Den Folterern zu Diensten

Polen Staatsanwälte untersuchen mit Hochdruck die Existenz von CIA-Gefängnissen auf polnischem Boden. Es geht um mögliche Verletzungen der nationalen Souveränität

Es ist das Jahr der Jubiläen in Polen, bei denen die Souveränität des Landes im Vordergrund steht. Am 1. September wird Polen den 70. Jahrestag des deutschen Überfalls gedenken. Ein Datum, mit dem nicht nur eine sechs Jahre währende deutsche Okkupation begann, sondern nach polnischem Verständnis auch der Verlust von Souveränität für die nächsten Jahrzehnte. Erst mit der Wende von 1989, als die Opposition der regierenden Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) am Runden Tisch halbdemokratische Wahlen abtrotzte, erlangte das Land zwischen Oder und Bug seine volle Souveränität wieder. Dies will man als "Freiheitsfest" am 4. Juni in Danzig feiern.

Aber die polnische Souveränität ist nicht nur Gegenstand nationaler Gedenkfeiern, sondern auch Tatbestand bei Ermittlungen der Warschauer Staatsanwaltschaft. Seit einem Jahr untersucht sie die Existenz von Geheimgefängnissen der CIA auf polnischem Boden. Dabei geht es auch um die Frage, ob durch die US-Aktivitäten die nationale Souveränität verletzt wurde. Es sind Ermittlungen, die von den Juristen viel Hartnäckigkeit abverlangen. Der eigene Auslandsgeheimdienst weigert sich, wichtige Dokumente zu übergeben. Andere Papiere wiederum, deren Existenz Mitglieder der Vorgängerregierung von Jarosław Kaczyński bezeugen, sind plötzlich verschwunden.

Verhöre in den Masuren

Dennoch, ergänzt durch die unabhängigen Recherchen der Tageszeitung Rzeczpospolita und des TV-Senders TVP Info, lässt sich mittlerweile rekonstruieren, welch wichtige Rolle Polen für die CIA spielte. Zwischen Dezember 2002 und Juli 2003 sind mehrfach Flugzeuge des CIA auf dem in den Masuren gelegenen Flugplatz Szymany gelandet, von wo aus Gefangene in das wenige Kilometer entfernte Örtchen Stare Kiejkuty weitertransportiert wurden. Dort diente den Amerikanern ein vom polnischen Geheimdienst zur Verfügung gestelltes Schulungszentrum als Gefängnis, in dem der CIA unter Anwendung von Folter seine Gefangenen, darunter den Chefplaner der Anschläge vom 11. September, Chalid Scheich Mohammed, verhörte.

Für die damalige linke Regierung von Premierminister Leszek Miller ist jedoch nicht nur die Existenz dieses Geheimgefängnisses belastend, sondern auch die Willfährigkeit, mit der sie den Amerikanern diente. Nach Presseangaben verschleierte sie nicht nur die Flüge des CIA, indem sie diese bei der internationalen Flugaufsichtsbehörde als Regierungsflüge deklarierte, sondern stellte dem US-Nachrichtendienst auch 20 polnische Geheimdienstleute zur Verfügung.

Jerzy Busek wiegelt ab

Das Geheimgefängnis in den Masuren wirft nicht nur Schatten auf die Amtszeit von Leszek Miller. Wie inzwischen bekannt wurde, war es sein Vorgänger Jerzy Buzek, der die amerikanische Folterstätte auf polnischem Boden erst möglich machte. Gleich nach dem 11. September 2001 bot der bürgerliche Regierungschef den USA Unterstützung im „Kampf gegen den Terrorismus“ an.

Doch Buzek bestreitet dies. „Es gab keine Vereinbarungen mit dem CIA“, erklärte er in dieser Woche auf einer Pressekonferenz. Ein Dementi, welches nicht neu ist. Auch Miller, sein Nachfolger Kaczyński sowie Ex-Präsident Aleksander Kwaśniewski weisen die Vorwürfe zurück oder hüllen sich einfach in Schweigen. Eine Reaktion, die leicht erklärlich ist: wer möchte schon zugeben – und dies noch während des Europawahlkampfs – dass er die schwer erkämpfte Souveränität ohne besondere Gegenleistung aufgab.

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