Tod am Zaun

Sechs-Tage-Krieg Der notdürftige Fußballplatz ist leer. Auf der anderen Straßenseite begrenzt Stacheldraht den verlassenen Landeplatz von Atarot, einst als ...

Der notdürftige Fußballplatz ist leer. Auf der anderen Straßenseite begrenzt Stacheldraht den verlassenen Landeplatz von Atarot, einst als "Jerusalems Internationaler Flughafen" beworben. Um den Zaun läuft ein Graben, in den der Junge fiel und verblutete. Eine Kugel hatte ihn am Bein getroffen - er lag dort und starb qualvoll. Hatte er bloß Fußball gespielt? Wollte er den Ball holen, der in den Graben gefallen war, wie seine Freunde sagen? Oder hatte er Draht aus dem Verhau schneiden wollen, um ihn zu verkaufen, wie die israelische Armee sagt?

Ist das wichtig? Geht es nicht allein darum: Weshalb schoss ein Soldat auf den Jungen und ließ ihn dann blutend liegen? Was denkt der Schütze, wenn er einem 16-Jährigen das Leben nimmt, der niemanden bedroht hat? Drei Zäune umgeben den stillgelegten Flughafen und drei Tage nach dem unnötigen, kriminellen Schuss lässt sich nirgendwo ein Loch entdecken.

An diesem schrecklichen Ort werden die Kinder des Viertels wie Fliegen getötet. Mindestens acht starben in den vergangenen Jahren. Nun traf es Taha Aljawi, er besaß einen israelischen Pass und wollte bald seinen 17. Geburtstag feiern. Das Gedächtnisposter der Hamas zeigt sickerndes Blut. Die Fatah verwendet ein Foto, das Taha mit dem Anflug eines Schnurbarts präsentiert. Das Viertel, aus dem Taha kam, heißt Kafr Aqadm und liegt in Nord-Jerusalem, seine Bewohner sind Israelis, leben aber auf der anderen Seite der Sperranlage.

An jenem Tag war Taha von seinen Freunden zum Fußballspielen abgeholt worden. Bald schon, sagen sie, sei der Ball über die Straße geflogen, die das Spielfeld begrenzt. Taha rannte hinterher, die Kinder hörten Schüsse. Sie sahen den Jungen in den Graben fallen und liefen panisch davon. Die Kugel traf das linke Bein über dem Knie. Ein solche Wunde ist nur tödlich, wenn man viel Blut verliert. Taha muss lange in dem Graben gelegen haben: Die Kinder sagen, mindestens eine Stunde sei vergangen, bevor die Soldaten ihr Opfer aufhoben.


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Geschrieben von

Gideon Levy | The Guardian

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