Mehr Biodiversität, weniger Viren

Corona Der Kontakt zu Wildtieren gilt häufig als Ausgangspunkt für Epidemien. Nun sollen Märkte, auf denen sie verkauft werden, verboten werden. Aber ist es damit getan?
Eine Zibetkatze auf einem Wildtiermarkt
Eine Zibetkatze auf einem Wildtiermarkt

Foto: Richard A. Brooks/AFP/Getty Images

Die amtierende Generalsekretärin für die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen, Elizabeth Maruma Mrema, fordert ein weltweites Verbot von Wildtiermärkten – wie dem im chinesischen Wuhan, der als Ausgangspunkt für den Ausbruch des Coronavirus gilt. Ein solches Verbot soll derartige Pandemien in Zukunft zu verhindern.

Staaten sollten sich bemühen, künftige Pandemien durch ein Verbot sogenannter „wet markets“ zu verhindern, auf denen lebende und frisch geschlachtete Tiere zum Verkauf angeboten werden. Elizabeth Maruma Mrema warnte zugleich vor unbeabsichtigten Folgen eines solchen Verbots.

Bisher nur temporär

China hat ein zeitweises Verbot von Wildtiermärkten erlassen. Auf den Märkten werden Tiere wie Zibetkatzen, lebendige Wolfswelpen und Schuppentiere in kleinen Käfigen häufig unter unhygienischen Bedingungen zum Verkauf angeboten. Sie brüten dort Krankheiten aus, die sich auf den Menschen übertragen können. Viele Wissenschaftler*innen haben Peking aufgefordert, aus dem temporären ein dauerhaftes Verbot zu machen.

Unter Verweis unter anderem auf Ebola in West-Zentralafrika und das Nipah-Virus in Ostasien erklärte Mrema, es gebe klare Zusammenhänge zwischen der Zerstörung natürlicher Lebensräume und neuen Krankheiten beim Menschen, warnte jedoch vor einem rückwärtsgewandten Vorgehen gegen die aktuelle Covid-19-Pandemie.

„Die Botschaft, die wir hören, lautet: Wenn wir uns nicht um die Natur kümmern, kümmert sie sich um uns“, sagte Elizabeth Maruma Mrema gegenüber dem Guardian. „Es wäre gut, die Märkte mit lebendigen Tieren zu verbieten, wie China und einige weitere Länder dies bereits getan haben. Wir sollten dabei allerdings nicht vergessen, dass vor allem einkommensschwache ländliche Regionen, insbesondere in China, auf Wildtiere angewiesen sind, um die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen zu sichern. Solange wir diesen Kommunen keine Alternativen anbieten können, besteht die Gefahr, dass der illegale Handel mit Wildtieren weiter zunimmt, der jetzt bereits dafür sorgt, dass manche Arten vom Aussterben bedroht sind. Wir müssen uns überlegen, wie wir das ausgleichen und die Lücke des illegalen Handels in Zukunft wirklich schließen können.“

Mit der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus ist die Frage, wie die Zerstörung der Natur durch den Menschen die Voraussetzungen für die Ausbreitung neuer Zoonosen, also von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbarer Krankheiten, schafft, immer stärker in den Mittelpunkt gerückt.

Jinfeng Zhou, Generalsekretär der China Biodiversity Conservation and Green Development Foundation, hat die Behörden aufgefordert, Wildtiermärkte dauerhaft zu verbieten, da Krankheiten wie Covid-19 wieder auftauchen würden. „Ich befürworte ein weltweites Verbot von wet markets – das würde viel zum Erhalt der Wildtiere beitragen und uns selbst vor unsachgemäßen Kontakten mit ihnen schützen“, so Zhou. „Mehr als 70 Prouzent der menschlichen Krankheiten stammen von Wildtieren und viele Arten sind durch den Verzehr dieser Tiere gefährdet.“

Die Folgen des Raubbaus

Mrema sagte, sie sei optimistisch, dass die Welt die Folgen der Umweltzerstörung nach dem Ausbruch von Covid-19 ernster nehmen werde, wenn die Länder zu den Verhandlungen über das Rahmenwerk für die Biodiversität nach 2020 zurückkehren, das als Pariser Umwelt-Abkommen bezeichnet wird. „Der Erhalt intakter Ökosysteme und der biologischen Vielfalt wird uns helfen, die Verbreitung einiger dieser Krankheiten zu verringern. Die Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben, wie wir die Böden nutzen, wie wir die Ökosysteme an den Küsten schützen und wie wir unsere Wälder behandeln, wird entweder die Zukunft zerstören oder uns helfen, länger zu leben.“

Elizabeth Maruma Mrema weiter: „Wir wissen, dass der Ausbruch des Nipah-Virus Ende der 1990er Jahre in Malaysia vermutlich eine Folge von Waldbränden, Abholzung und Dürren war, die die Flughunde, die natürlichen Überträger des Virus, dazu veranlasst hatte, aus den Wäldern in die Torfbetriebe zu ziehen. Dort infizierten sie die Bauern, über die sich die Krankheit dann unter den Menschen verbreitete. Der Verlust der Artenvielfalt wird zu einer großen Triebkraft für die Verbreitung einiger dieser Viren. Die großflächige Abholzung, die Zerstörung und Fragmentierung von Lebensräumen, die Intensivierung der Landwirtschaft, unser Ernährungssystem, der Handel mit Arten und Pflanzen, der vom Menschen gemachte Klimawandel – all dies sind die Triebkräfte für den Verlust der Artenvielfalt und gleichzeitig auch die Triebkräfte für neue Krankheiten. Zwei Drittel der neu auftretenden Infektionen und Krankheiten stammen heute von wildlebenden Tieren.“

Im Februar hatten sich Delegierte aus mehr als 140 Ländern in Rom getroffen, um zum ersten Mal über den Entwurf eines 20-Punkte-Abkommens zu sprechen, das den Verlust der Artenvielfalt stoppen und umkehren soll, einschließlich Vorschlägen zum Schutz von fast einem Drittel der Weltmeere und weltweiten Landflächen sowie zur Reduzierung der Verschmutzung durch Plastikabfälle und überschüssige Nährstoffe um 50 Prozent. Ein großer Gipfel zur Unterzeichnung des Abkommens im Oktober war in der chinesischen Stadt Kunming geplant gewesen, wurde aber wegen des Coronavirus-Ausbruchs verschoben.

Patrick Greenfield schreibt für den Guardian sowie den Observer über Biodiversität und Umweltthemen.

Der digitale Freitag

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Patrick Greenfield | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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