Clash der Eliten

Kommentar Tony Blair contra BBC

Noch vor einer Woche hatte der Blair-Vertraute Peter Mandelson hinter den Kulissen einen Waffenstillstand mit der BBC aushandeln wollen. Dass er erfolglos blieb, ist für britische Verhältnisse ungewöhnlich - warum funktioniert das Statusbewusstsein des britischen Establishments nicht mehr, das auf exklusiven Privatschulen anerzogen und durch die Beziehungen des "Old-Boys-Network" gepflegt wird? Im Moment scheint davon wenig übrig. Es geht in der Affäre um den Tod des Waffenspezialisten David Kelly aber bei weitem nicht nur darum, ob der BBC-Journalist Gilligan nun recht hat. Es geht nicht um Quellen, sondern um Macht.

Die Ursache des Konflikts liegt in einer merkwürdig verschobenen parteipolitischen Szenerie. Großbritannien kamen in sechs Jahren New Labour etliche demokratische Mechanismen abhanden, weil es keine wirkliche Opposition mehr gibt. Die Konservativen haben einfach nicht das Format, um Blair von rechts gefährlich zu werden. Blair sei der konservativste männliche Premier seit 1945 kommentierte jüngst der Guardian. Und die Linke in der Labour Party war bis zum Beginn des Irak-Krieges marginalisiert, woran die Millionendemonstrationen im Februar und März nichts ändern konnten.

Was Blair jetzt so ungeheure Probleme bereitet, ist das Zusammentreffen dieser politischen Anomalie mit der so offensichtlichen Verlogenheit seiner Position in der Frage der Kriegbegründung: Es ist nicht einmal vorrangig das sture Schema des "America first", dass soviel Ablehnung hervorruft, sondern vor allem die verlogene PR-Strategie des "positive spin" in der Kelly-Affäre - das sprachliche Lavieren, das Taktieren, die Demagogie, von der rechte wie linke Kritiker erkennbar angewidert sind. Und eine Gruppe von Journalisten in der BBC hat nun wohl oder übel die Rolle von Sprechern der Opposition gegen New Labour übernommen. Das ist zwar ungewöhnlich, aber durchaus nachvollziehbar. Zum ersten Mal haben sich die politischen Eliten derart polarisiert, weil die strategische Orientierung Großbritanniens heftig umstritten ist und das Gefühl vorherrscht, ein Kompromiss zwischen einer weiteren Europäisierung der Außenpolitik und dem atlantisch-angelsächsischen Kampfbündnis ist kaum mehr möglich. Da diese Auseinandersetzung nicht in gebotenem Maße parlamentarisch geführt werden kann, ist eine Art Stellvertreterkrieg zwischen BBC und Downing Street ausgebrochen.

Wer diesen Kampf gewinnt, hängt allerdings in großem Maße vom Ausgang der Untersuchung ab, die Lordrichter Hutton zum Tode David Kellys führt. Im Moment sieht es für die Blair-Getreuen nicht gut aus: Blairs Propagandachef, Alastair Campbell, ist dabei seinen Hut zu nehmen, und Verteidigungsminister Hoon steht im Kreuzfeuer der Kritik wegen der Art und Weise, wie sein Ministerium Kelly zum Abschuss für die rechte Presse freigab.

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