Verkehrsregeln statt Kontrolle

Cyberspace-Konferenz In London diskutieren Politiker, Unternehmer und Internet-Pioniere über die Zukunft des Cyberspace. William Hague eröffnete die Konferenz mit einem Appell gegen Zensur

In seiner Eröffnungsrede der Conference on Cyberspace in London, appellierte der britische Außenminister William Hague gegen strikte Regulierungen des Internet. Der Cyberspace, so Hague, dürfe nicht von staatlicher Kontrolle oder Zensur erstickt werden, das Internet „müsse offen bleiben und dürfe nicht ghettoisiert werden“. Damit erteilte er dem Gedanken eine Absage, es bedürfe neuer, internationaler Abkommen, um die Aktivitäten im Internet zu überwachen.

Nichts wäre verhängnisvoller und widersinniger als ein strenger Zugriff des Staates auf das Internet, so der Außenminister. Dieses entwickle sich nur aufgrund der Talente Einzelner und der Industrie in einem offenen Markt der Ideen und Innovationen so gut.

Der Cyberspace dürfe, so Hague, nicht regional unterschiedlichen Regulungen und Prozessen unterwerfen werden, die von einzelnen staatlichen Behörden festgelegt werden, welche den Handel und den freien Fluss von Informationen und Ideen staatliche Barrieren hemmten. Dies wäre zutiefst kontraproduktiv, so der britische Außenminister weiter.

Twitter abschalten? Für Hague eine Verletzung der Menschenrechte

Sowohl China als auch Russland drängen auf neue internationale Abkommen zu Regulierung des Cyberspace. China wurde bereits scharf für die wiederholte Zensur des Internets durch das Blocken von Nachrichten und Kommentaren, die für schädlich erachtet werden, kritisiert.

David Cameron hatte im Sommer soziale Netzwerke für die Ausbreitung der Londoner Unruhen mitverantwortlich gemacht und in Aussicht gestellt, seine Ministerien könnten in Zukunft Seiten wie Twitter während solcher Unruhen abschalten. Demgegenüber erklärte Hague, er sei zutiefst davon überzeugt, dass alle Menschenrechte im Netz voll zum Tragen kommen müssten, „nicht nur das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz, sondern auch auf das Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Menschenrechte sind universell. Kulturelle Unterschiede dürfen nicht als Entschuldigung dafür genommen werden, sie zu verwässern ... Wir weisen die Auffassung zurück, in Zeiten sozialer Unruhen sei eine Unterdrückung des Internet, von Telefonnetzen und Sozialen Medien tragbar.“

Die London Conference on Cyberspace war William Hagues Idee. Unter den Sprechern befinden sich Delegationen aus mehr als sechzig Ländern sowie Internet-Pioniere wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales und die Facebook-Präsidentin, Joanna Shields.

Verkehrsregeln statt Anarchie

Cybercrime, die Verbreitung schädlicher Software und der staatliche Einsatz von Cyber Warfare haben Fragen bezüglich der Regulierung des Internet aufgeworfen. Die Konferenz stellt einen ersten Versuch dar, alle interessierten Parteien an einen Tisch zu bekommen, um ein mögliches Vorgehen zu besprechen. Es wird allerdings nicht erwartet, dass aus dem zweitägigen Treffen oder im unmittelbaren Anschluss daran, irgendetwas Verbindliches beschlossen werden wird.

In seiner Rede trug Hague dem Umstand Rechnung, dass „viele der hier vertretenen Länder und Repräsentanten äußerst unterschiedliche Ansichten haben werden. Doch die Argumente, die für eine Zusammenarbeit sprechen, sind wesentlich stärker als die Fragen, die uns trennen“. Er wies auf den Zusammenhang zwischen dem weltweit wachsenden Wohlstand und dem Internet hin, warnte aber auch vor den Gefahren. Die Online-Kriminaliät, so Hague, nehme exponentiell zu. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres seien mehr als sechs Millionen verschiedene Arten von Software mit Schadfunktionen entdeckt worden. Solche Aktivitäten erschwerten den Schutz der Menschen und Länder mit schwacher Cyber-Abwehr machten sich anfällig gegenüber staatlich-finanzierte Angriffe.

Die Antwort auf diese Bedrohung könnten jedoch nicht repressive Maßnahmen sein. Großbritannien werde immer „an der Seite derjenigen stehen, die nach politischer und wirtschaftlicher Freiheit streben, im Nahen Osten und auf der ganzen Welt. Allerdings benötigen angesichts der aktuellen Anarchie im Netz Verkehrsregeln". Ohne diese, so Hague, seien düstere Szenarien denkbar, deren Leidtragende sowohl Einzelpersonen, Unternehmen als auch Staaten wären.



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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Nick Hopkins | The Guardian

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