Unter dem Eis liegt das Geld

Bergbau Europa will angesichts des immer dringlicheren Bedarfs an neuen Rohstoffen in bislang unberührte Regionen vorstoßen – die Weiten Grönlands
Zeit für eine „Rohstoff-Diplomatie“: EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso (rechts) und Grönlands Premierminister Kuupik Kleist
Zeit für eine „Rohstoff-Diplomatie“: EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso (rechts) und Grönlands Premierminister Kuupik Kleist

Foto: Thierry Charlier / AFP / Getty Images

Bislang lag der Fokus der EU in Grönland vor allem auf der Förderung von Öl und Gas – ebenso großes Potenzial sieht die EU jedoch im Bergbau. Das erklärte Antonio Tajani, der Vizepräsident der Europäischen Kommission und einer der mächtigsten Politiker der Union. Nun sei die Zeit für eine „Rohstoff-Diplomatie“.

Satellitenbilder zeigen, dass in diesem Juli vier außergewöhnlich warme Tage auf 97 Prozent der grönländischen Eisdecke zu einer Oberflächenschmelze geführt haben. Das lässt annehmen, dass die natürlichen Ressourcen in den kommenden Jahrzehnten sehr viel einfacher zu bergen sein werden als bisher.

Während die Aussicht auf einen möglichen Goldrausch von einigen Grönländern begrüßt wird, hat sie auch Ängste ausgelöst. Es könne zu Umweltschäden kommen, zur Plünderung der Arktis und damit zur Zerstörung einer der letzten wilden Landstriche der Erde.

Tajani sagt: „Grönland ist hinsichtlich der natürlichen Ressourcen extrem wichtig und birgt enorme Möglichkeiten. Wir arbeiten derzeit mit dem grönländischen Premier an einem eigenen Rohstoffabkommen.“

Die grönländische Regierung hat Interesse an der Ausbeutung des natürlichen Reichtums der Insel. Sie erhofft sich davon auch, die Armut und die sozialen Probleme zu entschärfen, unter denen die indigene Bevölkerung leidet.

Mehr als 120 mögliche Förderstätten

Henrik Stendal, vom grönländischen Rohstoffamt erklärt: „Die Regierung hätte gerne eine weitere Einkommensquelle – derzeit haben wir nur den Fischfang und ein bisschen Tourismus. Uns bietet sich hier eine große Möglichkeit. Wir glauben, dass sich ein solcher Rohstoffabbau mit Bedacht vornehmen lässt.“

Bislang betreibt nur ein einziges Unternehmen in Grönland eine aktive Mine - in der Gold gefördert wird. Mindestens fünf andere Firmen aber haben schon fortgeschrittene Pläne zur Eröffnung neuer Minen, mehr als 120 mögliche Förderstätten werden derzeit erkundet. In Grönland werden immense mineralische Schätze - unter anderem etwa Seltene Erden, Edelsteine und Eisenerz – vermutet.

Angesichts der Konkurrenz aus Schwellen- und Entwicklungsländern, die die Preise für Energie, Metalle, Mineralien und andere Rohstoffe in die Höhe treibt, erscheint es Staaten immer wichtiger, neue Versorgungsquellen zu finden. Das dicht besiedelte Europa befindet sich dabei im Nachteil, weil es kaum über Möglichkeiten verfügt, die eigene die Öl- und Gasförderung oder den Bergbau auszubauen.

Grönland freilich hat riesige und größtenteils unerschlossene Ressourcen. Und es ist - obwohl inzwischen ein autonomes Gebiet - über Dänemark historisch stark an die EU angebunden.

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Derzeit werden in grönländischen Gewässern Probebohrungen nach Öl vorgenommen. Fortschritte im Bereich der Tiefseebohrungen haben das gerade erst in den Bereich des Möglichen gerückt. Auch der Bergbau war in dem fast komplett mit Eis bedeckten Land bislang quasi unmöglich.

In den kommenden Jahren werden neue Technologien und regelmäßiges Abschmelzen des Eises wohl aber dafür sorgen, dass die Rohstoffe der Region zugänglich gemacht werden können.

Nicht nur Europa hat Interessen in der Arktis. China ist schon ein Stück weiter: Eines der fortgeschrittensten Projekte zur Förderung von Mineralien in Grönland ist zwar nominell im Besitz des britischen Unternehmens London Mining, ein Großteil des Geldes und der Vorgaben kommt allerdings aus China. Auch andere Länder sind mit im Rennen – während Grönland zwar historisch enge Bindungen zu Europa hat, befindet es sich geographisch gesehen nahe an den USA und Kanada.

Tajanis aggressives Drängen in die Arktis könnte ihn auf Kollisionskurs mit der Umweltorganisation Greenpeace bringen. Die hat gerade eine neue Kampagne gestartet, die sich der Bedrohung der Arktis widmet, weil sie einer der wenigen Orte der Erde ist, die noch von industrieller Revolution ist. Im Zuge dieser Kampagne hat die Organisation in Großbritannien 74 Shell-Tankstellen lahmgelegt, um gegen das Vorhaben der Firma, in der Arktis nach Öl zu bohren, zu protestieren. Ähnliches ist in Deutschland geplant.

Proteste gegen Umweltrisiken

Jon Burgwald ist Arktisexperte bei Greenpeace. Er fürchtet, der Bergbau dort könne für die Umwelt dort sehr „schwerwiegende Konsequenzen“ haben. Mikkel Myrup, Vorsitzender der grönländischen Umweltschutzorganisation Akavaq, sagt wiederum, das Hauptproblem seien die Rückstände, so genannte „Tailings“, die im Bergbau entstünden, ebenso wie die toxischen Chemikalien, die teilweise eingesetzt würden. „Der Bergbau bringt nicht die selben Risiken mit sich wie Ölbohrungen, kann aber dennoch sehr gefährlich für die Umwelt sein. Wir sind besorgt und glauben nicht, dass die grönländische Regierung in der Lage ist, hier im notwendigen Maße zu regulieren – sie können diesen multinationalen Unternehmen nicht die Stirn bieten. Der Öffentlichkeit wird nicht das ganze Bild präsentiert,“ sagt er in seinem Büro in Nuuk, der mit 15.000 Einwohnern einzigen größeren Stadt Grönlands.

Greenpeace ist es mit der Besetzung einer Ölplattform der schottischen Firma Cairn Energy bereits gelungen, Öl- und Gasprobebohrungen des Unternehmens in den arktischen Gewässern zu behindern. Die Greenpeace-Aktivisten planen weitere Protestaktionen. Burgwald sagt, es würde wohl zu ähnlichen Aktionen kommen, sollten auch im Bergbau Schäden zu erwarten sein.

Dabei lehnt Burgwald Bergbau in Grönland keineswegs grundsätzlich ab - nur müsse der nachhaltig geschehen. Die derzeitigen Pläne seien ungenau, Grönlands Regierung bräuchte beträchtliche Hilfe, um Standards zu erstellen, mit denen sich gefährliche Folgen verhindern ließen. Bislang sei diese Hilfe aber nicht in Sicht.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Fiona Harvey | The Guardian

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