Nachhaltigkeit in Oldenburg vor dem Aus?

Nachhaltigkeitsforschung Die (sozio)ökonomische Forschung zur Nachhaltigkeit an der Universität Oldenburg war stets eine „grüne Insel“ der Ökonomik. Damit soll jetzt Schluss sein

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Vertreterinnen und Vertreter der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Oldenburg stehen seit gut zwei Jahrzehnten für eine sozial-ökologische Erneuerung unserer Gesellschaft. Sie haben im Bereich der Nachhaltigkeit und der Unternehmensverantwortung durch ihre Anstrengungen in der universitären Ausbildung wie in der praxisorientierten Forschung einen festen Platz auf der akademischen Landkarte im deutschsprachigen Raum.

Man muss nicht einen der unzähligen Unternehmensskandale, wie den jüngsten VW-Fall, ins Feld führen, um die gesellschaftliche Relevanz dieser Forschungsrichtung zu plausibilisieren. Unser Planet ist insgesamt, darüber dürfte Einigkeit bestehen, weder in ökologischer noch in sozialer Hinsicht in einem guten Zustand. Ein Nachdenken über Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft ist mehr und mehr gefordert. Genau das treibt die wirtschaftswissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Oldenburg an. Doch wie lange noch? Verschiedene Entwicklungen an der Universität Oldenburg deuten darauf hin, dass der sozial-ökologischen Forschung Schritt für Schritt der Garaus gemacht werden soll.

Tragende Säulen der betriebswirtschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Oldenburg waren bzw. sind seit Mitte der 1990 Jahre die Lehrstühle für „Produktion und Umwelt“ und „Betriebliche Umweltpolitik“. Seit 2003 wurde dieser Bereich durch das Fachgebiet „Ökologische Ökonomie“ erst als Juniorprofessur, später als ordentliche Professur verstärkt.

Schon seit geraumer Zeit manövriert die Universität Oldenburg hinsichtlich der Besetzungsverfahren des Lehrstuhls für „Produktion und Umwelt“ in sehr eigentümlicher Art und Weise. Die Professur, bis 2004 von Prof. Schneidewind verantwortet, wird seit nunmehr 12 Jahren vertreten. Aktuell laufen die Bewerbungsverfahren für die dritte Ausschreibung dieser Stelle. Es ist dabei nicht so, dass es keine geeigneten Bewerber gegeben hätte, wie die beiden bisherigen Bewerbungsrunden zeigen. Dass ein Kandidat im Jahr 2014 aus politischen, nicht aus inhaltlichen Gründen verhindert wurde, ist mehr als nur eine Randnotiz. Die Vorkommnisse deuteten schon zu diesem Zeitpunkt auf etwas, was sich nun weiter manifestiert und den anderen Lehrstuhl im Bereich der betriebswirtschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung betrifft: Die Professur soll abgeschafft werden.

Prof. Pfriem, seit gut zwei Jahrzehnten Vertreter des Fachgebietes „Betriebliche Umweltpolitik“ wird im kommenden Jahr pensioniert. Es ist an Universitäten der Normalfall, freiwerdende Professuren in dem entsprechenden Fachgebiet wiederzubesetzen, ggf. unter leichter Modifizierung der sogenannten Denomination, weil sich die Zeiten ja ändern (wofür sich im vorliegenden Fall Bezeichnungen wie „Nachhaltigkeitsmanagement“ oder „Unternehmensverantwortung“ / „Corporate Social Responsibility“ angeboten hätten). Es ist nicht der Normalfall, das Fachgebiet der scheidenden Professur gewissermaßen einzukassieren, um eine neue Professur mit einem neuen Fachgebiet zu schaffen.

An der Universität Oldenburg geht man andere Wege und will aus dem Fachgebiet „Betriebliche Umweltpolitik“ nun künftig schlichtweg eine „Professur für Management“ machen. Statt über ein wichtiges Zukunftsthema nachdenken zu wollen, scheint es der Universität angebrachter, über die nächsten zwanzig, dreißig Jahre eine traditionelle betriebswirtschaftliche Professur einzurichten – damit die Studierenden noch mehr Techniken für die Gewinnmaximierung von Unternehmen lernen?

Vertreter der Universität formulieren nach außen, dass man die Vorreiterrolle im Bereich der wirtschaftswissenschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung nicht aufgeben wolle. Doch was ist von derartigen Verlautbarungen zu halten, wenn die eine Nachhaltigkeitsprofessur seit mehr als einem Jahrzehnt nicht fest besetzt ist und die andere in eine traditionelle Managementprofessur umgewandelt werden soll? Viel „Talk“ wenig „Walk“ – so der sich aktuell aufdrängende Eindruck.

Die Universität Oldenburg ist eine „grüne Insel“ der Wirtschaftswissenschaften; ein wohltuender Ort, die dem Mainstream der Ökonomik nicht nur zufällig, sondern über eine systematische Stellenpolitik andere, zukunftsfähigere Ideen einer modernen Wirtschaftsweise entgegensetzt. Es ist zutiefst unverständlich, wieso diese Hochschule ihre Position im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung nun durch verschiedene politische Manöver aufs Spiel setzt. Dringende gesellschaftliche Probleme deuten mit allem Nachdruck darauf hin, Themen einer nachhaltigen Entwicklung in Forschung und Lehre zu stärken und nicht zurückzufahren. Während andere (nationale wie internationale) Universitäten zunehmend neue Professuren im Bereich Nachhaltigkeit, Unternehmensverantwortung und Wirtschaftsethik einrichten, will man in Oldenburg derartige Fachgebiete abschaffen.

Steht die wirtschaftswissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Oldenburg vor dem Aus? Es wird sich zeigen müssen, inwieweit die Verantwortlichen es ernst meinen mit ihrem „Talk“. Aktuell kann man die Entwicklungen in Oldenburg nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen.

Der Autor habilitierte sich 2007 an der Universität Oldenburg und ist seit 2011 Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St.Gallen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Thomas Beschorner

Thomas Beschorner ist Professor für Wirtschaftsethik und Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St.Gallen

Thomas Beschorner

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