Es war mehr als ein Versprechen und deshalb so wichtig. Als „Pilotprojekt Testing“ sollten in Zusammenarbeit mit der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa sieben große Institutionen fürs Publikum öffnen. Zwei Konzerthäuser, zwei Opern, ein Club und zwei Schauspieltheater waren dafür ausgesucht, Publikum mit Tagestest und digitaler Ticketerfassung hereinzulassen in die mit Luftaustausch-anlagen nachgerüsteten Räume. Lückenbestuhlung und Maskenpflicht galten sowieso noch vom letzten Jahr. Den Auftakt machte am 19. März das Berliner Ensemble mit der Bühnenversion von Benjamin von Stuckrad-Barres Roman Panikherz, und die Karten waren weg in dem Augenblick, den es dauert, einen Computer einzuschalten. Intendant Oliver Reese schien tatsächlich das Herz zu rasen vor Glück. Und Karl Lauterbach hat ausnahmsweise mal nichts dazu gesagt. Wozu auch? An die Dutzend Studien haben inzwischen errechnet, dass die Infektionsgefahr in solch luftdurchströmten Räumen um vieles geringer ist als in Supermarkt und S-Bahn. Im Herbst, als die Theater noch spielten, war nicht ein Corona-Fall im Publikum gemeldet worden. Jetzt ist das Projekt über Ostern „ausgesetzt“ worden. Staatsoper und Deutsche Oper blieben zu, die Volksbühne, die mit einer Uraufführung für das Projekt eingeplant war, hatte zuvor schon wohl wegen ihrer anderweitigen Probleme abgesagt. Das Berliner Ensemble gilt vorerst als gefeierter Vorzeigefall, aber das ist einfach zu wenig. Die Konzeptlosigkeit der Politik im Umgang mit der Kultur hat inzwischen Herzinfarktniveau.
In Tübingen, inzwischen das Lieblingsthema aller Corona-Theoretiker, hatte das Landestheater schon am 16. März aufgemacht. 80 Leute können jeden Abend das Theater durch ein Schnelltestzelt betreten. Im Nachbarland Luxemburg sind die Theater seit Wochen wieder offen für maximal 100 Zuschauer. Und schaut man sich noch weiter weg um, erfährt man Erstaunliches. In Belgrad spielen die Theater fast normal, sagt der Bühnenbildner Aleksandar Denić.
Belgrad: Geimpft? Billiger!
Am Berliner Ensemble hat Denić vergangenes Jahr für Frank Castorfs Fabian das Bühnenbild gemacht, dessen Premiere gerade zum dritten Mal verschoben wurde. In Belgrad könnte er jeden Tag ins Theater gehen. Für den Einlass reicht wie in der Anfangszeit von Corona ein Temperaturtest an der Tür. Wer seine Impfbescheinigung mitbringt – Serbien gehört zu den Schnellen –, kriegt sogar eine Ticketermäßigung. Nur, um 21 Uhr muss alles vorbei sein und die Leute von der Straße weg.
Jetzt hat eine Gruppe von Künstlern und Intendanten der Initiative „Aufstehen für die Kunst“ eine Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Korrekt, denn das geht nur auf Länderebene, auch wenn die Beschlüsse nachts irgendwo im virtuellen Raum ums Kanzleramt gefällt werden. Das Veranstaltungsverbot sei rechtswidrig. Dabei geht es nicht nur um die Freiheit der Kunst und deren Ausübung, sondern vor allem darum, dass die „Untersagung jeglicher Kulturveranstaltungen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 auch nicht notwendig“ ist. Die Kläger verweisen auf die wissenschaftlichen Studien zu Hygiene- und Schutzkonzepten. Kurz: Die zu Beginn der Pandemie ergriffenen Pauschalmaßnahmen sind heute nicht mehr zu rechtfertigen. Was in Berlin „ausgesetzt“ wurde, könnte in Bayern nun auf höherer Ebene zu einer juristischen Bewertung führen, die es bislang nicht gegeben hat. Panikherz!
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