Weiße Rosen von Kim Jong-Il

Lost in Showbiz Am Samstag fand bei New York das Event des Jahres statt: Chelsea Clinton, Tochter der US-Außenministerin und des Ex-US-Präsidenten hat geheiratet! Marina Hyde weiß mehr

„Was versucht Truman damit zu beweisen?“, fragte sich Cecil Beaton gequält bei Capotes legendärem "Black and White Ball", zu dem er die 500 berühmtesten Persönlichkeiten der USA einlud. „Der Albernheit, so viel Zeit auf die Organisation eines Festes zu verwenden, könnten vielleicht ein jüngerer Mann oder eine nichtsnutzige Frau frönen, sofern sie gesellschaftliche Ambitionen hegen.“ Nun, durchaus. Was aber, wenn die Organisatoren einer solchen Veranstaltung ein ehemaliger US-Präsident und die amtierende Außenministerin sind, und ihnen nichts zu gut für ihre kleine Prinzessin erscheint?

Leider Gottes werden wir niemals erfahren, was Beaton von Chelsea Clintons Hochzeit an diesem Samstag gehalten hätte, die in den Medien gefeiert wird, als sei sie der heißeste gesellschaftliche Scheiß seit Capotes opulenter Veranstaltung 1966. Aber da er keine Skrupel hatte, Dorothy Parker als "Spaßbremse" und Grace Kelly als „großes Stierbaby“ zu bezeichnen, können wir wohl davon ausgehen, dass der liebe Cecil mit seiner Meinung nicht hinterm Berg gehalten hätte.

Doch kommen wir zum romantischen Teil. Am Samstag hat Bill und Hillary Clintons einziges Kind Chelsea ihren Freund Marc Mezvinsky geheiratet, der für Goldman Sachs arbeitet und der Sohn eines in Ungnade gefallenen ehemaligen Kongressabgeordneten ist, der geraume Zeit wegen Betrügereien hinter Gittern saß. Ich weiß – als ob sich irgendjemand für die Familie des Bräutigams interessieren würde.

Was die Ausstattung betrifft, so könnte ich das Gerücht weitertratschen, dass für das Event exklusive Toilettenhäuschen im Wert von 15.000 Dollar bestellt worden sein sollen, da für Oprahs Urin nur die beste mobile Sanitätsware gut genug scheint. Ich könnte die Behauptung wiederholen, dass 320.000 Dollar für Blumen ausgegeben wurden. Aber keine dieser Zahlen wurde bestätigt, also lassen Sie uns vorsichtig durch das Meer der Spekulationen navigieren.

Der Ort

Selbst die Gäste wurden über die genaue Location der Clinton-Hochzeit im Dunkeln gelassen und lediglich angewiesen, sich im Umkreis von New York aufzuhalten. In den vergangenen Tagen hat jedoch der Aufbau einer ausgedehnten Festzelt-Stadt auf dem Anwesen der Astors in Rhinebeck allgemein die Annahme gefestigt, dass die Hochzeit in dem um die Jahrhundertwende erbauten Herrenhaus am Ufer des Hudson abgehalten wird – sofern das Zeltlager nicht das zweit-abstoßendste Ablenkungsmanöver in der Geschichte der Clintons ist. Welches das abstoßendste war? Ich denke der Bombenangriff auf eine sudanesische Aspirinfabrik, der von den Lewinsky-Anhörungen ablenken sollte, wird wohl für alle Zeiten unübertroffen bleiben.

Die Gästeliste

Man erzählte sich über den hyper-exklusiven "Black and White Ball", Capote habe 500 Freunde eingeladen und sich 15.000 Feinde gemacht. Natürlich übertrifft die Zahl der echten Feinde der Clintons längst 15.000 – die ihrer eingebildeten Feinde geht in die Quadrillionen – doch sie haben sich für ähnliche Rahmenbedingungen entschieden.

Entgegen früherer Gerüchte wurde selbst Barack Obama ausgeladen, was dazu führte, dass die geneigte Fernsehnation am Donnerstag den erbaulichen Anblick des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika geboten bekam, wie er in einer Talkshow erklärte: „Ich wurde zu der Hochzeit nicht eingeladen, da ich denke, dass Hillary und Bill die Sache – zu Recht – Chelsea und ihrem angehenden Ehemann überlassen.“ Oh ja. Lost in Showbiz hegt den Verdacht, dass Obama nicht eingeladen wurde, weil niemand Bubba-Clinton in die Ecke stellt – aber wir wollen nicht abschweifen. Zu denen, die bekanntermaßen die Kürzung der Gästeliste überlebt haben, zählen Steven Spielberg, die bereits erwähnte Oprah und unser aller Freund Sting, der hoffentlich seine bessere Hälfte Trudie mitbrachte.

Die Eltern der Braut

In Mitteilungen des Außenministeriums bezeichnete Hillary sich unlängst im Spaß als MotB (Mother of the Bride) und über die Hochzeit erklärte sie: „Sie ist zur Zeit wahrhaftig die wichtigste Sache in meinem Leben.“ Ob man das charmant oder geopolitisch bedenklich finden will, bleibt jedem selbst überlassen, wenigstens kann man versichert sein, dass die amerikanische Außenministerin bezüglich des Tischschmucks auf dem Laufenden ist. „Zum Glück gibt es heutzutage E-Mail“, erklärte sie unlängst Reportern im Rahmen einer diplomatischen Reise. „Die Leute können mir Fotos der Blumenbouquets und anderer Dinge schicken, die entschieden werden müssen.“

Was ihren Ehemann betrifft, so erklärte Hillary: „Sie sollten davon ausgehen, dass es eine große Leistung ist, wenn er es heil den Mittelgang hinunter schafft.“ Nur um noch einmal daran zu erinnern, dass der alte Bill immer allen die Show stehlen muss.

Primär ermöglicht die Hochzeit es jedoch Hillary, ihre öffentlichen Erklärungen mit hausbackenen Anekdoten zu spicken, die erfolgreich nahelegen, dass sie eine von ihren Wählerinnen ist. Sie wissen schon: „Wie jede Mutter bin ich ungeheuer emotional.“ „Wie jede Mutter, mache ich mir Sorgen um den Tafelaufsatz.“ Wie jede Mutter hat sie Probleme den Überblick über all ihre Listen zu behalten und das kleinste Durcheinander könnte dazu führen, dass sie 300 Interkontinentalraketen auf einen Blumenhändler richtet und bei Kim Jong-Il Knopflochsträußchen aus weißen Rosen bestellt.

Die Eingeschnappten

Wo wir gerade über den Geliebten Führer sprechen: Zeit, darüber nachzudenken, wer die 13. Fee hätte sein können – vergessene Honoratioren, die auf die gesellschaftliche Zurückweisung zornig reagieren könnten, etwa indem sie alle Gäste in einen Hundertjährigen Schlaf versetzen oder in dem Moment, in dem der Zelebrant fragt: „Kann einer einen Grund nennen, weshalb dieses glückliche Paar nicht in den Stand der Ehe treten sollte?“, einen Krieg auf der koreanischen Halbinsel anfangen.

Die gute Nachricht hingegen lautet, dass Bill und Hillary Barbra Streisand eingeladen haben sollen. Sehr weise. Es stimmt, dass die Unterstützung der „willensstarken“ Diva als der ultimative Sargnagel für jeden demokratischen Kandidaten gehandelt wird – und dass der Anblick der „You Bring Me Flowers“ singenden Streisand bei John Kerrys Benefizgala 2004 der Floskel „Gift für die Wahlurnen“ eine ganz neue Bedeutung gab. Doch die Clintons haben mit Recht entschieden, dass es besser ist, Barbra im Zelt zu haben, damit sie in die 15.000 Dollar-Toiletten pinkelt, nicht außerhalb des Zeltes auf Hillarys Ambitionen für 2012.

Die Sitzordnung

Lost in Showbiz war einmal zu einer Hochzeit eingeladen, bei der auch der Designer Valentino anwesend war, der das Kleid der Braut entworfen hatte. Der Signor mit der walnussfarbenen Haut ist offensichtlich ein Mann, den keinerlei Selbstzweifel plagen, zumindest antwortete er auf die Frage des Platzanweisers „Braut oder Bräutigam?“ mit einem ungeheuer überheblichen: „Ich bin Valentino!“ Nichtsdestotrotz wurde er in die hinteren Reihen komplimentiert. Sind die Demütigungen, denen ein Gewerbetreibender ausgesetzt ist, nicht abstoßend?

Zum Glück fand das Großereignis von Samstag in Amerika statt, einem Land ohne Snobismus, in dem es jeder nach oben schaffen kann. (Wobei: Hätte Hillary 2008 die Wahl gewonnen, dann hätten über ein Vierteljahrhundert lang zwei Familien die präsidiale Macht unter sich aufgeteilt). Wir können uns also sicher sein, dass die Oprahs und Barbras dieser Welt nicht das Geringste dagegen gehabt haben werden, wenn sie im Hintergrund platziert wurden oder an einem der Kindertische für eine gerade Zahl sorgen sollten.

Wird die Hochzeit in die Geschichte eingehen?

Schlussendlich fürchtet Lost in Showbiz, dass wir trotz des ganzen Tamtams um die Clinton-Fete in einem Zeitalter leben, in dem es keinen wahren Glamour mehr gibt. Zu Capotes Gästen zählten 1966 Greta Garbo, Frank Sinatra, Robert McNamara, Andy Warhol, der Maharadscha von Jaipur, Irving Berlin, Ben Bradlee, Douglas Fairbanks Jr., Marlene Dietrich, Sam Goldwyn, Billy Wilder, Arthur Miller, Philip Roth ...

Ich fürchte, ich bin aus Platzgründen gezwungen, den grandiosen Namensaufruf an dieser Stelle abzubrechen, doch Sie sollten wissen, dass J.K. Galbraights Tanzstil für Begeisterung sorgte, während Norman Mailer mit McGeorge Bundy über Vietnam stritt.

Die Optimisten unter uns werden sich vielleicht ausmalen, dass Tony Blair am Samstag ein Anschiss von Barbra Streisand bekam, während Bill im Wartezimmer hinter der Torte mit belegter Stimme Oprah anwies, Chelseas abgelegten Schleier zu benutzen, um ihre Knie zu polstern. Letztlich werden wir aber einfach akzeptieren müssen, dass die Partys nicht mehr die Größe von einst haben.

Guardian-Autorin Marina Hyde verliert sich immer freitags in ihrer Kolumne "Lost in Showbiz" in der Welt der Schönen und Reichen und Prominenten und hach, bleiben Sie einfach dran!

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Übersetzung: Christine Käppeler
Geschrieben von

Marina Hyde | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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