Verspätung einkalkuliert

Klimaschutz Jetzt ist es raus: Das Abkommen zur Bekämpfung des Klimawandels wird wohl nicht in Kopenhagen geschlossen werden. Das haben Unterhändler nun eingeräumt

Es war ein Tag der bedrückenden Befunde, als die größten Industriestaaten der Welt erklärten, dass sie die Hoffnung auf ein juristisch verbindliches Abkommen beim Gipfel in Kopenhagen nächste Woche aufgegeben hätten. Sie würden nun lediglich eine Zusammenkunft der wichtigsten Staatschefs planen. Nach Wochen, in denen die Zweifel an einer erfolgreichen Gestaltung des Gipfels immer lauter geworden waren, bedeutet diese sachliche Bekundung nun eine endgültige Entwertung der Ziele des Gipfels.

Der britische Umweltminister Ed Miliband gab in London als erster britischer Politiker öffentlich zu, dass es in Kopenhagen kein rechtlich bindendes Abkommen geben wird. Vor dem Unterhaus sagte er: „Die UN-Verhandlungen verlaufen zu langsam und nicht gut.“ Er sprach weiter von einer „Geschichte des Misstrauens“ zwischen den Industrienationen und den Entwicklungsländern, die Unterhändler würden in ihren verhärteten Positionen feststecken. Diese Pattsituation hatte in dieser Woche bereits dazu geführt, dass die afrikanischen Länder demonstrativ die Verhandlungen verließen.

In Barcelona, wo die letzten Vor-Verhandlungen vor dem Gipfel stattfinden, wurde am Donnerstag deutlich, dass das Resultat von Kopenhagen bestenfalls ein „politisch verbindliches“ Abkommen sein wird. Die reichen Länder hoffen darauf, dass es alle Schlüsselelemente der endgültigen Vereinbarung enthalten wird, darunter genaue Zielsetzungen und Zeitpläne für die Reduktion von Treibhausgasen und Gelder für die armen Länder, um den Klimawandel bewältigen zu können.

Resignation breitet sich aus

Eine Beamtin der britischen Regierung sagte dazu: „Ein solches Abkommen wäre substanziell. Es würde einen zeitlichen Fahrplan festlegen und die Zahlen dafür liefern, um wie viel die reichen Länder ihre Emissionen verringern müssten und wie viel Geld den Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt werden müsste, damit sie sich an den Klimawandel anpassen können.“ Bis zu einem gesetzlich bindenden Abkommen könne es jedoch „sechs Monate oder auch bis zu einem Jahr dauern, auch wenn wir wollen, dass es so schnell wie möglich ratifiziert wird.“

Andere Quellen halten es für wahrscheinlicher, dass das Abkommen 2010 in Mexiko abgeschlossen werden könnte.Seitens der Entwicklungsländer und der Nichtregierungsorganisationen wurde die Nachricht des Aufschubs mit Resignation aufgenommen. „Abkommen, die nur politisch bindend sind, sind wenig wert,“ erklärte Lumumba Di-Aping, Vorsitzender der Gruppe der G77, einem Zusammenschluss von Entwicklungsländern. „Nennen Sie mir auch nur einen Politiker, der Verträge schließt, die nur politisch bindend sind.“

Die Verzögerung wird auf zwei Faktoren zurückgeführt: auf die Zeit, die bei den erbittert geführten UN-Verhandlungen davonläuft und auf die Unfähigkeit der USA – als größter Verursacher von Treibhausgasen – sich mit einem nationalen Gesetz auf konkrete Ziele und Zeitpläne festzulegen.

Obamas Regierung erklärte am Mittwoch, dass sie ein rechtliches Abkommen in Kopenhagen für unmöglich hält. Am Donnerstag gab sie den Gegnern der Gesetzesvorlage im Senat zusätzlich Feuer, als Barbara Boxer, die Vorsitzende des Umweltausschusses, einem Wahlboykott der Republikaner mit einem weitreichenden Plan begegnete, der vorsieht, die Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 zu senken.

Es geht um Leben und Tod

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erklärte, dass eine Verzögerung um ein Jahr zu lange sei. Unterdessen reagierten die Entwicklungsländer mit Bestürzung darauf, dass sie über die Verzögerung nicht offiziell in Kenntnis gesetzt worden waren. „Wir können es uns in keinster Weise leisten, die Maßnahmen weiter hinauszuzögern. Hier geht es um Leben und Tod,“ erklärte der Botschafter Lesothos, Makase Nyaphisi, im Namen der Gruppe der 49 Länder mit dem geringsten Entwicklungsstand der UN.

In einer Rede sagte der Chefunterhändler der Europäischen Kommission, Artur Runge-Metzger, in Barcelona: „Wir sitzen in einer Zwickmühle. Jeder wartet darauf, dass der andere als erster reagiert, deshalb kann niemand etwas vorgeworfen werden. Die Haltung der USA ist jedoch entscheidend. Die USA haben offenkundig den Prozess verlangsamt.“

Sowohl Miliband als auch Premierminister Gordon Brown werden am Gipfel in Kopenhagen teilnehmen, Brown spricht von der letzten Chance um einen „katastrophalen“ Klimawandel zu verhindern. Brown, der brasilianische Präsident Lula und der französische Präsident Sarkozy haben bereits fest zugesagt. Und es wird wahrscheinlicher, dass auch Obama teilnehmen wird, wenn er nicht dazu gezwungen sein wird, ein gesetzlich bindendes Abkommen zu unterzeichen, das der US-Senat dann später ablehnen könnte.

Milibands Kommentar war die erste öffentliche Neubewertung der britischen Haltung seit britische Beamte ihre Ziele in Folge von frustrierenden Aussagen des Gastgebers von Kopenhagen, des dänischen Premierministers Lars Lokke Rasmussen, heruntergeschraubt hatten.

Regierungsquellen erklärten, es sei im Verlauf der langsamen Verhandlungen klar geworden, dass ein gesetzlich bindendes Abkommen im Dezember unwahrscheinlich sei. Einer von ihnen beharrte allerdings darauf, dass politische Verpflichtungen zu gesetzlichen führten, er wies darauf hin, dass auch das Kyoto-Protokoll diesen Weg genommen habe. „Ich denke nicht, dass wir Grund zum Pessimismus haben“, sagte ein anderer.

Sie erklärten darüber hinaus, dass die Versprechen, die in Kopenhagen gemacht werden ebenso schwierig zurückzuziehen seien, als wenn sie rechtlich bindend wären, denn die Staaten würden ihre Zusagen auf einem öffentlichen Forum im Rahmen eines UN-Gipfels machen.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Übersetzung: Christine Käppeler
Geschrieben von

John Vidal, Allegra Straton, Suzanne Goldenberg | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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