Sigourney Weaver Sigourney Weaver hat als erste Action-Heldin mit "Alien" Hollywoods Frauenbild revolutioniert. Jetzt kämpft sie wieder: in "Avatar". Und für den Klimaschutz
Wenn der Name Sigourney Weaver fällt, denken die meisten nicht nur an ihre Klugheit und ihre aristokratische Eleganz, sondern auch an ihre Körpergröße. Erinnern Sie sich nur einmal an die Szene in dem Film Infamous, in der sie mit Toby Jones alias Truman Capote tanzt. Sein Kopf erreicht in etwa die Höhe ihres Bauchnabels. Und dann wäre da noch die Geschichte, wie sie zu ihrem Namen kam. Sie wurde auf den Namen Susan getauft, aber mit 14 Jahren entschied sie, dass er für eine 1,80 Meter große Person nicht passend sei. Also nahm sie den Namen Sigourney an, den sie in Der große Gatsby entdeckt hatte. Er klang in ihren Ohren lang und kurvenreich und damit angemessener.
Mir war all dies bekannt, bevor ich Weaver in einem Hotel in Los Angeles traf. Des
tel in Los Angeles traf. Deshalb muss es blöd klingen, wenn ich nun sage, dass ich überrascht war, wie groß sie ist. Als ich ihre Suite betrete, erhebt sie sich, um mich zu begrüßen. Und erhebt sich weiter und weiter. Als sie schließlich in voller Größe vor mir steht, komme ich mir vor wie der kleinwüchsige, schottische Komiker Ronnie Scott. Das Beeindruckende an Weaver ist die Art, wie sie sich ganz offensichtlich wohl fühlt mit ihrer Größe, ja sogar stolz darauf ist. Sie trägt ein schwarzes Abendkleid und High Heels, als wolle sie aller Welt sagen: „Wenn du mit meiner Größe nicht klarkommst, dann ist das dein Problem, Kumpel!“Ich frage sie, ob es für ihre Karriere eher nützlich oder schädlich war, dass sie so groß ist und werde noch einmal überrascht. „Meine Größe hat mich davon abgehalten, mit gewöhnlichen Regisseuren zu arbeiten“, sagt sie. Tatsächlich, kein gewöhnlicher Regisseur wollte sich mit ihr einlassen, kein einziger? Sie lacht bestätigend: „Und ich habe aufgrund meiner Größe nie eine Rolle in einer konventionellen Liebesgeschichte bekommen.“ Macht sie das nicht wütend? „Ich bin sehr froh über die Möglichkeiten, die ich bekommen habe“, antwortet sie und fügt mit schmeichlerischer Stimme übertrieben sexy hinzu: „Vielleicht werde ich von nun an nur noch Liebesfilme drehen.“Wilde MännerDer Vorteil dieser offensichtlichen Diskriminierung sei, dass alle Regisseure, mit denen sie zusammengearbeitet hat, „wilde Männer“ waren. Sie sagt, sie sei sehr dankbar dafür. Sie verweist auf Ridley Scott, den Alien-Regisseur, auf Peter Weir, mit dem sie Ein Jahr in der Hölle drehte und auf Ang Lee, für den sie in Der Eissturm vor der Kamera stand. Der vierte „wilde Mann“, den sie erwähnt, ist James Cameron, mit dem sie nun nach zwanzig Jahren Pause für Avatar wieder zusammengearbeitet hat.Sie spielt die Rolle der Wissenschaftlerin Grace, die an der Erforschung und Ausbeutung eines entfernten Planeten namens Pandora beteiligt ist. Relativ zu Beginn des Films hat sie mit einem ehemaligen Marineoffizier zu tun, den sie auf den ersten Blick nicht leiden kann. In einer Szene soll sie ihn auf seine Verwandlung in einen Avatar vorbereiten – ein Hybridwesen aus der Verbindung seines Genmaterials mit dem eines der außerirdischen Wesen, die Pandora bevölkern. „Entspannen Sie sich einfach und denken Sie an nichts“, ordnet sie an und ergänzt mit vernichtender Nonchalance: „Das sollte Ihnen nicht allzu schwer fallen.“ Es ist einer dieser klassischen Weaver-Einzeiler, den sie verächtlich durch ihre schmalen, leicht gekräuselten Lippen presst. Man wäre nicht weiter erstaunt, würde sich Sam Worthington, der den Marineoffizier spielt, daraufhin zusammenrollen und wie ein Baby plärren.Für Tausende von Film-Freaks und Science-Fiction-Fans wird diese Szene in Avatar vertraute Erinnerungen wachrufen. Das ist die Weaver, die sie kennen und lieben. Spitzzüngig, spröde und intelligent. Jene Weaver, die es mit dem gefährlichsten Alien des Universums aufnehmen konnte und überlebte, nur um dann eine Fortsetzung zu drehen. Jene Weaver, die 1979 in der Rolle der unerfahrenen, aber einfallsreichen Raumschiffoffizierin Ellen Ripley über Nacht von einer unbekannten Schauspielerin zum Star wurde.Ironischer Weise hätte Weavers anhaltende Bekanntheit als Star der Alien-Filme beinahe dazu geführt, dass sie die Rolle der Grace nicht bekommen hätte. Cameron und sein Produzent Jon Landau waren sehr darauf bedacht, jegliche Parallele zwischen der Zukunftsvision des Films Avatar und dem Film Aliens – Die Rückkehr, den Cameron und Landau 1986 gemeinsam realisiert hatten, zu vermeiden. Landau erzählte mir, sie hätten Weaver aus eben diesem Grund ursprünglich von der Casting-Liste gestrichen. In einem frühen Entwurf des Avatar-Drehbuchs trug die Wissenschaftlerin zufällig den Namen Grace Ripley, sie änderten ihn jedoch unverzüglich in Grace Augustine um. Am Ende gaben die Filmemacher doch Weaver die Rolle. Nicht, dass Weaver ihre Bedenken nicht verstanden hätte. „Ich wollte nicht, dass mich jemand in dieser neuen Welt mit Ripley in Verbindung bringt“, erzählt sie. „Deshalb entschied ich mich für das rote Haar. Es passt zu Grace, einer Naturschönheit, die aber nichts aus sich macht. Also hat sie ungekämmtes, rotes Haar, als Zeichen ihrer Energie.“Revolutionäres FrauenbildDer Wunsch, die Verbindung zu Alien zu umgehen, ist verständlich. Auch wenn sie zwischenzeitlich die unterschiedlichsten Rollen annahm, in denen sie sowohl Komik (Ghostbusters), als auch Intensität (Der Tod und das Mädchen) und dunkles Pathos (Der Eissturm) bewies, wird ihr Name immer noch am schnellsten mit Ripley in Verbindung gebracht.Andererseits waren die Alien-Filme revolutionär, nicht zuletzt durch ihr Frauenbild. Vor ihnen waren weibliche Filmschauspielerinnen (größtenteils) dazu verdammt, das Opfer zu spielen, das sich in der Dunkelheit kauernd vor seinem (männlichen) Feind verbarg. Dann kam Ripley, kühl wie Eis, spuckte diese klassischen Einzeiler aus und zerrte Hollywood in eine neue Ära. Nehmen Sie nur einmal die Szene gegen Ende von Alien, als das Raumschiff Nostromo in einer gigantischen Feuerkugel explodiert und sie sagt: „I got you, you son of a bitch!“ Oder diese Szene in Alien – Die Wiedergeburt, in der sie beiläufig einen Basketball rückwärts über ihren Kopf wirft und ihn sechs Meter in die Höhe schnellen lässt, um ihn dann mühelos im Korb zu platzieren (ja, das hat sie wirklich getan!).Mit der Rolle der Ellen Ripley ist Weaver, bildlich gesprochen, nicht einfach nur durch das Glasdach Hollywoods gebrochen, sie hat es in unzählige Splitter zerschlagen und damit den Weg für eine neue Generation von weiblichen Schauspielerinnen frei gemacht. Winona Ryder, die im vierten Alien-Film an ihrer Seite spielt, hat es einmal so ausgedrückt: „Sigourney ist einer dieser Menschen, der uns gezeigt hat, dass alles möglich ist.“Ich frage Weaver, ob ihr diese Bedeutung bewusst gewesen sei, als sie Alien drehte. „Mir war weitaus bewusster als unseren Produzenten, dass wir ein feministisches Statement abgaben. Sie sagten nur: ‚Lasst uns das Mädchen zur Heldin der Geschichte machen. Damit rechnet keiner!‘“ Die meiste Zeit habe sie sich am Set jedoch nicht mit schlauen Gedanken über die Rolle der Frau im Kino aufgehalten, sie sei zu sehr damit beschäftigt gewesen, den Kopf über Wasser zu halten. Es war ihre erste große Rolle in einem Kinofilm. Was sie zu tun hatte, lernte sie erst während des Drehs. „Ich hatte keine Ahnung, was ich da tat. Für die Rolle der Ripley war das sicherlich nützlich, denn sie wusste es ja genauso wenig. Sie durfte aber keinen wissen lassen, dass sie sich nicht sicher war, ob sie die richtigen Entscheidungen traf.“ Diese Beschreibung bringt es ziemlich gut auf den Punkt. Wie sie selbst überlebte? „Ich erinnere mich an die erste Woche. Ridley bat mich, nicht direkt in die Kamera zu sehen. Ich erwiderte: ‚Das versuche ich, aber du hältst sie immer direkt vor mich hin.‘“Weaver hatte eigentlich die Absicht, in die Fußstapfen ihrer Mutter, der Theaterschauspielerin Elizabeth Inglis, zu treten. Sie wollte sich einem Repertoireensemble wie dem Guthrie Theatre in Minnesota anschließen. Als Ridley Scott sie an einer kleinen Off-Bühne aufgabelte und ihr eine Kamera vors Gesicht drückte, tröstete sie sich mit dem Gedanken, das Ganze sei ein sinnvoller Zeitvertreib, bis sie am Guthrie anfangen könnte. Mit etwas Nachhilfe durch ihren Agenten Sam Cohen entdeckte sie jedoch ihre Liebe zum Film. „Er war davon überzeugt, dass Kino eine Kunstform ist und diese Überzeugung war auch für mich lange Zeit wichtig.“ Die höhere Gage sprach wohl auch nicht dagegen. Für Alien bekam sie 30.000 US-Dollar, bis zum vierten Teil Alien – die Wiedergeburt stieg die Gage auf 11 Millionen Dollar an. Nun arbeitete sie mit 60 erneut mit Cameron. „Wir sind wie ein altes Ehepaar. Ich bin eine Perfektionistin, deshalb liebe ich es, mit Jim zu arbeiten, denn er bleibt sicher länger am Set als ich. Er hat jede Einstellung selbst geschossen, manchmal hing er nur noch an einem Bein von der Decke und hielt kopfüber die Kamera.“Blauer Avatar mit SchwanzAvatar ist Camerons erster Film seit er mit Titanic alle anderen Blockbuster auf die Plätze verwies. Avatar ist von Anfang bis Ende monumental. Die Produktionskosten beliefen sich auf eine Viertelmilliarde Dollar. Und bereits diese Woche hat Avatar den Weltrekord geschafft: Schneller als alle anderen Filme spielte er eine Milliarde Dollar weltweit ein.Weaver tritt in dem Film zum Teil als Grace in menschlicher Form und zum Teil als Graces Avatar auf. Die Geschichte sieht vor, dass er 20 Jahre vor der Jetztzeit des Films geschaffen wurde, deshalb sieht sie auf der Leinwand mindestens zwei Jahrzehnte jünger aus. Nicht schlecht, wenn einem die Jahre so abgenommen werden, oder? „Es war großartig, aber auch unheimlich, denn der Avatar sieht aus wie ich, obwohl er 2,70 Meter groß ist, blau und einen Schwanz hat.“Avatar hat für seine technischen Raffinessen Beifall geerntet. Für Weaver bedeutet der Film noch mehr, da er eines der Themen anspricht, die ihr jenseits des Kinos am Herzen liegen: den Erhalt der Natur. Sie tritt regelmäßig bei Veranstaltungen zum Umweltschutz als Rednerin auf und sie spricht mit Politikern über die Bedrohungen, denen die Flora und Fauna der Meere ausgesetzt ist. Das Meer liebt sie seit ihrer Kindheit, die sie am Long Island Sound verbrachte.Resolutes UmweltbewusstseinAls sie mir ihre Mission erklärt, klingt ihre Stimme erregt. Sie hämmert auf den Hotelzimmertisch zwischen uns, während sie spricht. „Die Leute sagen ‚Ich will ein Kohlekraftwerk‘ (peng), ‚Ich bin nicht bereit, mehr dafür zu bezahlen‘ (peng), ‚Wir werden uns später den Kopf darüber zerbrechen‘ (peng), aber sie verstehen nicht, dass es vielleicht kein Später geben wird. Dass wir vielleicht bald nur noch Unkraut in den Ozeanen haben werden, dass wir vielleicht an einem Punkt sind, von dem es kein Zurück mehr geben wird.“Die Prämissen von Avatar passen genau zu dieser Beschreibung. Die Erde ist kahl geworden und die Menschen reisen zum Planeten Pandora, um dessen natürliche Vielfalt zu plündern. Und obwohl Cameron so bedacht darauf war, jede Verbindung zu den Alien-Filmen zu vermeiden, gibt es doch eine eindeutige Parallele: Die wahren Bösewichte sind die Bosse einer gierigen Firma, die „der Konzern“ genannt wird. Ein solcher Konzern beutet auch den Planeten Pandora aus. Weaver beugt sich mit einem ernsten Blick vor und sagt mit einem weiteren knallenden Schlag auf den Tisch: „Es ist an der Zeit, dass wir die Festung zurückerobern. Wir müssen diese Menschen vor sich selbst schützen. Sie haben nicht genügend Weitblick.“ Wird der Konzern am Ende also gewinnen? Ihre Augen blitzen, ihre Stimme klingt wie Stahl. Ein neuer Weaver-Einzeiler ist in Arbeit. „Ich glaube, er hat gewonnen."
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