Die Gewinner der massiven Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, die während der vergangenen drei Jahrzehnte in den USA und vielen anderen reichen Ländern stattgefunden hat, machen für diese Entwicklung gerne die technologische Entwicklung verantwortlich, weil diese sich weitgehend unserer Kontrolle entzieht und man so leider nichts an der wachsenden Ungleichheit ändern kann. Pech gehabt.
Denn es gibt niemanden, der darüber entscheidet, in welche Richtung die Innovationen in Computertechnik, Automation oder Medizin sich entwickeln werden. Wissenschaftler und Ingenieure, die auf diesen Gebieten arbeiten, verfolgen jede Spur, die sich ihnen bietet und schaffen Innovationen, wo sie nur können. Wenn das Resultat dieser Innovationen in eine ungleichere Gesellschaft mündet, ist das bedauerlich, aber man kann der Technologie schließlich nicht böse sein. Oder?
Man kann auch eine andere Geschichte erzählen. Nach ihr war die Umverteilung von Einkommen von unten nach oben eine bewusste Entscheidung der politisch Handelnden und Mächtigen. Sie weist auf eine Reihe verschiedener Maßnahmen: Setzt man die im produzierenden Gewerbe beschäftigten Arbeiter der Konkurrenz von Niedriglöhnern in Entwicklungs- und Schwellenländern aus, während man gut Ausgebildete (wie Ärzte oder Anwälte) beschützt, so sollte es einen nicht wundern, wenn dies die Löhne der Arbeiter im produzierenden Gewerbe ebenso drückt wie die derjenigen, die mit den freigesetzten Arbeitern um einen anderen Arbeitsplatz konkurrieren.
Zentralbanken, die einer niedrigen Inflationsrate verpflichtet sind, selbst wenn dies auf Kosten einer höheren Arbeitslosenquote geht, tragen ebenso zur Vergrößerung der Ungleichheit bei. Wenn eine Zentralbank wie die Fed die Zinssätze erhöht, um das Wirtschaftswachstum zu bremsen und die Inflationsgefahr zu reduzieren, dann sind es Fabrikarbeiter und Beschäftigte im Einzelhandel, die ihre Jobs verlieren, nicht Ärzte und Anwälte. Selbst ein Wirtschaftswissenschaftler kann sich ausrechnen, dass dies die Löhne der ersteren zugunsten der letzteren drücken wird.
Und wenn eine Regierung sich mit einem einseitigen Ansatz der Durchsetzung arbeitsrechtlicher Bestimmungen nähert, so dass die Gerichte zugunsten des Managements einschreiten und die Position der Gewerkschaften schwächen, verringert das die Verhandlungsmacht der Belegschaft. Das resultiert in geringeren Löhnen für gewöhnliche Arbeiter und höheren Unternehmensprofite und Vergütungen für die Manager an der Spitze.
Diese und andere politische Veränderungen der vergangenen drei Jahrzehnte können die massive Umverteilung von Einkommen während dieser Phase erklären. Sie wurden von Menschen ins Werk gesetzt und tragen überall die Fingerabdrücke der oberen ein Prozent der Gesellschaft, auch wenn diese von vielen oft nicht erkannt werden.
In diesem Kontext müssen wir den Ungleicheitsbericht sehen, den die OECD Ende vergangenen Jahres herausgab. Er enthielt zwar viele interessante Daten und nützliche Analysen – der entscheidende Bösewicht in der Geschichte, die er von der Ungleichheit erzählte, war allerdings auch hier die Technologie.
Dies führte zu dem freudigen Schluss, dass die, die das Sagen haben, keine Verantwortung an der Ungleichheit tragen. Als anständige menschliche Wesen machten sie zwar Vorschläge, wie man dem Schaden begegnen könnte, den die Techologie angerichtet hat, aber das taten sie nur, weil sie eben gute Menschen sind. Damit, das rückgängig zu machen, was eine zielgerichtete Poltik verursacht hatte, hatte das nichts zu tun.
Bei genauerem Hinsehen erweist sich die Technologie-Geschichte der OECD allerdings als falsch. Mein Kollege am Center for Economic and Policy Research, David Rosnick hat die Studie kritisch überprüft und ist auf einige Unstimmigkeiten und Fehler gestoßen. Es wurden unter anderem Variablen die Technologietrends und -zyklen betreffend miteinander vertauscht.
Im Grunde zeigen ihre Resultate (wie die unsrigen), dass die Ausgaben für technologische Erneuerungen einen Einfluss auf die Ungleichheit über den Lauf eines Konjunkturzyklus haben können, dass aber die erhöhten Ausgaben in diesem Bereich über den Zeitraum der vergangenen drei Jahrzehnte hinweg keinen Einfluss auf die Entwicklung der Ungleichheit in der Gesellschaft hatten.
Die Analyse der OECD kommt zu dem Schluss, dass ein geringerer Grad gewerkschaftlicher Organisierung und geringere Rechte der abhängig Beschäftigten zum Anstieg der Ungleichheit beigetragen haben, obwohl dieser Anstieg durch die höhere Qualifikation der Arbeitskräfte ausgeglichen wurde. Unterm Strich konnte ihre Analyse den von ihr festgestellten Zuwachs an Ungleichheit in keinem Punkt erklären.
Der Anstieg der Vergütungen bei den Finanzdienstleistern hatte unseren Untersuchungen zufolge (im OECD-Bericht spielt dies gar keine Rolle) wenig überraschend großen Anteil am Anstieg der Ungleichheit. Schließlich müssen die schweren Gehaltschecks der Wall Street-Crew ja von irgendwoher kommen. Und unserer Analyse zufolge kamen sie von denjenigen, die in der Einkommensverteilung unter dem 90ten Perzentilwert liegen.
Kurz gesagt hat die OECD versucht, einen Band herauszubringen, der die Geschichte stützt, die Ungleichheit im Einkommensniveau sei auf die Technologie zurückzuführen. Wenn sie exakt arbeiten, stüzt ihre Analyse diese These aber keineswegs. Wenn man ihre Analyse so verändert, wie wir dies getan haben, rückt auf einmal die Finanzindustrie als ein Hauptverantwortlicher in der Ungleichheitsgeschichte in den Fokus.
Falls wir also ernsthaft die Ungleichheit abbauen wollten, müsste die Regulierung des Finanzsektors dabei eine hervorgehobene Rolle spielen. Eine Steuer auf Finanzspekulationen zum Beipsiel wäre ein guter Anfang.
Kommentare 5
Guter Bericht!
Man müsste wirklich mal die Banken zur Rechenschaft ziehen über ihre Verluste und unsinnigen Managergehälter. Aber es müsste sich auch endlich der Gedanke im Volk entwickeln, dass der Staat nicht nur gut ist und das der Staat voll hinter dem Kapitalismus steht und ihn verteidigen wird - auch unsere Staatsdiener verdienen viel Geld und wollen das doch nicht mit einem Arbeitslosen teilen bzw auf deren Status zurücksinken, wenn sie mal nicht "arbeiten"! Und man hat hat Freunde in der Industrie.
Die technische Weiterentwicklung kann sich eh' nur der leisten, der sowieso Geld hat.
Ja, ein interessanter Beitrag.
Zum Schluss meint der Autor: "Falls wir also ernsthaft die Ungleichheit abbauen wollten, müsste die Regulierung des Finanzsektors dabei eine hervorgehobene Rolle spielen." Wer hat daran Interesse, die Ungleichheit abzuubauen, und hat die gesellschaftliche Kraft, die gesellschaftliche "Power" (in des Wortes mehrfacher Bedeutung) dieses Interesse durchzusetzen? Die Eliten der westlichen Gesellschaft und ihre Handlanger in Politik und Medien sicher nicht.
"Setzt man die im produzierenden Gewerbe beschäftigten Arbeiter der Konkurrenz von Niedriglöhnern in Entwicklungs- und Schwellenländern aus"
Entwicklungs- und Schwellenländer? Warum in die Ferne schweifen, wenn der Niedriglöhner ist doch schon vor Ort. Es war "eine bewusste Entscheidung der politisch Handelnden und Mächtigen" in den 50/60er Jahren, die Schleusen zu öffnen, und die Niedriglöhner nach Westeuropa zu holen. Kanzler Schmidt hat das zar später bereut, aber weil das damals so eine tolle Rendite gebracht hat, hat man das in der 90/00er Jahren gleich noch mal mit Niedriglöhnern aus Osteuropa und diversen Kriegs- und Krisengebieten probiert.
Der Traum eines jeden Industriellen: 1.Klasse Infrastruktur und 3.Welt Löhne. Und die auserwählten Grünen und Linken lassen sich gerne vor den Karren spannen, und fordern weiter brav die Multikulti-(Arbeits)gesellschaft, Asyl für kräftige afrikanische Jungs, grundgesetzwidrige Freiheiten für Migranten und wenn gar nix mehr geht: mehr "Inder statt Kinder".
Was mir immer wieder auffällt ist, dass das, was ich persönlich als viel wichtiger erachte, niemals oder sehr selten in einer solchen oder ähnlichen Diskussion auftaucht.
Ich glaube nämlich, um etwas zu verändern, bedarf es, grundlegender Bewusstseinsveränderung, nicht im esoterischen Sinne, sondern, sie ist darauf begründet, das Gefühlsleben, was die Zufriedenheit beinhaltet und Wohlgefühl erzeugt, dem Image eines Produktes mehr zugeordnet wird, als dem Menschen und was damit verbunden ist eine Gefühlsebene zuweist. Genauso bemessen wir den Wert einer Kassiererin nicht daran, was wir sehen und fühlen, sondern, wenn die Schlange vor der Supermarktkasse sich anstaut, rufen wir schleunigst nach dem Personal, „ aber bitte, was ist denn hier los...“
Wir sehen nicht und fühlen nicht und erwarten dennoch ein Lächeln und Begrüßungsworte und für manchen Menschen ist das Lächeln der Frau an der Kasse, das einzige Lächeln an diesem Tag. Was ist es uns Wert? Wir nehmen hin, dass ein Beamter der nie lächelt und bestimmt nicht mehr an Konzentration aufbringen muss, als jemand der an der Kasse immer das richtige Wechselgeld abzählt und wenn die Kassiererin sich einmal zu ihren ungunsten verzählt, wer von den Kunden ist so ehrlich und bringt das zuviel an Geld zurück. Vielleicht weiß er nicht, dass die Kassierein mit 8 Euro Stundenlohn das fehlende Geld auch noch selbst ersetzen muss.
Es gibt sehr viele Tätigkeiten ob Krankenschwester Altenpfleger und ein Euro Jobber z. b. die Straßen von wildem Sperrmüll und Abfall reinigen. Ständig wird über sie geredet und debattiert und die Reichen müssen mehr Steuern zahlen und die Banken an die Kette gelegt werden, doch jetzt frage ich, wer profitiert von dem Mehrwert. Der Apotheker ?
Die Summe aller Pensionszusagen, Staatsdiener, Versorgungszusagen, das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bis zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf übereinstimmend, wird bis 2040 die Höhe von fast zwei Billionen Euro oder 2000 Milliarden Euro erreichen.
Nun, auch wenn der Spitzensteuersatz auf 60% erhöht würde reicht es nicht das der normale Arbeitnehmer mehr in der Tasche hat. Der Fußballspieler ist Millionen wird. Die Kirchfürsten bekommen eine anständige Pension. Ich will das alles gar nicht aufzählen, auch linke Politiker fordern und zahlen selbst keine Steuern. Wenn ein Politiker heute hinging und sagen würde dass er ab jetzt wie jeder andere Arbeitnehmer Steuer abführt und falls der Staat das Geld nicht haben will, macht er sich zum Paten eine Kindertagestätte gibt da seinen Anteil ab oder bezahlt einer Fünfköpfigen Familie einen neuen Ökokühlschrank, ja den würde ich wählen. Man verändert das Bewusstsein nicht durch Forderungen, die dann bei den wirklichen Bedürftigen nicht ankommt, sondern einem Exbundespräsidenten einen sorglosen Ruhestand versüßt.
Manchmal glaube ich, dass in den Community und politisches Forum zu viele Beamten und Pensionäre, über die Ungerechtigkeiten des Finanzsystems diskutieren. Natürlich kann ich mich auch täuschen?
Wer etwas ändern will muss vor allem ein überzeugendes Konzept vorlegen. Es gibt zwar etliche Krisen, aber mehr oder weniger geht es den meisten Menschen in Deutschland recht manierlich. Verglichen beispielsweise mit anderen Phasen. Zumindest sind die Kühlregale voll und fast jeder hat ein Dach überm Kopf. Was ich sagen will ist: die Vetreter des Staus Quo können sagen- schaut euch die Realität an, ist doch nicht so schlecht, - wie wollt ihr es konkret besser machen? Das Risiko mit Experimenten, und siginifikante Maßnahmen wären nun mal Experimente, will kaum jemand eingehen. Erst wenn wirklich Verzweiflung herrscht, gibt es dafür eine Stimmung. Vorher muss der durchaus richtige Wunsch nach Gerechtigkeit eben unterfüttert werden mit einem umfassenden Modell.