Afrika ist oben

Ambition Raumfahrt ist für den Kontinent mehr als ein Prestigeprojekt. Schon heute retten Satellitendaten Leben
Ausgabe 49/2018

Als Edward Mukuka Nkoloso, Direktor der sambischen Nationalakademie für Weltraumwissenschaften und Weltraumphilosophie, im Jahr 1964 einigen westlichen Journalisten von seinem geheimen Programm erzählt, lacht ihn die ganze Welt aus. Mit herablassender Süffisanz schreibt das Time Magazine, Nkoloso trainiere „12 Astronauten, darunter ein kurviges 16-jähriges Mädchen, indem er sie in einem Ölfass um einen Baum kreisen lässt und ihnen beibringt, auf den Händen zu laufen, das sei die einzige Art, wie Menschen auf dem Mond laufen können“. 50 Jahre später hat sich am westlichen Afrika-Bild wenig geändert, dabei ist der Kontinent heimlich eine ernstzunehmende Größe im All geworden.

Im vergangenen Jahr verabschiedete die Afrikanische Union die erste „Afrikanische Weltraumstrategie“. Zukünftig sollen die Initiativen der Mitgliedsstaaten gebündelt und soll ein gemeinsamer rechtlicher Rahmen geschaffen werden – ein erster Schritt zur panafrikanischen Raumfahrtagentur. Eine solche Institution, nach Vorbild von ESA und NASA, fordern Politikerinnen und Forscher auf dem gesamten Kontinent schon seit Jahren. 14 Länder geben an, eine nationale Raumfahrtagentur zu betreiben – mit unterschiedlichem Umfang. Die größten und teuersten Programme haben Südafrika, Ägypten und Nigeria. Eines der ältesten betreibt Südafrika. Den ersten Vertrag mit der NASA unterschrieb das Apartheid-Regime 1958 – nur ein Jahr nachdem die Sowjetunion den allerersten Satelliten Sputnik 1 ins All geschossen hatte. 2019 soll bereits der achte südafrikanische Mikrosatellit starten, Kostenpunkt: 15 Millionen Euro. Neuester Zugang im afrikanischen Space Race ist Ghana. Der in Japan produzierte GhanaSat-1 kreist seit einem Jahr um die Erde. Der Präsident der Elfenbeinküste hat laut Medienberichten für 2020 einen Airbus-Satelliten bestellt – eine Raumagentur gibt es bislang noch nicht.

Das Engagement im Weltraum hat auch politische Gründe: Raumfahrt suggeriert Stärke, Fortschritt, ein afrikanisches Selbstbewusstsein, das der Regierungsphilosophie vieler derzeitiger Staatschefs entgegenkommt. Im konfliktgebeutelten Simbabwe kündigte Emmerson Mnangagwa nur zwei Wochen vor der Wahl und mitten in einer Wirtschaftskrise die Gründung der Raumfahrtagentur ZINGSA an, eines „Katalysators für die internationale Konkurrenzfähigkeit und das Wirtschaftswachstum“. Ein Wahlgag? Ein teurer Spaß? Keinesfalls, sagte der frischgebackene ZINGSA-Direktor Amon Murwira im Interview mit dem simbabwischen Herald. „Es geht nicht um Größenwahn, sondern um Entwicklung“.

Gegen Boko Haram

Tatsächlich nutzen die meisten afrikanischen Länder die Weltraumagenturen, um per Satellit riesige Mengen an Geodaten zu sammeln. Oft sind die Agenturen an Universitäten angegliedert. Die Forscherinnen vermessen Umweltverschmutzungen, das Wetter und landwirtschaftliche Erträge, den Bedarf an Düngemitteln, Frischwasser und Fischbestände. Bereits jetzt nutzen Frühwarnsysteme für Krankheiten, Hungersnöte und Naturkatastrophen Daten aus dem All. Nigeria beobachtet terroristische Aktivitäten von Boko Haram. Geodaten des Malaria-Frühwarnsystems MEWS haben bereits 500.000 Malariafälle verhindert. Auch ein Arbeitspapier der Harvard-Universität empfiehlt afrikanischen Ländern die teure Investition. Satellitentechnik würde ohnehin immer kleiner und günstiger, sei nicht zu komplex und könne mittlerweile innerhalb von 18 Monaten produziert werden.

Von mehr als 1.800 Satelliten im All sind heute 30 aus Afrika. Sie starten von China oder den USA aus. Die Startrampen in Afrika, Überreste aus Kolonialzeiten, sind verwaist. Aber die Pläne sind ambitioniert: Äthiopien startet 2019 seinen ersten Satelliten, finanziert von China. Nigeria plant für 2030 den ersten bemannten Flug. Sogar der private Traum vom All lebt weiter: Der kongolesische Wissenschaftler Jean-Patrice Keka Ohemba Okese macht mit seinem Ein-Mann-Raumfahrtprogramm immer wieder Schlagzeilen. 2008 startete seine Rakete „Troposphere V“ gen All, explodierte aber vorher. Der Astronaut, eine Ratte, ist nun eben das erste Opfer der bemannten afrikanischen Raumfahrt.

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