Seit Adam Smith haben die Ökonomen erkannt, dass Vertrauen das Bindemittel ist, das die Gesellschaft zusammenhält. Länder, in denen Menschen sich gegenseitig vertrauen, verfügen über stärkere Institutionen, sind offener, leiden weniger unter Korruption, wachsen schneller und sind lebenswertere Orte. In Polizeistaaten macht Vertrauen sich durch seine Abwesenheit bemerkbar.
Daher ist es bedenklich, dass Vertrauen vielerorts zu einem immer selteneren Gut geworden ist. In den USA ist ein starker Rückgang des Vertrauens in die Regierung zu verzeichnen. Fast vier von fünf US-Bürgern vertrauten darauf, dass Washington das Richtige tue, als Eisenhower und John F Kennedy im Weißen Haus residierten. Unter Donald Trump ist dieser Wert auf ein Fünftel gefallen. Unterdessen versucht Theresa May sich in einer Zeit an einem Brexit-Deal, in der die Bürger dem Parlament sogar noch weniger vertrauen als den Banken. Die Institution, der im Vereinigten Königreich mit Abstand am meisten Vertrauen entgegengebracht wird, ist das Militär. Wir vertrauen weder dem Großkapital noch den Banken oder den Zeitungen – und ganz bestimmt nicht den Politikern.
Dabei handelt es sich nicht einfach nur um eine Reaktion auf die Finanzkrise vor zehn Jahren. Auch wenn es mit Sicherheit nicht geholfen hat, dass das angeblich perfekte Modell der freien kapitalistischen Marktwirtschaft, das vor dem Crash entwickelt worden war, auf fehlerhaften Annahmen beruhte und in vielen Fällen von selbstsüchtigen Betrügern betrieben wurde.
Als Milton Friedman den berühmt gewordenen Satz prägte, es sei die Pflicht der Angestellten eines Unternehmens, so viel Geld wie möglich zu machen, war er vorsichtig genug hinzuzufügen, dass sie sich dabei an die Regeln und ethischen Gepflogenheiten zu halten hätten. Anfang und Mitte der 2000er Jahre war das an Wall Street und in der Londoner City mit Sicherheit nicht mehr der Fall – was dann auch der Öffentlichkeit bewusst wurde.
Das Vertrauen in die Politik geht verloren
Doch wie Untersuchungen des Pew Research Centers gezeigt haben, ist das Vertrauen in die US-Regierung schon lange vor der Insolvenz von Lehman Brothers im Jahr 2008 zurückgegangen. Auch wenn es sich während des Booms unter Reagan und Clinton in den Achtzigern und Neunzigern kurzzeitig wieder erholte – woran sich erkennen lässt, dass der Zustand der Wirtschaft einen Faktor darstellt –, geht der langfristige Trend seit über fünfzig Jahren nach unten.
In ähnlicher Weise ging das Vertrauen in die politische Klasse in Großbritannien schon lange verloren, bevor die Sub-prime-Immobilienkrise die Unzulänglichkeiten des globalen Finanzsystems offenbarte. Die Vetternwirtschaft in Westminster unter John Major, der Irakkrieg (der durch Tony Blairs fragwürdiges Dossier gerechtfertigt werden sollte) und der Ausgabenskandal der Abgeordneten, der Gordon Browns Regierung erschütterte, hatten alle ihren Anteil daran, dass das Vertrauen in die Politik verloren ging. In manchen Teilen Großbritanniens empfinden die Menschen fast schon instinktive Abscheu vor Politikern, seitdem die Fabriken und Gruben durch Kaufhäuser und Callcenter ersetzt wurden.
Der Zusammenhang zwischen Vertrauen und wachsender Ungleichheit wurde in den 2000ern von den US-Theoretikern Eric Uslaner und Mitchell Brown entdeckt. Dort, wo die Ungleichheit größer ist, neigen die Armen dazu, sich ohnmächtig zu fühlen. Da sie ihre Sicht im politischen System nicht repräsentiert sehen, klinken sie sich aus dem bürgerschaftlichen Engagement aus. Noch entscheidender ist Uslaner und Brown zufolge allerdings, dass das gegenseitige Vertrauen der Menschen auf einem Fundament der ökonomischen Gleichheit basiert. „Wenn Ressourcen ungleich verteilt sind, haben diejenigen ganz oben und ganz unten nicht das Gefühl, dasselbe Schicksal zu teilen und sehen daher weniger Veranlassung, Menschen mit einem anderen sozialen Hintergrund zu trauen.“
Diese Analyse war ihrer Zeit weit voraus und richtungsweisend für das politische Erdbeben des Jahres 2016 in Gestalt von Brexit und der Wahl Trumps zum Präsidenten der USA. Brexit-Befürworter und -Gegner misstrauen sich gegenseitig. Liberale Küstenbewohner der USA können genauso gut in einem anderen Land leben, wenn es danach geht, was sie mit den Bewohnern des Rust Belts gemeinsam haben.
Wir sitzen nicht alle im selben Boot
Es ist nicht schwer zu sehen, warum dies passiert ist. An der Spitze der Einkommensskala ist die Bezahlung enorm angestiegen – was nur in seltenen Fällen gerechtfertigt war. Die wirtschaftliche Leistung, wie sie von Wachstumsraten, Produktivitätszuwächsen und Investitionsquoten abgebildet wird, ist massiv zurückgegangen. Im Finanzsektor galt in Sachen Selbstbereicherung die Devise „Anything goes“. Und auch die Konsolidierung nach der letzten großen Krise war so unfair wie noch keine in der modernen Geschichte: Die Profite gingen in der Mehrzahl an die Reichsten der Gesellschaft. Die Botschaft an die weniger Begüterten lautete unterdessen, sie sollten sich besser ernähren, mit dem Rauchen aufhören, weniger trinken und sich ganz grundsätzlich einfach zusammenreißen. Wenn man alles bedenkt, so überrascht es nicht, dass die Wähler in Britannien George Osborne seine „Wir sitzen alle im selben Boot“-Show nicht abgekauft haben und die Wählerinnen in den Flyover-Staaten Hillary Clinton als herablassend empfanden.
Vor kurzem hat Andrew Bailey – der Regulator der Londoner City – es in einer Rede anlässlich der Eröffnung einer neuen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der St. Mary’s Universität so formuliert: „Im Wesentlichen beruhte das System, das von der Großen Depression bis in die Achtziger herrschte, auf dem Erbe der 1930er Jahre und einem ungeschriebenen Gesetz in der Gesellschaft, dass die Vergütung von Führungskräften das Durchschnittsgehalt nicht um mehr als ein bestimmtes Maß übersteigen sollte. Dieses Verhältnis zu ändern würde als unangemessen gelten und eine Norm verletzen, die in einem weiteren Sinne als Bindemittel in der Gesellschaft fungierte. Ich würde noch weiter gehen und argumentieren, dass dies die Grundlage des Vertrauens bildete, mit einer Erwartung zukünftigen Verhaltens und einem verbindenden Wert oder Ethos.“
Gleicher geht besser
Das klingt plausibel. Ein freizügigerer Umgang mit Spitzengehältern hat zu einer Lösung der gesellschaftlichen Bindungen geführt. Das Argument, es gebe einen Ausgleich zwischen ökonomischer Dynamik und einem Rückgang der Ungleichheit, zieht nicht. Es gab auch großartige Innovationen, als die Gesellschaften noch gleicher waren. Darüber hinaus gibt es auch heute noch Länder, die äußerst wettbewerbsfähig und egalitär zugleich sind.
Schweden ist ein solches Land. Es hat bewiesen, dass es genauso schnell wachsen kann wie die USA, das allerdings mit einem großzügigeren Sozialsystem und einer längeren Lebenserwartung. Es ist nicht überraschend, zu sehen, dass, als das Pew das Ausmaß an Misstrauen in acht europäischen Ländern untersuchte, Schweden der klare Gewinner war. Sollten Britannien und die USA wieder Vertrauen aufbauen und Schocks wie die der beiden vergangenen Jahre vermeiden wollen, ist dies das Modell, dem sie folgen sollten.
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