Louis van Beethoven

ARD TV-Film Wie befürchtet ging der Fernsehfilm zum 250. Geburtstag völlig daneben

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Nach zwei Anläufen, die ich wegen akuten Anfällen von Fremdscham wieder abbrechen musste, habe ich es endlich geschafft und „Louis van Beethoven“ in der ARD Mediathek angesehen (der Film ist dort noch etwa einen Monat lang verfügbar). Angeblich sollen den Film an Weihnachten über 3 Millionen Menschen gesehen haben. Auch die Kritiken in den Feuilletons waren, wenn auch nicht gerade begeistert, so doch erstaunlich wohlwollend.

Doch was soll ich sagen: ich fand ihn völlig misslungen, wenn auch am Ende vielleicht nicht ganz so schrecklich, wie ich befürchtet hatte. Dabei störten mich die Zeitmontagen (der Film springt zwischen drei Zeitperioden hin und her), woran sich die meisten Kritiker stießen, am allerwenigsten. Auch dass man die eigentlich für Beethoven produktivsten Wiener Jahre nicht berücksichtigt hat, wäre an sich kein Problem. Im Gegenteil hätte man sich eigentlich am besten ganz auf die späten Bonner Jahre konzentrieren sollen. Denn die waren es tatsächlich, in denen Beethoven zu Beethoven wurde.

Die Wunderkind Jahre hätte man sich dagegen sparen können. Nicht nur weil Beethoven eigentlich kein Wunderkind war, sondern weil diese Phase für Beethoven keine große Rolle spielt. Anders als bei Mozart, den seine frühe Wunderkind-Existenz fürs Leben geprägt hat – die mirakulöse Selbstdisziplin und Geistesgegenwart innerhalb der musikalischen Sphäre verließ ihn auch in späteren Jahren nicht mehr, als sein Leben schon in ein Chaos von Alkohol, Affären und Spielschulden abdriftete – waren es bei Beethoven die späten Teenager Jahre, die ihn zu dem machten, der er ist.

Und leider ist die Besetzung des jugendlichen Beethoven auch die größte Schwachstelle des Films. Man muss sich den 20-jährigen Beethoven eher als einen jungen Bob Dylan oder John Lennon vorstellen. Einen angry young man, der bereits vollkommen von seinem Sendungsbewusstsein durchdrungen ist, was leider im Film überhaupt nicht durchkommt.

Er war in den Bonner Jahren als Künstler noch längst nicht zu sich selbst gekommen (die Kompositionen aus dieser Zeit werden auch so gut wie gar nicht gespielt, enthalten allenfalls hier und da ein paar genialische Funken). Dass er trotzdem bereits zahlreiche lokale Bewunderer und Förderer um sich scharen konnte, hatte sicher eher mit dem charismatischen Appeal eines jungen Genies zu tun, das großes verspricht. Nach dem Vorbild von Weimar war es durchaus in Mode unter der müde gewordenen Aristokratie, sich mit dem jungen Blut von bürgerlichen Künstlern, Denkern und Wissenschaftlern neuen Glanz zu verschaffen.

Das ärgerlichste an dem Film ist, dass man immer schon am Anfang jeder Szene genau weiß, worauf sie hinauslaufen wird. Ob die familiären Probleme, das Liebesgeplänkel oder die ständischen Konflikte, immer hat man das Gefühl, dass die Macher ängstlich dem Fernsehpublikum alles in leicht verdaulichen Häppchen verabreichen müssen. Dabei wird ein Klischee nach dem anderen durchgenommen und die weißen von den schwarzen Schafen fein säuberlich getrennt, damit das Publikum auch ja nicht durcheinander kommt.

Man spürt an allen Ecken und Enden das Vorbild von „Amadeus“ gerade in der für einen Fernsehfilm geradezu verschwenderisch prächtigen Ausstattung. Doch anders als beim Original wirkt der dramaturgische Mehrwert bei vielen Szenen eher zweifelhaft. Obwohl die Szenen mit Mozart zu den besten des Films zählen, sind sie eigentlich nutzlos, da Beethoven darin bloßer Statist ist. Sie wirken wie eine reine „Amadeus“ Hommage.

Das Problem dabei ist weniger die historische Korrektheit (es gibt keinerlei Zeugnisse, dass sich Mozart und Beethoven persönlich begegnet sind, Beethoven hat jedoch offenbar Mozart Klavier spielen hören, da er sich einmal, eher kritisch übrigens, darüber äußert). Doch wenn man schon etwas aus dramatischen Gründen erfindet, dann muss es auch Sinn machen. Beethoven hätte sich trotz aller Bewunderung ganz gewiss nicht von Mozart so nachlässig behandeln lassen.

Haydn, der tatsächlich Beethovens Lehrer war, und dem er enorm viel verdankt (die ersten Opusnummern, die Beethoven während seines Unterrichts bei Haydn schrieb, sind wie wenn plötzlich das Licht von Beethovens Genie zu leuchten beginnt), lächelte ironisch über das bereits monumentale Selbstbewusstsein seines jungen Schülers. Eine Szene mit Haydn und Beethoven hätte weit mehr Sinn gemacht und hätte viel über das Künstlertum Beethovens offenbaren können, doch hätte das wahrscheinlich Drehbuchschreiber und Publikum überfordert.

Auch das Verhältnis zu seinem Vater ist unzulässig idealisiert. Es war hoch ambivalent und stark konfliktbeladen und hat wohl zur Ausbildung von Beethovens narzisstischer Physiognomie wesentlich beigetragen. Als liebenswürdiger Trunkenbold ist er nicht angemessen wiedergegeben, vielmehr waren wahrscheinlich eher Gewalt und Missbrauch im Spiel.

Den späten Beethoven in seiner totalen Selbstbezogenheit stellt Tobias Moretti durchaus glaubwürdig dar. Doch irgendwie wollen auch diese Szenen nicht richtig zünden. Die Geschichte um den Neffen Karl erscheint wie ein halbherzig kritisches Zugeständnis und auch die Szene mit Schuppanzigh und der Probe der „Großen Fuge“ wirkt wie aus der Zeit gefallen. Vielleicht hat sich das noch nicht rumgesprochen, doch der Glaube an die bürgerliche Moderne, zu der Beethoven in der Tat den Weg gewiesen hatte, ist im Jahr 2020 endgültig passé.

Schauspielerisch den stärksten Eindruck machten Mutter und Tochter von Breuning, sicher nicht zuletzt auch deswegen, weil Frauen, insbesondere adelige, tatsächlich in Beethovens Leben eine zentrale Rolle spielen. Sie waren nicht nur ein enormer Motivator für seinen künstlerischen Ehrgeiz, sondern oft auch die stillen Strippenzieher zu seiner Förderung. Hätte man sich ganz auf diesen Aspekt konzentriert, hätte (mit einem geeigneten Darsteller des jungen Beethoven) vielleicht etwas daraus werden können.

Daran hätte man auch das durchaus komplizierte Verhältnis Beethovens zur Aristokratie beleuchten können statt die üblichen Klischees von ständischen Unterschieden und unmöglicher Ehe zu bedienen (die um diese Zeit längst in Auflösung waren, Eleonore heiratete dann auch bürgerlich – was immer eine enorme Rolle spielte und ständische Bedenken sehr schnell zur Nebensache machte, war das liebe Geld).

Man merkt durchaus, dass eine gewisse musikalische Expertise mit eingeflossen ist, doch leider eher eine wissenschaftliche als eine künstlerische. Vor allem das pseudo-authentische Herumgehacke auf den alten Cembali und Hammerklavieren geht einem irgendwann mächtig auf die Nerven. So hat das damals garantiert nicht geklungen. Da hätte man die Musik lieber auf modernen Instrumenten einspielen sollen.

Das große Dilemma am Bildungsfernsehen ist die schreckliche Diskrepanz zwischen dem Anspruch des Gegenstands und der, auf das Niveau des Helene Fischer Publikums runtergebrochene, Darbietung für ein öffentlich-rechtliches Fernsehpublikum. Wenn man sich dabei ob der Einfältigkeit permanent fremdschämen muss, macht die Sache einfach keinen Sinn.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Thomas.W70

Was vom Leben übrig bleibt / Thomas.W70@web.de

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