Gretchen-Fragen

Essay Europakritik ist nicht notwendig nationalistisch, Europafreundlichkeit nicht unbedingt fortschrittlich
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 28/2016

Die in Goethes Faust durch Gretchen gestellte Frage, wie man es mit der Religion halte, hat in Deutschland und sogar in Österreich mit großer Verspätung an Bedeutung verloren. An ihre Stelle ist die Frage getreten, wie man es mit Europa halte. Und die zulässige Antwort ist in ähnlicher Weise vorgezeichnet wie jene auf Gretchens Inquisition. Mit einer Wucht, die an Nötigung grenzt, hat sich von links bis weit rechts der Konsens durchgesetzt, dass das europäische Projekt ein Werk göttlicher Vernunft und seine Ablehnung des Teufels sei. Das Stigma der „Europafeindlichkeit“ hat die gleiche einschüchternde Wirkung wie der Vorwurf der „US-Feindlichkeit“ seitens der Neoliberalen oder die Beschuldigung der „Sowjetfeindlichk