Wie es ihm gefällt

La Conquête "La Conquête" wurde als das Sarkozy-Porträt gehandelt, das den Elysée-Palast erzittern lässt. In Cannes fiel dieser Anspruch in sich zusammen wie ein kaltes Soufflé

Er war angekündigt als die französische Antwort auf Stephen Frears Die Queen, als ein gewagtes Porträt von Nicolas Sarkozys Aufstieg zur Macht. La Conquête (dt. Die Eroberung) versprach das französische Kino aufzurütteln – nicht weniger. Ganze Teams von Anwälten mussten das Drehbuch lesen, da juristische Vergeltungsmaßnahmen befürchtet wurden. Wie kühn, wie tapfer war das Team hinter dem Film: der Regisseur und Autor Xavier Durringer und die Produzenten, die Altmeyer-Brüder.

La Conquête versprach alles, bietet aber wenig und so fällt der hohe Anspruch ins sich zusammen wie ein kaltes Soufflé. Vor allem erfahren wir nichts Neues. Keine neue Einsicht, keine gewagte Hypothese, keine raffinierte Analyse des Zoon politikon, das Sarkozy ist. Die Darbietungen von Denis Podalydès, der den Sarkozy gibt, und Bernard Le Coq, der Chirac spielt, mögen fantastisch sein. Ihre Mimik, Ticks und Grimassen stimmen, und, wichtiger noch, ihre Intonation ist perfekt. Dennoch ist La Conquête zu wenig Kino. Er bleibt sachlich, journalistisch. Selbst Nicola Piovani, der die Musik für drei Filme des Spätwerks Federico Fellinis schrieb, konnte keine Wunder bewirken. Wenn die Musik versucht, einem Film Poesie zu verleihen, weiß man, dass es ein Problem gibt. La Conquête hat beispielsweise nicht den grotesken Reiz von Paolo Sorrentinos Il Divo oder die Lyrik von Marco Bellochios Vincere über Mussolinis Aufstieg zur Macht und seine gestörte Frau. La Conquête ist kein Film, sondern ein Best of. Ein Best of der Zeilen von Nicolas Sarkozy und Jacques Chirac zwischen 2002 und 2007.

Er sieht auch so aus, als habe er nie die Ambition gehabt, etwas anderes zu sein als ein Exempel im Sticheln gegen Frankreichs Verleumdungsparagrafen und die Gesetze zum Schutz der Privatsphäre. Gewiss, wir sehen wie Denis Podalydès-Nicolas Sarkozy die Kinnlade herunter klappt, als seine Berater ihm mitteilen, dass Paris Match Fotos von seiner Frau Cécilia und ihrem Liebhaber Richard Attias in New York veröffentlichen wird. Aber nicht einmal kurz berührt wird der, seinerzeit vom Magazin bestrittene, Verdacht, Sarkozy habe direkten Einfluss auf die Entlassung des Chefredakteurs genommen. Natürlich sehen wir nicht, wie er bei der Spitze von Paris Match anruft und den Rauswurf des Chefredakteurs fordert. Wir hören Cécilias Beschwerden über Untreue, aber wir ertappen ihn nie auf frischer Tat.

Noch beunruhigender ist, dass La Conquête möglicherweise Sarkozys Sache dient. Der Film zeichnet einen Mann mit unbändiger Energie, der stolz nicht nach den Regeln spielt und so dreist ist, dass er einen fast zum Lächeln bringt. Er porträtiert einen Mann, der halb Kind ist, halb Zeus. Was Jacques Chirac und Dominique de Villepin angeht, zeigt er, wie falsch und dumm ihr Glaube war, sie könnten die Maschine Sarkozy aufhalten.

Bis vor einigen Tagen dachten viele Franzosen, sie hätten endlich jemanden gefunden, der "la machine" stoppen könne. Sein Name war Dominique Strauss-Kahn. Und wie der ehemalige künftige französische Präsident vor zwei Wochen in einem Interview sagte: „Das Problem mit Sarkozy ist, dass er die Menschen berührt.“

Darin liegt die größte Ironie dieses Films. Ursprünglich als Entlarvung von Sarkozys unerträglicher Frechheit angelegt, macht La Conquête aus ihm eine liebenswerte Gestalt von der Sorte, die die Franzosen in zwölf Monaten widerwillig im Amt bestätigen könnten.

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Übersetzung: Steffen Vogel
Geschrieben von

Agnès C. Poirier | The Guardian

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