Bisher ist es nicht gelungen, der Koalitionsregierung aus protestantischen Unionisten und katholischen Nationalisten in Belfast wieder Leben einzuhauchen. Deren Auszeit ist eine Konsequenz des Deals zwischen den Tories und der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), die Theresa Mays Regierung seit der Parlamentswahl vom 8. Juni in Westminster als Mehrheitsbeschafferin dient. Dieses Agreement zerstört den letzten Anschein von Unparteilichkeit der britischen Regierung in der so mühsam befriedeten Krisenregion. Durch ihren Pakt mit der DUP gibt May dem eigenen politischen Überleben den Vorrang vor den Interessen der Menschen in Nordirland, die unter der jahrelangen Austeritätspolitik der Tories gelitten haben und nun in den Abgrund des Brexits starren. Sinn Féin hat der Premierministerin klar zu verstehen gegeben, dass es keine Option sein kann, Ulster wieder britischer Kontrolle zu unterstellen und direkt von London aus zu regieren.
Für einen Sonderstatus
Die Rechtsallianz in Westminster torpediert geradezu den Friedensprozess, denn das wachsende Risiko eines ungeregelten EU-Ausstiegs, wie ihn britische Isolationisten begrüßen, setzt die Lebensgrundlage der Nordiren aufs Spiel, die entlang der Grenze zur Republik Irland und womöglich bald an einer EU-Außengrenze leben. Der allein gangbare Weg, Bewohner und Wirtschaft vor einem Brexit-Unheil zu schützen, würde beschritten, gäbe es für den Norden Irlands einen Sonderstatus innerhalb der EU. Sinn Féin wird keine Rückkehr der Vergangenheit zulassen. Die Tage bemannter Checkpoints und Zollschranken entlang der inneririschen Grenze sind ein für alle Mal vorbei.
Es sollte niemanden überraschen, dass die Gespräche über eine Rückkehr zum Abkommen über die gemeinsame Nordirland-Regierung vor Tagen ohne Ergebnis zu Ende gingen. DUP und britische Regierung sind eindeutig nicht bereit, den Menschen im Norden grundlegende Bürger- und Menschenrechte zu garantieren, wie sie mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 festgeschrieben sind.
Seit zehn Monaten bemüht sich Sinn Féin nun schon, dass man sich über die Implementierung noch ausstehender Verpflichtungen einigt, um das Vertrauen in die politischen Institutionen in Belfast wiederherzustellen. Die Partei war zu Kompromissen bereit – andere nicht.
Die Regierung in Stormont brach im Januar auseinander, als Martin McGuinness seinen Rücktritt einreichte. Die DUP hatte sich geweigert, den Finanzskandal untersuchen zu lassen, in den sie verstrickt war. Die sich anschließenden Bemühungen Sinn Féins um Versöhnung beruhten nicht auf Gegenseitigkeit. Ein DUP-Skandal folgte auf den nächsten. Kalkulierte Beleidigungen der irischen Sprache und Kultur wurden zum Vokabular von DUP-Honoratioren, offenbar eine gewollte Provokation. Eine solcher Stil würde weder in London noch in Dublin akzeptiert, dies sollte auch in Belfast die Norm sein.
Warum sollte homosexuellen Partnern in Nordirland das Recht auf eine Heirat verwehrt bleiben? Weshalb wird den Familien von Opfern des Nordirlandkonflikts in den 1970er und 1980er Jahren nicht weiterhin das Recht auf die erschöpfende Untersuchung des Todes von Angehörigen eingeräumt, wie das bisher nach dem Geist des Karfreitagsabkommens üblich war? Die neuerliche Ungleichbehandlung ist durch nichts zu rechtfertigen, doch genau das versuchen Theresa May und die DUP. Anstatt konsequent neutral zu handeln, wozu der Friedensprozess eigentlich verpflichtet, deckt die Premierministerin die Weigerung der DUP, für gleiche Rechte zu sorgen, und lobt stattdessen deren Engagement zur Stärkung der Bürgerrechte. Da es gegenwärtig keine handlungsfähige Regierung in Nordirland gibt, hat London die Wahl zwischen dem Schutz des Karfreitagsabkommens und dessen Preisgabe.
Der Frieden überall in Irland ist für die Bürger von zu großer Bedeutung, als dass er durch die internen Machtkämpfe der Konservativen in Gefahr geraten darf. Theresa May sollte sorgfältig abwägen, ob es sich lohnt, die Stabilität Nordirlands aufs Spiel zu setzen.
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