Wenn die Füße nach unten zeigen

Bush-Memoiren Kurz bevor Ex-Präsident George Bush am 9. November in Washington seine Memoiren vorstellt, sind Teile seiner Erinnerungen bereits vorab bekannt geworden

Es waren die sieben Minuten, die George W. Bushs Präsidentschaft bestimmen sollten. Auf der einen Hälfte des Fernsehschirms stand eines der Wahrzeichen New Yorks in Flammen, nachdem entführte Flugzeuge ins World Trade Centre gerast waren. Auf der anderen Hälfte des Bildschirms saß George Walker Bush vor einer Gruppe von Kindern und schaute wie ein paralysiertes Kaninchen in die Kamera, nachdem ein Stabsmitarbeiter ihn über die Anschläge informiert hatte. Der Präsident vermittelte ein Gefühl von Lähmung – man könnte auch sagen von Panik.

Nicht unter Schock

Bush erklärt vor Veröffentlichung seiner Memoiren – jeder, der denke, er habe damals unter Schock gestanden, der irre sich. Er habe versucht, keine Panik zu erzeugen. „Meine erste Reaktion war Wut. Wie konnten sie es wagen, das mit Amerika zu machen?“, meinte George Bush in einem NBC-Interview, das am 9. November parallel zur Veröffentlichung seiner Memoiren ausgestrahlt werden soll. „Ich habe die Entscheidung getroffen, nicht aufzuspringen und Chaos zu verbreiten. Was meine Überlegungen bestimmte, das war Wut, das war Empörung, das war ein Gefühl für die Pflicht, das Land zu beschützen. Plötzlich klingeln alle Telefone. Die Handys der Reporter, die Anrufe zu den Anschlägen bekamen, verursachten viele Lärm. Aber das machte mir klar, dass die Menschen meine Reaktion beobachten würden. Und ich hatte als Gouverneur von Texas genug Erfahrung mit Katastrophen gesammelt, um zu wissen, dass die Reaktion des Staatsoberhauptes im ersten Stadium einer jeden Krise essentiell ist.“ Auf die Nachfrage, ob er bis zur Handlungsunfähigkeit gelähmt war, reagiert Bush ablehnend: „Ich bin nicht bereit, mich mit den Kritikern auf Diskussionen einzulassen, ob ich nun unter Schock stand oder nicht. Dem war nicht so. Sie können das Buch lesen und ihre eigenen Schlüsse ziehen.“

Gegen den Irakk

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Bushs Memoiren Decision Points geben einen Einblick in seine Überzeugungen, unter anderem am Beispiel eines Streitgesprächs im Rahmen eines Abendessens mit Cherie Blair über die Todesstrafe. Über weite Strecken zielt das Buch darauf ab, Handlungen des Präsidenten zu verteidigen, die viele für unvertretbar halten. Das gilt nicht zuletzt für die Irak-Invasion unter dem sich später als falsch herausstellenden Vorwand, Massenvernichtungswaffen zerstören zu wollen. Der ehemalige Präsident gibt zu, dass es abweichende Meinungen in der Frage gab, ob die USA den Krieg beginnen sollten. Er behauptet, er habe zu den Andersdenkenden gehört. „Ich war eine der Stimmen, die dagegen waren. Ich wollte keine Gewalt anwenden. Ich meine, Gewalt ist die letzte Option für einen Präsidenten“, so Bush.

Die Erinnerungen geben einen kleinen Einblick in die Paranoia, die seine Regierung in den Wochen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ergriff. Bush erzählt, wie er später in jenem Jahr auf Staatsbesuch in China war, als sich sein Vizepräsident Dick Cheney über eine gesicherte Videoverbindung bei ihm meldete: „Mr. Präsident, wir haben ein Problem.“ Bevor sie weitersprachen, mussten sie sicherstellen, dass die Chinesen nicht mithörten. Sie gingen davon aus, dass die Hotel-Suite des Präsidenten verwanzt war. „Condi, Andy Card, Colin Powell und ich saßen in einem engen Zelt innerhalb eines chinesischen Hotels. Der Grund, weshalb wir in diesem Zelt saßen, war der, dass die Chinesen uns dort nicht abhören konnten“, schreibt Bush in Decision Points.

Cheney eröffnete ihnen, dass ein Botulinostoxin-Detektor im Weißen Haus Alarm geschlagen hatte und Bush vergiftet sein könnte. „Wir waren ihm alle ausgesetzt gewesen ... und falls wir es inhaliert hatten, so konnten wir leicht sterben“, so Bush. Tests an Mäusen sollten Aufklärung bringen. Bush schreibt: „Wir kicherten irgendwie und sagten: Nun, wenn die Füße der Mäuse nach oben zeigen, dann sind wir erledigt, Wenn ihre Füße nach unten zeigen, geht es uns gut.“

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Übersetzung: Christine Käppeler
Geschrieben von

Chris McGreal | The Guardian

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