Eigensinnige Auslegungen

OSTDEUTSCHE UND GRUNDGESETZ Drei unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen kämpfen um die Deutungsmacht
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Es ist ein Irrtum anzunehmen, daß DDR-Bürger bis 1989 keinen Anlaß hatten, sich zur Verfassung des anderen deutschen Teilstaates in Beziehung zu setzen. Dieses Grundgesetz hat durchaus als Zwang oder als Anregung, sowohl selbstbestimmt wie organisiert, eine Rolle gespielt. Zum Beispiel als es um die Notstandsgesetzgebung der Bundesrepublik ging. Damals ist viel Fußvolk der DDR auf den Straßen gewesen - organisiert -, wenn auch ohne Vorstellung, was davon wie auf die eigenen Belange zurückwirken könnte. Bei den Unzufriedenen, den Reisefreudigen, den Dissidenten der späten achtziger Jahre, wußte man hingegen - selbstbestimmt - die liberalen Positionen dieses Grundgesetzes - Meinungsfreiheit, freie Wahl des Lebensortes etc. als Leitbild zu nutzen.