Konsul der Menschlichkeit

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Die Treppe steht voll. Voller Menschen. Es sind Seelen, die da warten. Und voller Hoffnung sind. Europa ist im Krieg. Überall herrscht die Pest des Todes. Und da, in Bordeaux, sitzt ein kleiner, schwarzhaariger Mann und stempelt und unterschreibt und stempelt und unterschreibt...

Lissabon nannte man den "Hafen der Hoffnung". Tausende von Migranten, Juden, Kommunisten, Homosexuelle, Sindhi und Romas und sonstige von den faschistischen Regimen Europas verfolgte, fanden sich in Lissabon ein, um eine Schiffspassage nach Brasilien, Mexiko oder ins gelobte Land, nach Amerika, zu erhaschen. Eindrucksvoll hat dies Erich Maria Remarque in seinem Roman "Die Nacht von Lissabon" beschrieben. Und auch im Film "Casablanca" geht es im eigentlichen nicht im die mediterrane Stasdt am Atlantik, sondern um die Flüchtlinge, die dort festsitzen und nicht weiter können, nach Lissabon, dem Hafen der Hoffnung. Diktator Salazar hingegen behagten die vielen Fremden in seinem Land nicht und doch, Verfolgungen von Juden oder anderen Flüchtligen, hat es in Portugal nicht gegeben.

Die Depeschen aus Lissabon sagen eindeutig: keine weiteren Pässe! Doch ihn interessiert das nicht, er stempelt und stempelt und stempelt, als fürchte er, mit jeder Seele, mit jedem Menschen, dem er den Pass nicht stempele, einen Schatz zu verlieren.

Aristides de Sousa-Mendes wurde 1885 in einer Gemeinde in Portugal geboren und enstammt dem mittleren, portugiesischen Landadel. In seiner Familie gab es schon mehrere Diplomaten und so war es nur opportun, dass auch Aristides die diplomatische Laufbahn einschlug. Sein Leben verlief in den üblichen Bahnen, als in den 40er Jahren schließlich die diplomatische Stelle kam, die ihn und das Leben von Tausenden veränderte: er wurde portugiesischer Konsul in Bordeaux. Während die Truppen der Wehrmacht immer weiter vorrückten, versuchte der Diplomat verzweifelt- durch das Ausstellen illegaler Pässe für Portugal- das Leben unzähliger Menschen, die die Stufen des Konsulats säumten, zu retten. Täglich machten er und seine Mitarbeiter unzählige Überstunden, um die vielen Anfragen zu bearbeiten. Man machte keinen Unterschied: ob der spätere Hollywood-Schauspieler Robert Montgomery, ein einfacher Rabbi oder eine verwitwete, junge Mutter, ob ein einfaches, älteres Ehepaar oder ein steinreicher Magnat, wer Hilfe von Aristides brauchte, bekam sie. Wochenlang, monatelang ging das gut. Die Depeschen aus Lissabon, vom Diktator persönlich unterschrieben, man möge den Zustrom durch die Einstellung der Vergabe von Pässen unterbinden, wurden ignoriert. Letztlich blieb Salazar nichts übrig, als Aristides abzusetzen und jemand anderen zum Konsul von Bordeaux zu machen.

Aristdes de Sousa-Mendes wurde am Ende nicht nur seiner Stellung als Diplomat beraubt, er starb völlig verarmt in einem einfachen Zimmer in Lissabon. Nur sein Adelstitel, aber kein Geld, war ihm geblieben. Er schloss 1954 für immer die Augen.

Sousa-Mendes sagte, er habe dies aufgrund seines katholischen Glaubens getan. Warum auch immer er es gemacht hat, er ist in Deutschland nahezu unbekannt und in Portugal begann man erst in den 80er Jahren, sein Werk zu würdigen. Anders als Raoul Wallenstein ist er nie eine Figur Hollywoods geworden, anders als Schindler kennt ihn hier kein Mensch. Obwohl er auch mehreren tausend Deutschen das Leben gerettet hat. Der Staat Israel würdigte ihn in Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern".

Ich habe diesen Artikel geschrieben im Zuge der Diskussion um die Diploamten des Dritten Reiches, die genau das Gegenteil von Sousa-Mendes machten und eher Menschen noch bis ins Ausland verfolgten. Sousa-Mendes hingegen hat den Ruf der Diplomatie weltweit mit seinem Engagement gerettet. Ich hoffe, dass er eines Tages in Deutschland bekannter sein wird.

Ende.

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