Die Notenpresse als Sturmgeschütz

Afghanistan Kriegsherr Masud marschiert wieder und setzt auf eine Massenerhebung gegen die Taleban

Nach dem Ende des Ramadan, in dem die Moslems aufgerufen sind, ihre Streitigkeiten zu begraben, werde es eine große Offensive geben. Das hatte die Allianz der Taleban-Gegner in Afghanistan schon im Dezember angekündigt. Der Beschluß fiel bei einem »Ratschlag«, zu dem der aus dem Krieg gegen die Sowjets legendäre Ahmad Schah Masud über 400 Feldkommandeure und Stammesälteste aller ethnischen Gruppen in seiner Hochburg, dem Panjschir-Tal, versammelt hatte. Bereits vor dem Id al-Fitr, dem Fest zum Ende des Fastenmonats, eroberte Masuds Guerilla die Kleinstädte Schirin Tagab und Yakaolang - so weit westlich beziehungsweise südlich war sie seit ihrer schweren Niederlage vom Sommer 1998 nicht mehr vorgestoßen. An dieser Offensive ist besonders bemerkenswert, daß diese Städte eigentlich mitten in Taleban-Gebiet liegen. Da in Afghanistan tätige Hilfsorganisationen die Erfolge Masuds bestätigten, scheint bewiesen, was seine Emissäre im Ausland schon seit Wochen behaupten: in mehreren Provinzen Nordafghanistans hat sich die örtliche Bevölkerung gegen die verhaßten Unterdrücker erhoben und sie aus über zehn Distrikten vertrieben. Dabei wird sie von Mujahedin unterstützt - so der Masud-Bruder Wali Schah in London -, die sich seit dem letzten Siegeszug der Taleban in den Bergen der Provinzen Balch, Samangan, Baghlan und Faryab verschanzt hatten. Auch die versprengten Reste des Usbeken-Warlords Dostum, Abdul Maleks und des Schiitenführers Khalili - ausnahmslos frühere Masud-Alliierte - sammeln sich wieder und verzeichnen erste Geländegewinne. In der Konsequenz konnten so die Taleban-Gegner ihren Spielraum an der Südgrenze Usbekistans und Tadschikistans deutlich erweitern, was allein schon deshalb ins Gewicht fällt, weil sie von dort wichtigen Nachschub beziehen. Dazu gehören offenbar auch die neugedruckten 10.000-Afghani-Scheine, die pakistanischen Presseberichten zufolge den lokalen Geldmarkt in Billionenhöhe überfluten. Die afghanische Währung sank dadurch auf einen historischen Tiefstand: In Peschawar mußten vor Wochenfrist 42.500 Afghani für einen US-Dollar gezahlt werden. Masud verfolgt mit dem neuen Geld - das Gerüchten zufolge in Rußland gedruckt wird - zwei Ziele: Er will die Taleban-Wirtschaft destabilisieren und seine Offensive finanzieren, denn Geld wird nicht zuletzt gebraucht, um gegnerische Kommandanten zu kaufen.

Mit dem erwähnten Treffen im Panjschir-Tal war es Masud gelungen, die Anti-Taleban-Allianz als Vereinigte Front neu zu fomieren. Zwar nahmen daran alle der früheren Nordallianz zugeordneten Gruppierungen teil, aber nur wenige der traditionellen »Parteiführer«. Dostum und Abdul Malek, die sich einmal einer intensiven Patronage der Türkei und Usbekistans erfreuen konnten, fehlten ebenso wie Masuds Intimfeind Gulbuddin Hekmatyar, einst der Liebling des pakistanischen Geheimdienstes. Dessen Islamische Partei ist in mindestens vier Flügel zerfallen - drei davon haben sich Masud angeschlossen, der es besonderes auskostet, unter den Abtrünnigen auch Hekmatyars Schwiegersohn Jarid zu wissen. Hekmatyar selbst soll sich derzeit im Sudan um Asyl bemühen.

Die Zeit der Clanführer sei vorbei, deutete Wali Schah Masud während eines Deutschland-Besuches im Dezember selbstbewußt die Situation, denn sie hätten sich längst ins Ausland abgesetzt und ihre Anhänger »der Gnade der Taleban überlassen«. Insofern ist Masud zur unbestrittenen Führungsfigur avanciert und kann überdies mit einer neuen »politischen Kommission« renommieren, die eine abgestimmte Militärstrategie gegen die Taleban entwirft und dabei mit »islamischen und Jihad-Persönlichkeiten« kooperiert.

Für einen seiner neuen Verbündeten schwebt Masud dabei etwas Besonderes vor: Haji Abdul Qadir - Chef der 1996 unter dem Ansturm der Taleban zerbrochenen »Neutralen« Schura (Rat) in der Stadt Jalalabad - soll Ostafghanistan von den Taleban zurückerobern. Dort regt sich seit längerem der Widerstand kleiner ethnischer Gruppen, die 1978 als erste gegen die damalige Revolutionsregierung aufgestanden waren. Damit würden die Taleban-Gegner erstmals wieder paschtunische Gebiete kontrollieren. Nicht zu Unrecht triumphiert Masud, viele Paschtunen, von denen die Taleban anfangs unterstützt worden seien, hätten inzwischen »ihre Gewehre wieder umgedreht«.

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