Vom Neo-Nazi zum TV-Direktor

Polen Die Personalpolitik des einstigen Rechtspremiers Jaroslaw Kaczyński schadet der Reputation des polnischen Staatsfernsehen. Doch die Regierung Tusk ist machtlos

Es sollte eine Gala werden, die von der Sendung TVP Kultura ausgestrahlte Verleihung der "Kulturgarantie". Doch Preisträger Wilhelm Sasnal, Polens bekanntester Maler der jüngeren Generation, sorgte für einen Eklat. Wegen der Lage beim polnischen Staatsfernsehen weigerte sich Sasnal den prestigeträchtigen Preis persönlich entgegenzunehmen. „Es war eine staatsbürgerliche Geste“, begründete der Künstler tags darauf in einem Interview für die Zeitung Gazeta Wyborcza seine Entscheidung.

Sasnal ist nicht der erste polnische Künstler, der auf diese Weise protestiert. Anfang April rief der Filmregisseur Krzysztof Krauze, unterstützt von unzähligen Kollegen, darunter dem Oscar-Preisträger Andrzej Wajda, der Regisseurin Agnieszka Holland sowie dem letzten noch lebenden Führer des Warschauer Ghetto-Aufstands, Marek Edelman, zum Boykott der öffentlich-rechtlichen Anstalt am 3. Mai auf, dem polnischen Nationalfeiertag.

Anlass für diese Proteste und Boykottaufrufe ist eine politische Altlast der Kaczyński-Ära. Im Mai 2006 wurde der damals 28-jährige Piotr Farfał, der politisch der nationalkonservativen Liga Polnischer Familien (LPR) nahe steht, als Konzession an den Koalitionspartner der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), zum stellvertretenden TVP-Direktor ernannt. Eine Position, die der Jurist auch nach der Wahlniederlage der Regierung des Premiers Jaroslaw Kaczyński vor zwei Jahren behalten konnte. Denn die PiS und ihre Koalitionäre verstanden es mit ihrem Mediengesetz, der jetzigen Regierung unmöglich zu machen, Einfluss auf die Personalpolitik bei TVP zu nehmen.

Doch bedauert Präsident Lech Kaczyński, der Bruder von Jaroslaw, mittlerweile, dass es dieses Gesetz gibt. Denn die ehemaligen Partner aus seligen Regierungszeiten, besagte LPR und die populistische Bauernpartei Samoobrona, die im heutigen Sejm nicht mehr vertreten sind, halten die Kommandohöhen bei TVP. Im Dezember 2008 sorgten sie dafür, dass TVP-Direktor Andrzej Urbański, ein Kaczyński-Mann, entlassen und Piotr Farfał zu seinem kommissarischen Nachfolger ernannte wurde.

Beliebt bei Skinheads

Eine Entscheidung, die wegen Farfałs politischer Vergangenheit mehr als umstritten ist. Bereits im Sommer 2006 wurde publik, dass der aus dem niederschlesischen Glogau stammende Jurist in seiner Jugend Herausgeber des Heftchens Front war. „Wir tolerieren keine Feiglinge, Denunzianten und Juden“, schrieb Farfał bereits mit 17 in diesem Blatt, das sich bei Neo-Nazis und Skinheads großer Beliebtheit erfreute. Ansichten, die Farfał während seines Jurastudiums auch in anderen rechtsradikalen Publikationen kundtat.

Heute stellt er sich dagegen als ein überzeugter Demokrat konservativer Prägung dar. In mehreren Zeitungsinterviews rühmt er sich, der erste TVP-Direktor seit Jahren zu sein, der die öffentlich-rechtliche Anstalt nicht zu einem Parteiorgan, sondern zu einem pluralistischen Medium mache. Eine Behauptung, die nichts mit der Realität zu tun hat. Gleich in den ersten Tages seiner Amtszeit hatte Farfał alle Schlüsselpositionen des Senders mit Mitgliedern der LPR und der ihr nahe stehenden Allpolnischen Jugend besetzt. Eine Umstrukturierung, die sich im Programm der Anstalt bemerkbar macht. Denn TVP ist der einzige Sender, der jüngst über die Gründung des polnischen Libertas- Ablegers berichtete, für die LPR-Politiker bei den anstehenden Europawahlen antreten. Auch wurde von TVP ein Interview mit deren Gründer, dem irischen Millionär und EU-Kritiker Declan Ganley, ausgestrahlt. Journalisten, die diese Berichterstattung kritisieren, wie zuletzt die bekannte Nachrichtensprecherin Hanna Lis, werden fristlos entlassen.

Arte beendet Kooperation

Wann die Ära Piotr Farfałs bei TVP endet, ist offen. Die Regierung von Premier Donald Tusk hat zwar bereits ein neues Mediengesetz erarbeitet, doch um es zu verabschieden, braucht sie im Sejm die Zustimmung der Opposition. Und ob sie die bekommt, ist fraglich. So kann Piotr Farfał weiter bei TVP schalten und walten, mit mittlerweile internationalen Konsequenzen. Wegen der rechtsradikalen Vergangenheit des Direktors hat bereits der deutsch-französische Sender ARTE die Zusammenarbeit mit TVP ausgesetzt. Weitere Kanäle könnten sich anschließen. Nach Angaben der Gazeta Polska soll Farfał während einer internationalen Konferenz in Südafrika, die Gastgeber als „schwarze Affen“ bezeichnet haben. Aussagen, die mit jedem Tag die innenpolitische Kritik an diesem Mann immer lauter werden lassen.

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