Pass-Spiel mit dem Terror

Kommentar Blair, Bush und Istanbul

Als England am Wochenende Rugby-Weltmeister wurde, konnte man Tony Blair seit langem wieder einmal ein Lächeln lächeln sehen. Das Land könne stolz sein auf die Jungs, sagte er in die Kameras. Stolz dürfen sich - nach des Premiers Worten - auch die Familien der Briten fühlen, die bei den Anschlägen auf das britische Konsulat und die HSBC-Bank in Istanbul umkamen. Doch darüber zeigt sich das Land tief gespalten, was nichts mit den Familien der Opfer zu tun hat, sondern mit anhaltender Skepsis gegenüber der Bush-Blair-Doktrin.

Sofort nach den Anschlägen rollte die PR-Maschine an. Auf der Pressekonferenz, die Blair und Bush Stunden nach den Attentaten gaben, kursierte bereits ein Dokument, das den Medien zeigen sollte, wie viele Nationalitäten unter den Opfern bisheriger Anschläge waren. Die Botschaft war eindeutig: Terroristen töten ohne Unterschied. Es gibt keinen sozialen oder politischen Kontext, der diese Taten auch nur erklären kann. Deshalb - schnitt Blair einem Reporter die Frage ab - könne es auch gar keinen Zusammenhang geben zwischen der Irak-Invasion und dem Terror. Dennoch, betonte er dann mit einer nicht nachvollziehbaren Logik, bleibe der Irak der "Hauptkampfplatz im Krieg gegen den Terror". Mit dieser Beschwörung hat sich Blair wieder einmal mit der Kompromisslosigkeit Bushs identifiziert. Akzeptiert man dies, gibt es - wie auf dem Rugby-Feld - nur Sieg oder Niederlage. Und sämtliche politischen und militärischen Akteure werden entweder zu Mitspielern oder Gegnern, die den Ball hin- und herspielen, um zu gewinnen. Wobei ihnen jedes Mittel recht sein darf.

Aber der erneute Schwur auf die "unverbrüchliche Freundschaft" zu den USA ändert nichts daran, dass die Widersprüche in der Außenpolitik Blairs offensichtlich bleiben. Das Schicksal der illegal in Guantanamo Bay inhaftierten Briten ist auch nach dem Bush-Besuch ungeklärt. Die Zölle, die von den Amerikanern seit kurzem einseitig auch auf britischen Stahl erhoben werden, seien "diskutiert" worden, heißt es kleinlaut im Kommuniqué - kaum zwei Sätze nach der hymnischen Beschwörung der special relationship zwischen beiden Nationen. Kein überzeugendes Indiz für die Sorge um moralische oder um welche Grundsätze auch immer.

Da ist es kein Wunder, dass die britische Friedensbewegung an einem Werktag 100.000 Leute auf die Straße bringt, um George Bush in London zu "begrüßen". Sie lehnt Blairs Moralabsolutismus entschieden ab. Mehrere Redner der Anti-War-Coalition ließen denn während der großen Kundgebung im Trafalgar Square auch keinen Zweifel an ihrem Stolz auf die wachsende Zahl der Briten, die ihre Gegnerschaft zu Blair öffentlich zeigen. Das die Engländer unter ihnen stolz sind auf ihr Rugby-Team - besonders natürlich auf Jonny Wilkinsons spektakulären Führungstreffer in der letzten Spielminute - steht dazu nicht im Widerspruch.


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