Wissen wir überhaupt, was wir tun müssen?

Klima-Literatur Paul Hawken will komplexe Sachverhalte einem breiten Publikum zugänglich machen
Ausgabe 26/2019
Gletschertouren könnten schon bald der Vergangenheit angehören
Gletschertouren könnten schon bald der Vergangenheit angehören

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Jedes Jahr steigen unsere Emissionen an. Gleichzeitig werden wichtige Kohlendioxidspeicher wie Regenwälder, Ozeane und Permafrostböden zerstört. Deshalb rechnen Wissenschaftler inzwischen mit einer globalen Erwärmung um vier Grad Celsius schon im Jahr 2060. Meine Enkel werden Hitzesommer und Überschwemmungen kennen, aber keine Insel Langeoog, kein Amsterdam oder Venedig, wie ich sie in Erinnerung habe. Wie sich unsere Landwirtschaft an die Klimaveränderungen anpassen soll, dafür hat die Wissenschaft bislang keine Antwort. Es ist unklar, wie sich Europa in wenigen Jahrzehnten ernähren wird, von stärker betroffenen Regionen der Welt ganz zu schweigen.

Angesichts dieser Szenarien optimistisch zu bleiben, ist schwer. Grund zur Hoffnung, dass alles anders kommt, gibt das Buch Drawdown – der Plan: Wie wir die Erderwärmung umkehren können des US-Unternehmers und Umweltaktivisten Paul Hawken: 408 Seiten mit Lösungen für die Klimakrise, nun auch auf Deutsch erschienen. Hawkens Team aus 70 Wissenschaftlern hat Methoden, Ideen und Technologien gesammelt, die schon heute funktionieren. Sie haben ein Ranking erstellt, das zeigen soll, welches die effektivsten Lösungen für die Kehrtwende sind: „anwendbar, wirtschaftlich rentabel, wissenschaftlich fundiert“. Laut Herausgeber könnten bis zum Jahr 2050 insgesamt mehr als 1.000 Gigatonnen CO2 eingespart werden – im Vergleich zum heutigen Emissionsniveau.

Hawken schreibt, das Projekt „Drawdown“ sei nicht aus Angst geboren worden, sondern aus Neugierde. Wissen wir überhaupt, was wir tun müssen, um die Erderwärmung zu stoppen, vielleicht sogar umzukehren? 100 Projekte haben die Wissenschaftler aufgespürt: „Engagierte Bürgerinnen und Bürger vollbringen weltweit Außerordentliches. Dies ist ihre Geschichte.“

Die Bandbreite der erzählten Geschichten ist bemerkenswert: Solardächer, Städteplanung und Fahrradwege gehören genauso zum Masterplan wie die Bildung von Mädchen – weil Frauen mit besserer Ausbildung im Schnitt weniger Kinder haben, die später selbst zum Klimawandel beitragen würden.

Die Herausgeber haben eine schwierige Herausforderung gemeistert: komplexe Sachverhalte einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Das gelingt unter anderem durch verständliche Sprache: „Der Wind bläst nicht“, heißt es im Kapitel zur Windkraft. „Er entsteht durch die Erdrotation und die ungleichmäßige Erwärmung der Erdoberfläche, durch die Luft aus Gebieten mit hohem Druck in solche mit niederem Druck gezogen wird. So bewegt sich der Wind wellenförmig wie eine Art Luftbrandung über die Landschaft.“ Diese Wellen, so Hawken, werden den Wandel vorantreiben: Windenergie ist die Nummer zwei seines Rankings der wirkungsvollsten Klimaschutzmaßnahmen für die nächsten 30 Jahre. Nur der Umgang mit Kältemitteln sei noch wirksamer als der Ausbau der Windkraft, so Hawken.

Die Klimaschutzinitiative „Drawdown Europe“, geleitet von der Deutschen Energie-Agentur (dena) und dem Innovationsnetzwerk EIT Climate-KIC, hat Mitte Mai in Berlin dazu aufgerufen, die im Buch vorgestellten Instrumente zur Reduktion von Emissionen lokal und global zu stärken. Die Initiative appelliert an die Politik, die Vorschläge umzusetzen – das ist auch eine Dimension, die dem Buch fehlt. Denn unternehmerische Innovationen und bürgerliches Engagement alleine werden den Klimawandel nicht stoppen können.

Info

Drawdown – der Plan: Wie wir die Erderwärmung umkehren können Paul Hawken (Hg.) Random House 2019, 408 S., 28 €

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