Todeszonen unter Wasser

Ölpest BP vermeldet erste Erfolge in seinem Bemühen, das Leck im Golf von Mexiko zu stopfen. Das bereits ausgetretene Öl reicht aber schon aus, um das Ökosystem zu vernichten

Es gibt nichts gutes im schlechten, und viel Freude kann die jüngste Nachricht des Ölkonzerns BP deshalb kaum hervorrufen: Fast vier Wochen nach der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko ist es nach Aussage des Unternehmens gelungen, eine Röhre in die kaputte Leitung einzuführen und damit erstmals austretendes Öl abzusaugen und in einen Tanker zu leiten. Die Prozedur war am Sonntagmorgen zunächst gescheitert, gelang dann aber im zweiten Anlauf. Kent Wells von BP erklärte, man wisse nicht, wieviel Öl auf diese Weise abgesaugt werden könne. Man wolle die Menge langsam bis zum möglichen Maximum erhöhen, auch wenn man nicht wisse, wieviel dies sein werde. In den kommenden zehn Tagen will BP versuchen, das Rohr komplett zu verschließen.

Inzwischen lassen riesige Ölschwaden unter der Wasseroberfläche allerdings vermuten, dass schon weit mehr Öl aus dem Leck am Meeresboden ausgetreten ist, als befürchtet. In einer Tiefe von 1.300 Metern könnten die Schwaden zu riesigen Todeszonen führen. Mitglieder des National Institute for Undersea Science and Technology fanden die Unterwasserölteppiche rund um die Stelle, an der die Bohrinsel Deepwater Horizon am 20. April untergegangen war. Dank eines neuen Stichprobenverfahrens entdeckten die Forscher sie Schwaden noch in 32 Kilometern Entfernung von der Quelle. Die bislang größte Schwade war 90 Meter dick, 4,8 Kilometer breit und sechzehn Kilometer lang. Laut Professor Samantha Joyce von der University of Georgia sind die Teppiche so zahlreich, dass man sie bereits als „charakteristisch“ für das Umfeld des Lecks bezeichnen.

Wie die riesigen Ölschwaden unter Wasser entstehen konnten, ist den Wissenschaftlern vom Forschungsschiff Pelican ein Rätsel. Man hatte vermutet, das Öl werde an die Oberfläche steigen. Stattdessen schwimmt es jetzt in mehreren Schichten von unterschiedlicher Dicke tief unter Wasser. Die Schwadenbildung, von der am Samstag erstmals in der New York Times zu lesen war, könnte mit dem Dispersionsmittel zu tun haben, das BP nahe der Quelle auf dem Meeresgrund verteilt hat. Diese Technik ist bislang noch nie zum Einsatz gekommen und Wissenschaftler fragen sich nun, ob die Dispersion dafür verantwortlich ist, dass das Öl zu relativ dicken Klumpen gerinnt, schwerer als Wasser wird und nicht an die Oberfläche tritt.

Suche nach Zeichen von Leben

In der Tiefe könnten die ölabbauenden Mikroorganismen nun den Sauerstoff-Gehalt des Wassers massiv reduzieren. In manchen Teilen des Golfes liegt der Wert schon fast ein Drittel unter der normalen Konzentration. Wenn das Niveau weiter absinkt, entstehen Todeszonen, in denen kein Leben mehr möglich ist. Zur langfristigen Überwachung haben die Forscher jetzt auch Instrumente auf dem Meeresboden installiert, die die Laute von Meeressäugern registrieren.

Je mehr über die Einflüsse auf die Umwelt bekannt wird, desto größer wird der Druck auf BP und die Regierung Obama. Dem Ölgiganten wird vorgeworfen, das volle Ausmaß der Katastrophe verschleiern zu wollen. Experten, die die Videoaufnahmen studiert haben, auf denen das austretende Öl zu sehen ist, haben die Menge auf bis zu 13 Millionen Liter pro Tag geschätzt – das wäre 14 Mal mehr als die von BP angegebene Zahl. Auch die US-Regierung gerät für ihr Krisenmanagement sowie ihre vor der Katastrophe sehr unkritische Haltung gegenüber den Offshore-Bohrungen in die Kritik.

Falsche Genehmigungen für Bohrungen

Umweltaktivisten vom Centre for Biological Diversity drohen damit, die Regierung zu verklagen, weil sie angeblich die Bestimmungen für die Genehmigung neuer Bohrstellen unterlaufen habe. Mehr als 300 Bohrprojekte hätten seit Obamas Amtsantritt im Januar 2009 bereits grünes Licht erhalten, ohne dass zuvor die korrekten Genehmigungen hinsichtlich des Schutzes von Walen und anderen Meeressäugetieren eingeholt worden wären.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Ed Pilkington | The Guardian

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