Streit um John Mearsheimer: Er sah den Ukraine-Krieg kommen

NATO-Osterweiterung Realist oder Ideengeber für Wladimir Putin? Im Ukraine-Krieg ist um die Theorien des US-Politologen John Mearsheimer ein Streit entbrannt. Was ist an den Vorwürfen gegen ihn dran? Eine Analyse von Adam Tooze
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 11/2022

„Warum ist die Ukraine die Schuld des Westens?“ Das ist der provokante Titel eines Vortrags, den Professor John J. Mearsheimer – ein berühmter Vertreter der sogenannten realistischen Schule der Internationalen Beziehungen – 2015 auf einem Alumni-Treffen der University of Chicago gehalten hat. Der Mitschnitt wurde auf Youtube bereits mehr als 18 Millionen Mal angeklickt. Und auch 2022 vertritt Mearsheimer diese These, höchst explosiv etwa am 1. März in einem etwas unglücklichen Telefoninterview mit dem New Yorker. Angesichts der russischen Invasion zieht seine Provokation blanke Wut auf sich. Da stellt sich die Frage: Was ist dieser „Realismus“, den er vertritt?

Einerseits ist Mearsheimer entwaffnend offen. Der Vorstoß von 2008, di