Würde man für den Konsumentenschutz die gleichen Beträge ausgeben wie für die Werbung, sähe unsere Welt anders aus. Die Verteidiger des bestehenden asymmetrischen Systems erklären, ohne Werbung bräche die Wirtschaft zusammen. Die ethische Infragestellung der „geheimen Verführer“, die selbst von ihren Repräsentanten vor ein paar Jahrzehnten noch formuliert wurde, findet nicht mehr statt. Eher ist man bereit, Verhältnisse, die den Tatbestand des Betrugs wenn nicht erfüllen, so zumindest streifen, zu akzeptieren, eher ist man willens, auch schädliche Produkte profitabel in Umlauf zu bringen, als die Konsumenten vor Gefährdungen und Bauernfängerei wirksam zu schützen. Skrupellosigkeit gilt als Ausweis lobenswerter Geschäftstüchtigkeit.
In dieser Situation müssen wir hier als Konsumentenberater einspringen.
Fälle 1 und 2
Wer mit dem Flugzeug in Wien/Schwechat ankommt, wird dort mit aggressiver Werbung dazu angeleitet, mit dem halbstündlich verkehrenden CAT – dem City Airport Train – ins Stadtzentrum zu fahren. Für die einfache Fahrt nach Wien Mitte, die 16 Minuten dauert, bezahlt man am Automaten pro Person 10 Euro. Dabei käme der Besucher mit der im gleichen Takt abfahrenden S-Bahn für 3,40 Euro an dieselbe Station – in 25 Minuten, also 9 Minuten später. Mehr noch: mit dem Fahrschein der S-Bahn kann er auf sämtliche S- und U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse des Verkehrsverbunds Ostregion umsteigen und bis an sein endgültiges Ziel innerhalb von Wien weiterfahren.
Kommt er mit dem CAT an, muss er ein weiteres Ticket lösen, wenn er nicht gerade nach Wien Mitte, das zwar so heißt, aber einen guten Kilometer vom zentralen Stephansplatz entfernt ist, möchte. Die S-Bahn jedoch verzichtet darauf, eintreffende Reisende am Flughafen zu informieren. Ein versteckter Monitor zeigt jeden zweiten Zug als RSB (Regionalschnellbahn) zum Südbahnhof an. Wer soll da erraten, dass der über Wien Mitte und Floridsdorf in einer großen Schleife dorthin fährt? Wer soll begreifen, dass die S 7, als „Flughafenbahn“ propagiert, stadteinwärts S 8 heißt? Am Flughafen und am schlecht ausgeschilderten Bahnhof der S-Bahn gibt es keinen Informationsschalter, keinen lebenden Menschen, der Auskunft erteilen könnte, nur ein paar unzureichende Aushänge und Automaten, bei deren umständlicher Bedienung man dem abfahrenden Zug nachwinken kann.
Ähnlich verhält es sich an manchen anderen Orten, zum Beispiel in Edinburgh. Kommt man in der schottischen Hauptstadt an, so wird man beschieden, dass die einzige Möglichkeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Stadtzentrum zu gelangen, der Airlink Bus sei und dass Tagesfahrkarten nicht erhältlich seien. Für diesen Flughafenbus bezahlt man 3,50 Britische Pfund pro Fahrt und Person. Wenn man dann mit einem anderen Bus an sein endgültiges Ziel weiterfährt, muss man noch einmal 1,20 Pfund bezahlen oder kann ein Tagesticket für 3 Pfund lösen, das zu beliebig vielen Fahrten innerhalb von 24 Stunden berechtigt. Dass es am Flughafen auch eine Haltestelle der ganz normalen Buslinie 35 gibt, dass auch diese in die Stadt fährt und man in ihr ein Umsteigeticket für 1,20 Pfund oder von vornherein ein Tagesticket für 3 Pfund lösen kann, verschweigt das Unternehmen Lothian Buses, das auch den profitablen Airlink betreibt.
Fazit: der willkommene Tourist verpulvert am Ankunftstag 6,50 statt 3 Pfund pro Person. Gemessen am Wiener CAT ist er vergleichsweise günstig dran, aber beschmiert darf er sich schon fühlen.
Fall 3
Über ebookers.com Deutschland habe ich einen Mietwagen gebucht – mit voller Versicherung, bei einer Selbstbeteiligung bis zu 650 Pfund. Wenn man vierzig Jahre ohne Schadensfall Auto gefahren ist, meint man, dass man dieses Risiko eingehen könne. Wer rechnet schon damit, dass die Versicherungslücke planmäßig ausgenützt wird. Ich hätte aufhorchen sollen, als man mir bei Abholung des Fahrzeugs einen Ausschluss der Selbstbeteiligung andrehen wollte, der fast so teuer war wie die ganze Miete (und übrigens mehr als vier Mal so teuer wie der Ausschluss der Selbstbeteiligung, den ebookers während des Online-Buchungsvorgangs versteckt anbietet). Ich habe abgelehnt und wurde bestraft. Bei der Rückgabe des Autos behauptete der Mitarbeiter von AVIS, ich hätte den vorderen rechten Reifen beschädigt und er müsse erneuert werden. Er hat mir 89,70 Pfund für den Reifen und 43,48 plus 6,53 Pfund Mehrwertsteuer für die Schadensabwicklung (also rund 60 Euro für den bloßen Kauf eines neuen Reifens ohne dessen Kosten), insgesamt also 139,71 Pfund, das sind 161,67 Euro, berechnet.
Es ist ganz unmöglich, dass ich den Schaden verursacht habe. Er war offenbar zuvor bereits vorhanden. Bemerkenswerterweise hat AVIS bereits bei meiner Übernahme an eben jenem Rad, dessen Reifen bei der Rückgabe beschädigt war, einen Kratzer auf der Felge registriert. Natürlich habe ich das Fahrzeug nur, wie aufgefordert, auf Kratzer und Dellen überprüft, nicht auf den Zustand der Reifen. Es handelt sich offensichtlich um einen systematisch betriebenen Betrugsversuch. Die Routine, mit der der AVIS-Mitarbeiter auf das rechte Vorderrad zusteuerte und den Schaden beanstandete, wahrscheinlich mit Angaben über den – wenn seine Aussage gilt: lebensgefährlichen – Zustand des gelieferten Reifens, lässt keinen Zweifel zu, dass die Firma diese Praxis im Vertrauen auf die Schwierigkeiten der Beweislage gezielt betreibt.
Man kann also im Sinne eines Konsumentenschutzes nur warnen vor dem scheinbar günstigen, im Endergebnis aber unverschämt teuren Online-Angebot von ebookers und vor AVIS-Verträgen mit Selbstbeteiligung. Reklamationen bringen nur die voraussehbaren Winkelzüge ein.
Fälle 4, 5 und 6
Versicherungen und Banken sind ein Kapitel für sich. Da zahlt man über Jahre hinweg ein, um einen möglichen Schaden zu versichern, und wenn er dann tatsächlich eintrifft, wenn es auch nur um einen Bagatellbetrag geht, wird man auf Fußnoten im Vertrag verwiesen, die just diesen Fall ausschließen. Die Gewinner sind stets die Unternehmen mit den Büropalästen in den Innenstädten. Die Allianz Krankenversicherung, bei der ich seit Jahrzehnten einen nicht geringen Teil meines Gehalts deponiert habe, wollte eine Zahnarztrechnung nicht komplett begleichen. Ich nahm meine HUK-Rechtsschutzversicherung und einen Anwalt zu Hilfe. Nach mehr als einem Jahr musste die Allianz den zunächst verweigerten Betrag bezahlen. Die Anwaltskosten aber wollte sie nicht übernehmen, obwohl sie im Unrecht gewesen war, und die HUK verwies mich auf meine Selbstbeteiligung. So war ich zwar im Recht, hatte aber doch am Ende Unkosten, die mich erneut ins Grübeln über den Sinn von Versicherungen brachten.
Auf der Homepage der Postbank sucht man vergeblich nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder nach Angaben darüber, bis zu welcher Uhrzeit man Beträge einzahlen muss, damit die Wertstellung noch am selben Tag stattfindet. Die Postbank teilt mir im Nachhinein mit, dass ich über einen erwarteten Betrag, der erst einen Tag nach seiner Wertstellung gebucht wurde, am Tag der Wertstellung hätte verfügen können. Dass er aber eingegangen war, war weder für mich, noch für einen Beamten der Postbank an jenem Tag ersichtlich. Dafür wird für Sparangebote mit einem Zinssatz geworben, dessen Senkung bereits für den folgenden Tag geplant ist. Wenn das nicht mutwillige Irreführung ist – was dann? Man kann gar nicht misstrauisch genug sein gegenüber den Versprechungen der Banken, die es bewusst und stets an der Grenze des Legalen auf Kundentäuschung abgesehen haben.
Das leidige Thema Post sorgt täglich für neue Überraschungen. Eine Sendung, die laut Benachrichtigung beim Postamt lagern sollte, war dort nicht auffindbar. Nachfragen und Beschwerden bleiben ohne Folgen. Sendung futsch, Absender unbekannt – Pech gehabt. Zur gleichen Zeit, zu der die Post dementiert, dass die Zustellung am Montag gestrichen werden soll, hat sie bereits verfügt, dass montags nur voll, also mit mindestens 55 Cent frankierte Briefsendungen zugestellt werden, und zwar ausschließlich solche aus der näheren Umgebung. Die Kundschaft, die sich wundert, wo erwartete Drucksachen sowie Briefe und Päckchen von weiter her bleiben und warum sie erst am Dienstag im Briefkasten liegen, wurden davon nicht in Kenntnis gesetzt.
Die deutsche Bahn wirbt mit TGV-Fahrten von Stuttgart nach Paris ab 39 Euro. Der Vorverkauf beginnt jeweils drei Monate vor dem Reisetag. Ich habe wiederholt versucht, am ersten Tag des Vorverkaufs Rückfahrkarten nach Paris für 78 Euro zu bekommen. Es ist mir noch nie gelungen. Sie waren niemals für beide Fahrten vorhanden. Lockvogelangebot? Nicht einmal das. Pure Bauernfängerei. Da ist es billiger, wenn auch weniger umweltfreundlich, mit Air France zu fliegen. Will man dafür freilich seine Bonusmeilen einsetzen, stellt man erstaunt fest, dass man für Steuern und Gebühren deutlich mehr bezahlen soll, als der ganze Flug, Steuern und Gebühren inbegriffen, kostet.
Soviel für heute. Die Geschichte ist wohl endlos wie die Geschichte der schamlosen Profitvermehrung.
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