Die legendäre Lulu

Nachruf Die Schauspielerin Susanne Lothar ist mit nur 51 Jahren gestorben. Ohne Allüren brillierte sie in Michael Hanekes Filmen ebenso wie in Peter Zadeks Inszenierungen
Susanne Lothar, 1960 - 2012
Susanne Lothar, 1960 - 2012

Foto: Johannes Eisele/ AFP/ Getty Images

Susanne Lothar eine Schönheit zu nennen, wäre verkehrt. Sie hatte ein ausdrucksvolles, ein interessantes Gesicht, das aber meist ein wenig verquält wirkte. Sie machte auch keine Anstrengungen, schöner aussehen zu wollen, als sie eben war. Sie war Schauspielerin mit Leib und Seele. Wenn die Rolle es verlangte, musste die Eitelkeit nachgeben. Unvergesslich die verhärmte, gedemütigte Hebamme, die sie in Michael Hanekes preisgekröntem Film Das weiße Band gespielt hat. Schon zuvor war sie, neben Ulrich Mühe, in Hanekes erster Version von Funny Games bis ans Äußerste bei der Darstellung erlittener Gewalt gegangen. In Hanekes Verfilmung von Elfriede Jelineks Roman Die Klavierspielerin ist sie an der Seite von Isabelle Huppert zu sehen.

Susanne Lothar war die Tochter zweier charismatischer Schauspieler, des mit 37 Jahren verstorbenen Hanns Lothar und von Ingrid Andree, die auf der Bühne und im Film vor allem der fünfziger und sechziger Jahre zu den beliebtesten Stars zählte, sie war die Frau des Schauspielers Ulrich Mühe, der vor fünf Jahren nur 54-jährig an Krebs starb , und sie war selbst eine charismatische Schauspielerin. Jetzt ist Susanne Lothar mit gerade 51 Jahren gestorben.

Zumindest ebenso überzeugend wie im Film war sie auf der Bühne präsent. Bei den Salzburger Festspielen 1990 hat Thomas Langhoff die Titelrolle in Grillparzers Jüdin von Toledo mit ihr besetzt und die schwierige Figur eines als kaum noch spielbar geltenden Dramas wiedererweckt, sie zu einer Zeitgenossin gemacht, die das Klischee der sinnlichen, aber gefährlichen „schönen Jüdin“ kritisch herbeizitiert und zugleich verkörpert.

Peter Zadek, der nicht leichtfertig war bei der Wahl seiner Mitarbeiter, liebte diese zugleich laszive und zarte, diese nervös vibrierende, stets gefährdet erscheinende Menschendarstellerin. Sie wurde seine Lulu, eine Rolle, mit der sie sich, an der Seite von Ulrich Wildgruber, einen festen Platz in der deutschen Theatergeschichte erobert hat. Die Inszenierung stand vier Jahre lang auf dem Spielplan des Hamburger Schauspielhauses. Schon zuvor hatte sich Susanne Lothar in Musik in der Regie von Dieter Giesing als begnadete Wedekind-Interpretin profiliert. Sie spielte aber auch in den englischen Stücken Ab jetzt von Alan Ayckbourn und Gesäubert von Sarah Kane – beides in der Regie von Peter Zadek.

Luc Bondy wollte ebenfalls auf Susanne Lothar nicht verzichten. In seiner Inszenierung, der Uraufführung von Yasmina Rezas Drei Mal Leben konnte sich Susanne Lothar von ihrer komisch-grotesken Seite zeigen. Die Fernsehzuschauer kennen sie aus mehreren Tatort-Folgen und zahlreichen anderen Produktionen.

Susanne Lothar repräsentiert wie kaum eine die mittlere Schauspielergeneration, die frei ist von den Allüren der älteren Theaterstars, aber noch nicht total der Verführung des Fernsehens erlegen. So wenig sie um TV- und Film-Angebote bangen musste – die Bühne war für sie stets eine Herausforderung, auf die sie nicht verzichten wollte.

Susanne Lothar hinterlässt zwei Kinder, die sie mit Ulrich Mühe hatte.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden