Johnny Marr (The Smiths)
Als ich in Manchester aufwuchs, waren alle Plattenläden, in die ich ging, unabhängig, aber mir war das damals überhaupt nicht bewusst. Sie waren nicht unbedingt spezialisiert, es waren einfach coole Orte. Das Angebot wurde durch den Geschmack der Besitzer und der Kunden bestimmt. Man konnte jede x-beliebige neue Single kaufen, aber sie hatten auch einen erlesenen und umfangreichen Backkatalog. Die Besitzer waren sowohl Händler als auch Connaisseure.
Die meisten interessanten Leute hingen in Manchester bei Virgin Records auf der Market Street herum, der damals ein unabhängiger Laden war. Ziemlich bizarr, dass aus diesem Hippie-Plattenladen später eine Fluggesellschaft wurde. Rare Records auf der John Dalton Street, wo Ian Curtis eine Weile arbeitete, hatte ein Untergeschoss voller alter 7-Inches. Als ich dieses Meer an alternaiver Musik erblickte, wusste ich, dass dies ein ganz besonderer Augenblick in meinem Leben war. Dann gab es noch Sifters in Burnage, wo die Gallagher-Brüder hingingen. Verewigt haben sie das in dem Song Shakermaker, wo es heißt: „Mr. Sifter sold me songs, when I was just 16“.
Als ich die Smiths gründete, arbeitete einer meiner Freunde bei Discount Records. Sein Chef ging auf Reisen und brauchte einen Ort, an dem er seine Bestände lagern konnte. Also teilte ich eine zeitlang meine Dachgeschosswohnung mit dem Inhalt eines ganzen Plattenladens. Und dann unterschrieben die Smiths einen Vertrag mit Rough Trade, einem Label das als Plattenladen begonnen hatte.
Einer der Gründe, weshalb ich überhaupt erst nach Portland, Oregon gezogen bin, war, dass man dort immer noch kleine Läden findet, die nur mittwochmittags öffnen – oder wann immer der Besitzer sich dazu aufraffen kann. Als ich das sah, wusste ich, dass ich am richtigen Ort war. Ich fühlte mich wie in Manchester und um 20 Jahre zurückversetzt.
Viele glauben, das Downloaden sei schuld am Niedergang der Plattenläden. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Ebenso entscheidend ist der Umstand, dass in den Neunzigern die Hausbesitzer die Mieten und die Gemeinden die Steuern erhöhten, als sich abzeichnete, dass sich überall Starbucks-Filialen und die Buchhandelskette Waterstone niederlassen würden. Händler aus Leidenschaft konnten nicht mehr mithalten – Kameraläden, Bilderrahmer, Plattenläden. Dadurch fehlt ein wichtiger Teil des Kauferlebnisses: Früher hat man seine Sachen bei Leuten gekauft, die ihre Waren schätzten.
Interessanterweise stelle ich im Gespräch mit Fans und den Freunden meiner Kinder fest, dass sie Vinyl lieben. Vor zehn Jahren war Vinyl am aussterben; heute ist es wieder begehrenswert, weil man es anfassen kann, ganz abgesehen vom Sound. MP3s kaufen sie, weil es bequemer ist, aber ihre Lieblingsmusik kaufen sie auf Schallplatte.
Heute ist Jackpot Records in Portland für mich ein wichtiger Laden, dasselbe gilt für den neuen Ableger von Rough Trade im Londoner Osten. In Manchester gibt es die großartigen Läden Beatin’ Rhythm und Piccadilly Records. Bei Piccadilly weißt du sofort, dass die Leute, mit denen du dort zu tun hast, aus Leidenschaft Platten verkaufen und wissen, wovon sie reden. Man kann ihrem Urteil vertrauen. Wenn ich an diese Läden denke, dann weiß ich: Noch ist nicht alles verloren.
Jon Savage (Autor von England’s Dreaming)
Ich habe mehrere Lieblingsplattenläden: Picadilly in Manchester, Cob in Bangor und dann wären da noch die Läden rund um die Portobello Road im Londoner Westen – Rough Trade, Intoxica und Minus Zero/ Stand Out, der demnächst schließen wird. Egal, ob sie neue oder gebrauchte Platten verkaufen, sie sind für mich mit ihrer großen Auswahl und den sachkundigen Angestellten alle ein Muss.
Doch der eine Plattenladen, den ich an diesem Record Store Day hervorheben will, ist Kingbee Records in Chorlton, einem Stadtteil von Manchester. Über den Laden waltet der langmütige, aber vollkommen enthusiastische Les Hart. Sein Laden ist eine echte Fundgrube an CDs und Platten, die nach Genre geordnet sind und die Chancen auf eine bedeutsame Entdeckung stehen immer gut. Die Preise sind angemessen – Hit-Singles aus den Sechzigern kosten ein oder zwei Pfund – und das Angebot wird laufend erweitert. Ich habe dort wahre Juwelen gefunden, die ich lange suchte, wie etwa Chris Clarks Love Gone Bad und Do You Come Here Often? von den Tornados, der ich zwanzig Jahre hinterhergejagt war.
Wer einmal bei Kingbee gewesen ist, will den Laden nicht mehr verlassen. Der ideale Plattenladen sollte eine Welt für sich sein. Er sollte CDs, Platten und Zeitschriften verkaufen, die man in Mainstream-Läden nicht finden kann und an die man vielleicht gar nicht gedacht hat, bevor man sie in diesem Laden sieht. Er sollte – welch inflationär benutzter, aber doch wichtiger Begriff – eine Alternative bieten.
In den Siebzigern boomte der Secondhand-Markt, aber den richtigen Auftrieb bekamen die unabhängigen Plattenläden, wie wir sie heute kennen, als God Save The Queen von den Sex Pistols 1977 verboten wurde: Sie waren der einzige Ort, an dem man die Vinyl-Single damals bekam. Aus vielen Plattenläden gingen Labels hervor und eine ganze Generation wusste, dass es einen Weg gab, die Dinge anders anzugehen.
Es kommt einfach darauf an, was man von der Musik will. In den besten Plattenläden – wie jenen, die ich oben erwähnt habe – lernt man dazu und sie sind so etwas wie eine Arena. Sie bringen die Menschen zusammen, anders als der Computer, der die Vereinzelung verstärkt: Man trifft Gleichgesinnte, unterhält sich, erfährt von Bands, von denen man noch nichts gehört hatte. Sie sind der Lebensnerv der Popkultur.
„Haben Sie was von Lady Gaga da?“ Was man in einem Indie-Plattenladen tun oder besser nicht tun sollte.
DO Blättern Sie durch die Fanzines und vertiefen Sie sich in einen 15-seitigen Beitrag über Fad Gadget und machen Sie sich wieder mit den Freuden der Picture Disc vertraut.
DON’T Fragen Sie auf keinen Fall, ob das Album, das im Musikmagazin Q fünf Punkte bekommen hat, auch auf CD erhältlich ist, weil Sie ihren Plattenspieler weggeworfen haben. Und sagen Sie bloß nicht, dass Sie Liam Gallagher für den besten Frontmann aller Zeiten halten.
DO Beachten Sie, von welchen Bands die Angestellten meinen, dass Sie Ihnen gefallen könnten.
DON’T Geben Sie nicht zu, wenn Sie noch nie von diesen Bands gehört haben.
DO Nicken Sie wissend zu den Klängen der Musik, mit der der Laden beschallt wird.
DON’T Fragen Sie bloß nicht den Typ hinter der Ladentheke, was gerade läuft – schlimmer noch wäre es allerdings, wenn Sie sich dabei erwischen lassen, wie Sie versuchen, das mit dem Musikerkennungs-App auf Ihrem iPhone herauszufinden. Und bitten Sie Ihn bloß nicht darum, die Musik leiser zu machen.
DO Wühlen Sie sich durch die reduzierten Platten. Ein Kollege von mir fand dort mal einen geheimen Vorrat an Rough-Trade-Platten aus den frühen Achtzigern.
DON’T Fragen Sie nicht, ob sie irgendetwas von Lady Gaga haben.
DO Geben Sie Unsummen für limiterte Ausgaben aus, von denen Sie keine Ahnung hatten, dass Sie sie brauchen.
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