Mission erfüllt

Nachruf Mit den besten Stücken die Zeit spiegeln: In einer schwankenden Berliner Republik hat Thomas Langhoff den künstlerischen Rang des Deutschen Theaters erhalten

Als der noch junge Ulrich Mühe 1983 zur Wiedereröffnung der Kammerspiele des Deutschen Theaters im gleißenden Schlussbild von Ibsens Gespenstern beinahe zu verglühen schien, war man sich einig: Hier war das feinste Gespür für die Schauspieler am Werk, als ob das Stück – mit Inge Keller als Frau Alving – eigens für diese geschrieben worden wäre. Es war ein Triumph für den Regisseur und wurde Thomas Langhoffs am längsten laufende Inszenierung. 166 meist ausverkaufte Vorstellungen, die den Ruf eines Meisters des psychologischen Realismus begründeten, den er mit seinem Theater bis zuletzt bestätigte.

Die Quellen für diese Kunst lagen nicht allein im väterlichen Erbe von Wolfgang Langhoff, der das Deutsche Theater der Nachkriegszeit bis zu seiner schmählichen Absetzung 1963 prägte. Gleichwohl konnte der 1938 in Zürich geborene Thomas darin wie in einer Kinderstube aufwachsen, wurde Schauspieler, zunächst in Potsdam, dann beim Fernsehen – und fand dort seinen Weg zur Regie. Die Literaturverfilmung, mehrfach nach Fontane-Vorlagen, war in den späten siebziger Jahren die eigentliche Schule für den Stil der genauen Figurenerkundung als Grundlage für das hellwache Erzählen einer Geschichte am Theater.

Endspiel der DDR

In den verbleichenden Hoffnungen von Maxie Wanders Gegenwartsfrauen in Guten Morgen, du Schöne artikulierte sich in Langhoffs Verfilmung von 1979 früh die schleichende Stagnation der DDR. Im selben Jahr inszenierte er Tschechows Drei Schwestern am Berliner Maxim Gorki Theater; aus dieser Inszenierung heraus schrieb Volker Braun seine Übergangsgesellschaft – von Langhoff als erregendes Endspiel der DDR kurz vor ihrem tatsächlichen Finale inszeniert. Wer den roten Faden Langhoffs straffen will, hier ist er – in später, rascher Spannung.

Als er 1991 seinem Vater in das Amt des Intendanten nachfolgte, stand das Deutsche Theater zwar nicht vor einem Neuanfang, aber doch vor der Frage, wie sich dessen Tradition erneuern ließe. Langhoff bekannte sich zu Max Reinhardts Tradition eines Schauspielertheaters, das mit den besten Stücken die Zeit spiegeln muss, und wollte das Ensemble der goldenen achtziger Jahre zusammenhalten und behutsam mit Neuen durchmischen. Der Emigrantensohn holte den früheren Kollegen Alexander Lang an sein Theater zurück, warb um Jürgen Gosch und Einar Schleef (die einst Ost-Berlin verlassen mussten) und spielte erstmals Peter Handke und Botho Strauß, dessen Ithaka er selbst 1997 entgegen Strauß-kritischer Vorbehalte mit Erfolg inszenierte.

Neue Intensität

Wem das zu sehr nach entschlossener Wiedervereinigungsaufarbeitung in der eigenen Generation aussieht, der sei daran erinnert, dass der Intendant Langhoff, 1992 eher unbemerkt, die nachmals legendäre „Baracke“ fürs kleine Format des jungen Theaters einrichten ließ. Als Thomas Ostermeier und Jens Hillje den Container übernahmen, war das der Beginn einer Geschichte, die das Theater in ganz Europa veränderte, mit einer Intensität von neuer Dramatik im Theater, die der 60jährige Hausherr geschickt beförderte, ohne dafür extra auf dem Programmzettel zu stehen.

Im Grunde war damit die wichtigste Mission erfüllt, in dieser noch schwankenden Berliner Republik dem Deutschen Theater zwischen Tradition und Novitätenversessenheit – nicht zu vergessen der lautstarke Aufstieg von Castorfs Volksbühne daneben – seinen künstlerischen Rang erhalten zu haben. Der Berliner Kultursenator glaubte indes, mehr verlangen zu müssen, und schickte Langhoff nach zehn Jahren davon, was dieser als große Demütigung empfand. Der nun erstmals wirklich vagabundierende Regisseur (in Salzburg und München längst bekannt) schenkte dem Theater noch bis vor kurzem – gleichsam zum Abschied lief sein Kirschgarten am Berliner Ensemble letzten Samstag – die für ihn charakteristischen Inszenierungen. In denen will man das große Gleißen aushalten, ganz angezogen vom Leben der Figuren.

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