Wenn Vermieter Briefkästen aufbrechen

Gentrifizierung Wenn Vermieter verhindern, dass Mieter Post bekommen, kann es schnell zu Existenznöten kommen. Ein Lehrstück für Gentrifizierung aus Berlin.

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Vermieter wollen Kasse machen. So weit so gut und auch völlig in Ordnung. Solange sie sich an Recht und Ordnung halten. Was sich jedoch in der Berliner Korsörer Straße abspielt, ist ein Krimi, der seinesgleichen sucht.

Ein Mieter soll ohne vorherige Kündigung des Mietverhältnisses zwangsgeräumt werden. Vielleicht ist ihm ja auch die Wohnung gekündigt worden, aber davon wurde er einfach nicht in Kenntnis gesetzt oder konnte gar nicht benachrichtigt werden. Das Verschulden dafür aber liegt alleine bei der „Investorengemeinschaft“, beziehungsweise bei der beauftragten Hausverwaltung.

Bereits am 11. November 2014 schrieb der betreffende Mieter eine E-Mail an besagte Hausverwaltung, dass am Vortag von der Hausverwaltung beauftragte Handwerker seinen Briefkasten abgerissen hatten. Dabei wurde der Briefkasten übrigens auch rechtswidrig aufgebrochen. Zwar bekam er am selben Tag von der Hausvewaltung einen neuen Briefkasten zugewiesen, allerdings passte bereits am nächsten Morgen der dazugehörige Schlüssel nicht mehr. Außerdem war ein anderer Name an dem ihm zugeteilten Briefkasten angebracht.

In seiner E-Mail bittet der Mieter um die Zuweisung eines Briefkastens, die Aushändigung der passenden Briefkastenschlüssel und bietet sogar an, selbst einen Briefkasten zu montieren, wenn ihm dafür ein Platz zugewiesen wird. Er hat mehr als guten Willen bewiesen.

Dass es auch einer gehörigen Portion Geduld bedurfte zeigte sich, als endlich Ende März 2015!!! eine Antwortmail von der Hausverwaltung kam. Diese hatte angeblich erst von der Reinigungsfirma erfahren, dass der Mieter für die Briefträger ein Schreiben angebracht hatte, in dem er darauf hinwies, dass er zu keinem Briefkasten Zugang hätte. Nun würde man ihm doch gern einen Schlüssel aushändigen. Allerdings war der besagte Mieter zu jener Zeit in einer Reha, also selten zuhause.

Ein Nachbar erklärte sich bereit, den Schlüssel stellvertretend entgegen zu nehmen und ihn dem Mieter auszuhändigen. Die Hausverwaltung bestand auf einer Quittierung des Schlüssels. Im April!!! kam es dann zur Übergabe eines Briefkastenschlüsses an den Nachbarn des Mieters, er passte an keinen vorhandenen Briefkasten.

Da der besagte Mieter schwerbehindert und somit darauf angewiesen ist erreichbar zu sein, hatte er in der Zwischenzeit einen Büroservice mit der Entgegennahme seiner Post beauftragt. Auf seine Kosten. Sowohl der Investorengemeinschaft, der das Haus gehört, als auch der Hausverwaltung teilte er die Adresse mit, an die sie ihre Post schicken können.

Die angebliche Kündigung gegen den Mieter wurde wohl am 27. Oktober 2014 ausgesprochen, hatte jedoch den Mieter nie erreicht. Dies könnte daran liegen, dass die Hausverwaltung selbst die Briefkästen aufbrach. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. An einem anberaumten Gerichtstermin konnte der Mieter nicht teilnehmen, weil er von dem Termin schlichtweg nicht in Kenntnis gesetzt worden war. Wieder aufgrund der fehlenden Möglichkeit, an seine Post zu kommen, diese wurde auch nicht an den von ihm beauftragten Büroservice gesendet. Von der Möglichkeit, ihn darüber per E-Mail zu informieren wurde kein Gebrauch gemacht. Seine E-Mailadresse war aber allen Seiten bekannt. Durch das unverschuldete Fehlen des Mieters erging daher am 10. Juni ein Versäumnisurteil, welches nun die Räumung des Mieters zum 01.10.2015 zur Folge hat.

Eine Anfrage des Mieters vom 10. Juni 2015 beim Amtsgericht Berlin-Mitte, welche Schriftsätze nicht zustellbar waren, ergab, dass es bereits zwei Schriftsätze (in anderen Sachen) gab, von denen eins bereits Anfang des Jahres 2015 nicht zugestellt werden konnten. Man wusste also, dass dem Mieter, der aber an dieser Adresse gemeldet ist, aus irgendwelchen Gründen keine Post zugestellt werden konnte! Die besagte Anfrage wurde übrigens am 17. Juni 2015 von demselben Obergerichtsvollzieher beantwortet, der am 05. September den Mieter über die Räumung am 01. Oktober informierte. Diese Information kam dann übrigens schon per E-Mail. Plötzlich weiß man, wie man den Mieter erreicht.

Fazit: Ein Vermieter spricht angeblich eine Kündigung aus, lässt dann dem Mieter den Briefkasten abreißen um einen Tag danach eine Räumungsklage einzureichen, verhindert dann auch weiterhin, dass er Post bekommt und dass er auf Post reagieren kann… Ein guter Weg, Mieter aus ihren Wohnungen zu klagen. Wenn man dazu noch bedenkt, dass das Haus in einer sehr guten Lage liegt, die Wohnungen sich bestens verkaufen lassen, bereits von Wohnungsdurchbrüchen die Rede ist um größere Wohnungen zu schaffen und auch andere Mieter des Hauses von ähnlichen Erfahrungen berichten, kann man sich denken, was hier gespielt wird.

Alle Beweisunterlagen wie eidesstattliche Versicherungen, Korrespondenz mit Gericht und Gerichtsvollzieher, der Vermietergesellschaft (bzw. deren Vertreter) sowie Beweisfotos liegen dem Autor vor.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Thomas Matzka

Mitglied der Piratenpartei, Querdenker, Freigeist, Autor humoristischer Kurzgeschichten

Thomas Matzka

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