Verurteile dich selbst!

Salzburg (1) Der Auftakt mit „Zauberflöte“ und „Prinz Friedrich von Homburg“

Dass es nicht weit her sei mit Sarastros Humanität, ist eine in der umfangreichen Zauberflöten-Exegese geläufige These. Regisseur Jens-Daniel Herzog aber denunziert die Aufklärung, indem er Sarastros Orden als einen Haufen närrischer Ärzte in einer psychiatrischen Klinik oder als wilhelminische Schüler, bewaffnet mit Geometrie-Dreiecken, diffamiert. Eine Konzeption, die darüber hinausginge, ist in der Inszenierung nicht auszumachen. Stattdessen wackelt eine Frauengruppe wie aus einer Revue mit Körbchen über die Bühne, und die drei Damen beobachten die „Unterwelt“ durch Fernrohre.

Nun ist Die Zauberflöte, wenn Nikolaus Harnoncourt mit seinem Concentus Musicus angekündigt ist, in erster Linie ein musikalisches Ereignis. Er liefert den entschlackten Mozart, den man von ihm erwarten darf. Aber er überrascht auch mit unorthodoxen, meist ungewohnt langsamen Tempi, die nicht unbedingt die Strahlkraft der Musik steigern. Erstaunlich zudem, dass ausgerechnet Harnoncourt, der allen voran das intime „Haus für Mozart“ propagiert hat, jetzt, da es existiert als Umbau des einstigen Kleinen Festspielhauses, in die überdimensionierte Felsenreitschule geht, mit deren Gegebenheiten der Regisseur wiederum nichts anfangen kann.

Kleist wird ernst genommen

Verglichen mit Herzogs Beliebigkeitsregie mag die erste Sprechtheaterinszenierung dieser Festspiele, Andrea Breths Prinz Friedrich von Homburg, altmodisch erscheinen. Sie hat aber den Vorzug, dass sie Kleist ernst nimmt. Es ist nicht von der Finanzhilfe für Griechenland die Rede und auch nicht vom Atomprogramm des Iran. Dafür erzählt Breth vom Gegensatz zwischen Gnade, die auch Protektionismus bedeuten kann, wenn sie nämlich willkürlich erteilt wird, und preußischer Treue zum Gesetz, die, so hartherzig sie sein mag, auch Gerechtigkeit im Auge haben kann. Antigone passt besser in unsere Zeit als der Kurfürst von Brandenburg. Aber genau besehen fordert sie Menschlichkeit nur für ihren Bruder, nicht als Grundsatz.

Der Kurfürst hingegen wünscht, dass selbst das Opfer der Anklage seine Verurteilung als gerecht empfindet, weil sie für alle geltenden Gesetzen folgt. Sie soll nicht für die Verkäuferin im Supermarkt anders ausfallen als für den Bankdirektor oder den eigenen Vetter. Vor dem Hintergrund zahlloser Anstrengungen, gescheite Texte durch nicht ganz so gescheite Aktualisierungen zu ersetzen, wirkt Breths genaue Inszenierung, die auf die Spannung zwischen den Figuren, nicht auf äußerliche Effekte, allerdings auch auf eine nicht immer zielgerichtete hektische Choreografie der Gänge setzt, fast schon wieder wie eine moderne Revolte. Und ein Wort wie „gleichviel“ leuchtet inmitten des Alltagsjargons auf wie ein Aufruf zur Revolution. Am Schluss fällt der Prinz nicht in Ohnmacht – er stirbt. Von hinten schreitet der verwundete Siegfried von Mörner an die Rampe, dazu erklingt leise Händels Sarabande in d-moll. Ganz ohne Regieeinfall wollte auch Andrea Breth die Feinde Brandenburgs nicht in den Staub verdammen.

Zur Höchstform laufen die Salzburger Festspiele auf, wo das „Museale“, anders als im Theater, am ehesten akzeptiert wird: im Konzert. Berührender, nuancierter als Elina Garanca kann man Lieder von Schumann, Alban Berg und Richard Strauss nicht singen, eindringlicher, dramatischer als die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Valery Gergiev kann man Strawinskys Psalmensymphonie wie Prokofjews 5. Symphonie kaum interpretieren.

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