„Papa-Bashing sorgt für Lacher“

Interview Viele Väter werden von gluckenden Müttern oder sturen Chefs ausgebremst, sagt die Autorin Barbara Streidl
Ausgabe 38/2015

der Freitag: Frau Streidl, 2008 wurden Sie gemeinsam mit Susanne Klingner und Meredith Haaf als „Alphamädchen“ medial vermarktet – als junge Frauen, die sich vom Feminismus der alten Schule à la Alice Schwarzer abgrenzen wollten. Sieben Jahre später schreiben Sie plötzlich über Väter. Was ist passiert?

Barbara Streidl: Beim Erscheinen des Buches war ich 35 Jahre alt, von „Mädchen“ konnte also schon damals keine Rede mehr sein. Okay, meine Ko-Autorinnen waren ein bisschen jünger, aber den griffigen und eher ironisch gemeinten Titel hat unser Verlag gewollt, angelehnt an die „Alphagirls“ aus den USA. Schon damals ging es mir darum, Brücken zu bauen zwischen Frauen und Männern – für eine bessere Welt.

Geben Sie denn jetzt mit Ihrem neuen Buch die Männerversteherin?

Habe ich in vergangenen Publikationen meinen Fokus auf die Stärkung von Frauen gelegt, die vielerorts Benachteiligung erfahren, ist es für mich heute höchste Zeit, auch die Position von Männern zu bedenken. Ich habe zwei Söhne, die vier und sieben Jahre alt sind, und ich finde das Väter-Thema sehr wichtig. Es wird Zeit, dass die familienorientierten Männer endlich aus dem Schatten treten – aus dem Schatten der übermächtigen „deutschen Mutter“, wie sie Barbara Vinken in ihrem Buch eindrücklich beschrieben hat.

Barbara Streidl, Jahrgang 1972 und Mutter von zwei Kindern, arbeitet als Journalistin in München, unter anderem für den BR. Im Beltz-Verlag ist gerade Lasst Väter Vater sein – eine Streitschrift (168 S., 16,95 €) von ihr erschienen

Foto: Stephanie Füssenich

Was meinen Sie damit konkret?

Väter sind keine Mütter zweiter Klasse. Das heutige Vaterbild gleicht häufig einer Karikatur, der Vater ist da eine Art Witzfigur. Neben der anerkannten Mama-Huldigung sorgt ironisches Papa-Bashing auch 30 Jahre nach dem Bonmot von der „verbalen Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“ von dem Soziologen Ulrich Beck noch für sichere Lacher. Auch Papamonate und ein Vizekanzler, der zwölf Wochen Elternzeit genommen hat, haben da bisher wenig geändert.

Demnächst bekommt Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ihr zweites Kind – in Elternzeit geht dann ihr Mann. Das ist doch vorbildlich ...

Absolut, und daneben natürlich wunderbar gleichberechtigt. Schwesig ist bei ihrem ersten Kind in Elternzeit gegangen, noch bevor sie Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern wurde. Nun wird ihr Partner beim zweiten Kind zu Hause bleiben. Dahinter stecken aber auch rechtliche Gründe. Als Bundesministerin gibt es keinen Anspruch auf Elternzeit, das war auch schon bei Kristina Schröder so.

Der Anteil der Männer in Elternzeit ist seit Einführung der Vätermonate im Jahr 2007 von 3,5 Prozent auf mittlerweile über 30 Prozent gestiegen. Trotzdem gibt es in Teilen der Frauenpolitik eine vorherrschende Skepsis bezüglich der neuen Väter. Grenzen Sie sich davon ab?

Viele stören sich daran, dass drei Viertel der Väter nur zwei Monate der bezahlten Elternzeit nutzen. Das seien Mitnahmeeffekte, weil der finanzielle Anspruch auf 14 Monate bezahlte Elternzeit sonst verfalle. Ich finde, zwei Monate sind auch etwas wert – und besser als null Monate. Der Großteil der Väter möchte nach diesen zwei Monaten die Arbeitszeit reduzieren. Und darum geht es doch eigentlich. Die Betreuungszeit eines Kindes endet ja nicht mit eineinhalb Jahren. Daneben möchten auch viele Frauen mehr als zwei Monate beim Kind bleiben, um etwa länger stillen zu können – die wenigsten wollen gleich nach der Geburt wieder zurück in die Vollzeitbeschäftigung, so meine Beobachtung.

Und da stören engagierte Väter das neue Glück mit dem Kind?

Tatsächlich gibt es da Schwierigkeiten, vor allem bei den Frauen, die sich erst dann komplett weiblich fühlen, wenn sie Mütter sind. Deswegen fällt es ihnen oft schwer, auch nur einer kleinen Teil ihrer „neuen Vollständigkeit“ abzugeben, also das Baby vom Vater oder in einer Kitabetreuen zu lassen.

In Fachkreisen wird dieses Phänomen „maternal gate keeping“ genannt ...

Wenn außerdem noch eine Bindungsstörung dazu kommt, nennt man das so, ja. Diese Frauen sehen ihre Männer als Bedrohung und nicht als Partner in der Elternbeziehung. Umso wichtiger ist es, dass Paare schon deutlich vor der Geburt ihres Kindes sehr offen und nicht nur romantisch darüber sprechen, wer was machen möchte, wer sich was wünscht, und wo etwaige Sorgen liegen. Mit dem Kind kommen dann mit Sicherheit jede Menge vorher nicht diskutierte Überraschungen hinzu. Ich erinnere mich an eine Mutter von zwei Kindern, die auf die Bemerkung einer Nachbarin „Ihr Mann ist aber ein guter Vater“ sehr treffend geantwortet hat: „Das wusste ich aber vorher nicht.“

Liegen die wichtigsten Hindernisse für eine neue Väterlichkeit nicht in der Gesellschaft, vor allem in den Betrieben?

Klar, es geht keineswegs nur um Mütter, die Erziehungsfragen ganz allein entscheiden wollen. Nicht wenige Väter werden blockiert von sturen Chefs, die Kind und Karriere für unvereinbar halten. Aber einem Kind kann einfach nichts Besseres passieren als ein Vater, der Verantwortung übernimmt und nicht bloß Aufgaben. Die klassische Paarbeziehung, in der Väter wie Mütter an der Erziehung beteiligt sind und Männer keine Zaungäste sind, die ist doch immer noch weit verbreitet und erwünscht. Nach vielen Generationen abwesender Erzeuger und Ernährer ist es höchste Zeit für ein neues Vaterbild und die entsprechenden Veränderungen in Familie, Beruf und Gesellschaft.

Wie kommen wir dahin?

Wir müssen die verkrusteten Strukturen in der Arbeitswelt aufbrechen, in der Menschen mit Kindern teilweise betrachtet werden, als hätten sie eine unheilbare Krankheit. So wie Frauen an die gläserne Decke stoßen, weil sie im gebärfähigen Alter sind, stoßen Männer auf Vorurteile, wenn sie ihre Familienzeit im Betrieb geltend machen wollen. Wir leben in einer wahrhaft janusköpfigen Gesellschaft, die einerseits den angeblichen Gebärstreik der Akademikerinnen verurteilt, andererseits aber die betriebliche Familienfreundlichkeit nicht geschlechterübergreifend sichert.

Auffällig an Ihrem Buch ist der hohe Stellenwert des heiklen Themas Scheidungsväter – und das große weibliche Verständnis für die männliche Perspektive in diesem geschlechterpolitischen Minenfeld.

Ich lebe selbst in einer PatchworkKonstellation, mein Partner hat zwei inzwischen erwachsene Kinder aus einer früheren Beziehung. Ich habe meinen heutigen Mann als Vater kennengelernt. Seine sehr innige Beziehung zu seinen Töchtern ist das Ergebnis harter Arbeit: Er hat hartnäckig darum gekämpft, auch nach der Trennung Vater zu bleiben – nach hohen, selbst auferlegten Ansprüchen. Die meisten Scheidungskinder wachsen bei ihren Müttern auf und sehen die Väter nur an den Wochenenden, in den Ferien oder noch seltener. Und das liegt nicht immer an den Vätern.

Was ist Ihr Anliegen dabei?

Ich möchte einem gängigen Vorurteil widersprechen: Nicht alle Väter, die getrennt von ihren Kindern leben, weil die Beziehung zur Mutter gescheitert ist, haben diese zusätzliche Trennung gesucht. Sie haben sie in Kauf genommen. Deshalb sollten wir uns verabschieden vom Bild des verantwortungslosen Hallodris, der sich bei Nacht und Nebel davonstiehlt für neue, jüngere Beine und Brüste und seine Kinder dabei hinter sich lässt wie ein Paar löcherige Socken.

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