Wird Gentechnik dereinst bei der Entwicklung nachhaltiger Landwirtschaftssysteme eine Rolle spielen? Viele WissenschaftlerInnen, Behörden und vor allem die großen Agrokonzerne glauben dies. Die Gentechnik verspricht, die Erträge zu steigern und gleichzeitig den Einsatz von Agrochemikalien zu vermindern. Ich will auf die Begründetheit dieser Hoffnung nicht im Detail eingehen, mein Hauptargument gegen diese Sichtweise liegt auf einer anderen Ebene: Die nachhaltige Landwirtschaft ist ein prinzipiell anderes Landwirtschaftssystem als die konventionelle Landwirtschaft, und die Gentechnik ist ein integraler Teil letzterer. Es handelt sich um gegensätzliche Paradigmen, die nicht miteinander vereinbar sind.
Konventionelle Landwirtschaft
Das wissenschaftlichen Paradigma der konventionellen Landwirtschaft gründet in der experimentellen Biologie. Das Landwirtschaftssystem ist darauf ausgerichtet "erwünschte" Eigenschaften von Pflanzen und Tieren zu verstärken. Das wichtigste Ziel ist es, möglichst viel zu produzieren bei möglichst geringen Kosten; die Wissenschaft orientiert sich darauf, den Output stetig steigern zu können. ForscherInnen haben erfolgreich immer neue Hochleistungstiere und Hochertragspflanzen hergestellt, Gentechnik ist auf dieser Straße einfach eine neue Leitplanke, viele sehen sie als folgerichtigen "nächsten Schritt" in der langen Geschichte der Pflanzen- und Tierzucht.
Die wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte werden jeweils durch das Management-Paradigma der Agro-Ökonomie gefiltert, das aus einem Set von "best management practices" als Grundlage für erfolgreiches und profitables Operieren besteht. Gemäß den Regeln der neoklassischen Ökonomie wird die optimale Effizienz und der höchste Profit durch ein Ausbalancieren der vier Produktionsfaktoren Land, Arbeit, Kapital und Management erreicht. Dieses Produktionsmodell orientiert sich primär am Produkt als dem Gegenstand von Beobachtung, Analyse, Experiment und Intervention. Die LandwirtInnen und die Bauernhöfe werden von der konventionellen Landwirtschaft weitgehend ignoriert. LandwirtInnen werden auf die Funktion von Arbeitnehmenden reduziert, deren Aufgabe es ist, die aufgestellten Produktionsvorschriften genau zu befolgen. Bauernhöfe sind einfach Produktionsstätten, sie sind ohne lokalen Bezug und frei von sozialen Komponenten. Industrialisierung ist der Motor hinter dieser Art der landwirtschaftlichen Produktion.
Nachhaltige Landwirtschaft?
Es gibt hunderte von Definitionen für Nachhaltigkeit; gemeinsam ist aber allen, dass sie die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Sozialverträglichkeit eng miteinander verbinden. Bei der nachhaltigen Landwirtschaft wird das Primat der maximalen Produktion durch ein Set von Umwelt- und Sozialanforderungen gefiltert. Die gemeinschaftliche Lösung, nicht der ökonomischer Wettbewerb ist das soziale Fundament einer nachhaltigen Entwicklung.
Bei der nachhaltigen Landwirtschaft geht es in erster Linie um Problemlösungen. Ökologische Methoden zielen nicht auf eine maximale Ertragssteigerung ab, sondern sie identifizieren und regeln Produktionsprozesse, die "optimal" sind. Der Begriff "zivile Landwirtschaft" trifft die Problem-Lösungs-Grundlage der nachhaltigen Landwirtschaft exakt. Zivile Landwirtschaft bezieht sich auf die Entstehung und das Wachsen einer lokal verankerten Landwirtschaft und auf eine Lebensmittelproduktion, die nicht nur die Nachfrage der KonsumentInnen nach frischen, gesunden und lokal produzierten Lebensmitteln befriedigt, sondern auch Arbeitsplätze schafft, unternehmertische Initiative ermutigt und die lokale Identität verstärkt. Zivile Landwirtschaft bringt Produktions- und Konsumaktivitäten innerhalb von Gemeinden zusammen.
Aus diesem Grund gehorchen konventionelle und nachhaltige Landwirtschaft zwei grundsätzlich nicht zu vereinbarenden Paradigmen. Auch wenn es Schnittpunkte zwischen der experimentellen und der ökologischen Biologie gibt, so sind doch der reduktionistische Charakter der ersteren und der System-Fokus der letzteren kaum miteinander zu versöhnen. Angesichts dieser fundamentalen Unterschiede zwischen der konventionellen und der nachhaltigen Landwirtschaft ist in Zukunft nicht eine Annäherung, sondern die Herausbildung gegensätzlicher Systeme der Lebensmittelproduktion zu erwarten.
(*) Thomas A. Lyson ist Professor an der Cornell University, Department of Rural Sociology, USA. Der vollständige Artikel ist in der Zeitschrift Trends in Biotechnology Vol. 20, No 5, 2002, S. 193. zu finden
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