

Wie Dhaval Joshi von der Anlagestrategieberatung BCA Research vergangene Woche feststellte, gibt es drei klassische Anzeichen für eine bevorstehende Rezession in den USA: ein Abschwung auf dem Wohnungsmarkt, Bankenzusammenbrüche und steigende Arbeitslosigkeit. Der Wohnungsbau ist im vergangenen Jahr um 20 Prozent zurückgegangen – das erste Anzeichen liegt also bereits vor. Mit dem zweiten ist es angesichts der Probleme bei der SVB und anderen US-Regionalbanken kaum anders. Der dritte Vorbote einer US-Rezession ist ein Anstieg der Arbeitslosenquote in den USA um 0,5 Prozentpunkte. Bislang ist sie um 0,2 Punkte gestiegen.

Fed und Bank of England entscheiden

Banken brechen meist kurz vor Beginn einer Rezession zusammen, sagt Joshi. Vor der Rezession, die im Dezember 2007 begann, ist in den Jahren 2005 und 2006 keine einzige US-Bank gescheitert. Die ersten drei Bankzusammenbrüche ereigneten sich im Februar, September und Oktober 2007, kurz vor Beginn der Rezession. In den Jahren 2021 und 2022 scheiterte keine US-Bank. Die ersten Bankenpleiten dieses Zyklus – die Silicon Valley Bank und die Signature Bank – haben gerade stattgefunden. Wenn Geschichte ein Anhaltspunkt ist, dann ist der Beginn von Bankenzusammenbrüchen ein Vorbote einer wirtschaftlichen Rezession, die näher bevorsteht, als viele Menschen vermuten.

Die Fed und die Bank of England treffen diese Woche Zinsentscheidungen, und die Finanzmärkte gehen davon aus, dass es in beiden Fällen darum geht, ob die Zinssätze unverändert bleiben oder um 0,25 Prozentpunkte angehoben werden. Offen gesagt, sollte die Entscheidung klar sein. Angesichts der damit verbundenen Verzögerungen käme selbst eine Zinssenkung zu spät, um einen Rückgang der Produktion in den kommenden Monaten zu verhindern, aber vor dem Hintergrund einer sinkenden Inflation, weltweit fallender Rohstoffpreise und Anzeichen einer zunehmenden finanziellen Notlage wäre jede weitere Straffung der Geldpolitik, also eine Anhebung der Zinssätze, töricht.

Als Banken streng reguliert wurden

Die Zentralbanken scheinen zu glauben, dass es kein Problem ist, Preisstabilität zu erreichen und gleichzeitig Finanzstabilität zu gewährleisten. Viel Glück dabei. Die Fed, die EZB und die Bank of England haben aggressiv von „Quantitative Easing“ auf „Quantitative Tightening“ umgeschaltet – und die Dinge beginnen zu kippen.

Das war nicht immer so. In den 25 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gab es kaum Bankenkrisen – eine Zeit, in der die Banken viel strenger reguliert waren als heute und eine eher periphere wirtschaftliche Rolle spielten. Die nach der Weltwirtschaftskrise eingeführten Reformen, einschließlich der Kapitalverkehrskontrollen und der Trennung von Privatkunden- und Investmentbanking in den USA, sollten sicherstellen, dass die Regierungen ihre wirtschaftlichen Ziele verfolgen konnten, ohne befürchten zu müssen, dass sie durch einen Ansturm auf ihre Währungen oder durch Marktturbulenzen aus dem Konzept gebracht würden.

Systemrelevant oder nicht

In den vergangenen 50 Jahren ist der Finanzsektor liberalisiert worden und hat sich stark vergrößert. Seit der globalen Finanzkrise wurde Regulierung und Aufsicht verschärft, aber mit nur begrenzter Wirkung. Die SVB sollte eine kleine Bank sein, die mit weniger strengen Vorschriften arbeiten konnte als eine Bank, die als „systemrelevant“ gilt. Als es jedoch zur Krise kam, wurden alle Einleger der SVB geschützt – die Unterscheidung zwischen einer systemrelevanten und einer nicht systemrelevanten Bank ist also eher akademisch. Das Finanzsystem als Ganzes ist sowohl von Natur aus anfällig als auch zu groß, um zu scheitern.

Es gibt nicht die geringste Möglichkeit, zu den Beschränkungen für Banken zurückzukehren, die in den 1950er und 1960er Jahren galten. So wünschenswert das auch wäre – wer will es denn politisch aufnehmen mit einem extrem mächtigen Finanzsektor? Kaum jemand. Aber das hat, wie sich in den vergangenen 15 Jahren gezeigt hat, seinen Preis.

Zum einen bringt eine vom Finanzsektor dominierte Wirtschaft nur den Bessergestellten etwas: den Besitzern von Immobilien und Aktien. Zweitens sind die Finanzmärkte süchtig nach den von den Zentralbanken bereitgestellten Anreizen geworden. Drittens werden die systemimmanenten Krisen sehr viel wahrscheinlicher, wenn – wie jetzt – diese Anreize wegfallen. Das bedeutet, dass irgendwann weitere Anreize geschaffen werden, die Märkte wieder boomen und die Saat für den nächsten Crash gelegt wird.

Larry Elliott ist Wirtschaftsredakteur beim Guardian.

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Larry Elliott | The Guardian

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