Wiederkehr eines Dinosauriers

Wahl in Mexiko Das Wiedererstarken der Partei der Institutionellen Revolution (PRI), die mit Peña Nietos in die Präsidentenwahl zieht, führt zu Protesten und Korruptionsvorwürfen
Unterstützer der PRI (Partei der Institutionellen Revolution) stehen über der Maske des Präsidentschaftskandidaten Enrique Peña Nieto
Unterstützer der PRI (Partei der Institutionellen Revolution) stehen über der Maske des Präsidentschaftskandidaten Enrique Peña Nieto

Foto: John Moore / Getty Images

Am Wochenende kam es in Mexiko zu weiteren Massenprotesten der von Studenten geführten Demokratiebewegung #yosoy132. Der Gruppe war es zuvor gelungen, am 19. Juni das erste – unabhängig organisierte – Streitgespräch zwischen den drei wichtigsten Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte des Landes auszurichten.

Das Votum am 1. Juli ist das zweite, seit die Partei der Institutionellen Revolution (Partido Revolucionario Institucional/ PRI) im Jahr 2000 von der Macht verdrängt wurde, die sie zuvor 71 Jahre lang ohne Unterbrechung besaß. Erstaunlicherweise liegt mit Enrique Peña Nieto derzeit der PRI-Kandidat in den Umfragen vorn, gefolgt von Andrés Manuel López Obrador vom linken Partido de la Revolución Democrática (PRD).

An dritter Stelle liegt Josefina Vásquez Mota von der Partei des amtierenden Staatschefs Felipe Calderón – des Partido Acción Nacional (PAN).

Ein Weckruf

Nachdem ein Sieg Peña Nietos lange Zeit nahezu sicher schien, hat sich das geändert, seitdem der Bewerber am 11. Mai bei einem Besuch der ibero-amerikanischen Universität von Mexiko-City von den Studenten ausgebuht wurde und sogar fliehen musste. Diese Schmach und ihre Multiplizierung durch Video-Clips im Internet vermittelten das Bild eines Kandidaten, wie es in den mexikanischen Medien, die viele für parteiisch und voreingenommen halten, nur selten zu sehen ist. Der Besuch war für Kritiker und Gegner Nietos ein Weckruf.

Die Anschuldigen seitens der #yosoy132-Bewegung, die Medien würden nicht objektiv über Peña Nietos berichten, wurden durch Berichte im Guardian untermauert, wonach Televisa, die größte Mediengruppe des Landes, für die positive Darstellung Peña Nietos bezahlt wurde und in Kalifornien ein Verfahren gegen Mitarbeiter von Nietos Team anhängig ist, weil sie – so der Vorwurf einer spanisch-sprachigen Mediengruppe – 56 Millionen Dollar für Sendezeit auf US-Kanälen schulden sollen (was nach mexikanischem Wahlgesetz ebenfalls verboten ist).

Die Kritiker Peña Nietos bezweifeln, dass seine Partei autoritäre Praktiken überwunden hat. Diese Sorge wurde von jüngst publik gewordenen Korruptionsskandalen bestätigt, in die PRI-Funktionäre verwickelt sind. Es geht um Geldwäsche, Unterschlagung und Verbindungen zum Organisierten Verbrechen. Eines solchen Fehlverhaltens unverdächtig ist wohl keine mexikanische Partei. Doch die scheinbar endemischen Missstände beim PRI bescheren der Partei bei Umfragen den größten Argwohn.

Pakt der Zivilität

So ist angesichts der aufbrechenden Anti-PRI-Stimmung der Ausgang der Wahlen alles andere als ausgemacht. Die aussichtsreichsten Konkurrenten versuchen, die gegen Peña Nietos gerichtete Stimmung für sich zu nutzen. Die Unterstützer von López Obrador hofieren ihren Frontmann als „nützliche Wahl“, während Josefina Vásquez Mota von der PAN versucht, die Unentschlossenen für sich zu gewinnen, indem sie an „versteckte“ Wähler appelliert. Peña Nietos tut hingegen so, als habe er diesen Urnengang bereits gewonnen. Vor einer Woche sagte er seinen Sympathisanten, sie sollten einen „überzeugenden und unanfechtbaren“ Sieg erwarten.

Dieses aggressive Verhalten könnte zum Teil mit den Behauptungen zusammenhängen, seine Partei habe systematisch Stimmenkauf betrieben. Die nationale und äußerst einflussreiche Lehrergewerkschaft SNTE habe als Gegenleistung für finanzielles Entgegenkommen fünf Millionen Stimmen zugesagt. Solche Anschuldigungen über geheime Absprachen zwischen PRI und SNTE sind allerdings nichts Neues.

Mexikos Wahlbehörde hat die Kandidaten im Vorfeld dazu aufgefordert, einen „Pakt der Zivilität“ zu unterschreiben, sich zur Anerkennung der Wahlergebnisse und der Verurteilung jeder Form von Gewalt während des Wahlkampfes und der Stimmabgabe zu bekennen. Angesichts jahrzehntelang dokumentierten Verstöße gegen das nationale Wahlgesetz verwundert es nicht, dass die Wahlbehörde glaubt, ihre Autorität in Erinnerung rufen zu müssen. Unabhängig davon, ob es zum angestrebten Pakt kommt oder nicht: Wenn bisherige Wahlen ein Indikator für die Wahrscheinlichkeit sind, dass es nach dem Votum zu Streit und Auseinandersetzungen kommt, dann sollten wir uns auf einen langen und konfliktreichen mexikanischen Sommer einstellen.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Rodrigo Camarena | The Guardian

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