Ausgestrahlt wurde der Werbefilm Anfang Februar während des Superbowls in den USA. Der Spot zeigte Gesichter von Menschen verschiedener Hautfarbe und Herkunft, die alle für ein auskömmliches und tolerantes Miteinander eintreten. Während der 30-sekündigen Laufzeit wurde ein Text eingeblendet: „Egal wer du bist, woher du kommst, wen du liebst oder anbetest, wir gehören alle dazu. Die Welt ist umso schöner, je mehr wir das akzeptieren.“
Geschaltet hatte die Anzeige der Online-Zimmervermittler Airbnb. Das Vorzeigeunternehmen des digitalen Plattformkapitalismus soll für die Ausstrahlung fünf Millionen Dollar bezahlt haben. Der Werbeeinspieler richtete sich gegen die Einwanderungspolitik von US-Präsident Donald Trump. Mit seinem Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimisch geprägten Ländern löste er einen Proteststurm aus. Insbesondere das Silicon Valley ging auf die Barrikaden. Beliebt war Trump in der Digitalbranche nie. Als „furchterregendste Person in Amerika“ hatte ihn Aaron Levie, Vorstandsvorsitzender des auf Cloud-Dienstleistungen spezialisierten Unternehmens Box, im Wahlkampf tituliert. Er drückte damit eine unter kalifornischen Gründern und Internetmilliardären weitverbreitete Haltung aus. Fast alle unterstützten Hillary Clinton. Einzig der libertäre Risikokapitalgeber Peter Thiel stellte sich demonstrativ auf die Seite Trumps. Gleichwohl hatte es einen Moment lang so ausgesehen, als ob man sich auf eine friedliche Koexistenz verständigen würde. Mitte Dezember trafen sich führende Vertreter von Amazon, Microsoft, Facebook, Google und Apple mit dem designierten Präsidenten in New York.
Die Basis für die Annäherung war Trumps Vorhaben, den Steuersatz für im Ausland erwirtschaftete und in die USA zurückgebrachte Gewinne erheblich zu senken. Da die Tech-Branche davon profitieren würde, schien der Grundstein für eine Vernunftehe gelegt. Elon Musk, der Chef von Tesla, und Uber-Boss Travis Kalanick traten dem strategischen Forum bei, das die US-Administration in wirtschaftspolitischen Fragen berät.
Kalanick tritt aus
Doch dann dekretierte Trump per „Executive Order“ den Einreisestopp für Menschen aus Syrien, Irak, Iran, Libyen, Somalia, Sudan und Jemen. Prompt war es mit dem Burgfrieden vorbei. Google-Mitgründer Sergey Brin erklärte, selbst ein Einwandererkind zu sein. Reed Hastings, der Vorstandschef von Netflix, bezeichnete Trumps Vorgehen als „unamerikanisch“. Kalanick klagte, das Verbot werde „viele unschuldige Menschen treffen“. Er trat aus Trumps Beratergremium wieder aus. Nun unterstützten die Superreichen den Widerstand gegen Trump. Verdienen sie Beifall?
Auf den ersten Blick und hinsichtlich von Trumps Einreiseverbot mag man die Frage bejahen. Im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzungen trat ein von Apple, Google, Facebook und Microsoft angeführtes Bündnis von mehr als 100 Unternehmen auf den Plan, darunter Ebay, Twitter, Mozilla und Lift. Die Koalition reichte als parteiischer Sachverständiger eine ausführliche Stellungnahme beim zuständigen Berufungsgericht in San Francisco ein: Trumps Dekret sei diskriminierend, verstoße gegen die Verfassung und schwäche die Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen.
Amazon-Chef Jeff Bezos hat seine Lobbyisten in Washington D.C. damit beauftragt, Gesetzesinitiativen gegen die Einreisebestimmungen auf den Weg zu bringen und Trumps Opponenten aufseiten der Demokraten und der Republikaner im Kongress zu unterstützen. Gelänge es dem Valley, Gesetze zu initiieren, die Trumps Dekrete außer Kraft setzen, dann hätte es die Machtprobe mit dem Präsidenten gewonnen.
Doch es geht um mehr als Widerstand. Reid Hofman von LinkedIn und Marc Pinkus von Zynga haben angekündigt, mit ihrer Organisation „Win the Future“ dabei zu helfen, die Kandidaten der Demokratischen Partei für die Wahlen zum Kongress 2017 zu unterstützen. Schon werden Gerüchte laut, Facebook-Chef Mark Zuckerberg wolle US-Präsident werden. Womöglich hätte ein politisch unverbrauchter Kandidat aus dem Silicon Valley gute Chancen gegen einen Mann wie Donald Trump.
Ein emanzipatorisches Politikangebot stünde dabei jedoch nicht zur Wahl. Mit dem sozialem Ausgleich zwischen den Klassen hat ein Zuckerberg noch weniger im Sinn als Trump. Mit seinen 44,6 Milliarden gehört er zu jenen acht Milliardären, die laut einer Oxfam-Studie gemeinsam mehr besitzen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen. Als Zuckerberg 2015 verkündete, 99 Prozent seines Aktienvermögens nach und nach in ein soziales Unternehmen zu stecken, war das kein Ausdruck selbstloser Menschenliebe. Vielmehr will hier ein Superreicher der Welt seine Vorstellungen von einer besseren Gesellschaft aufdrücken.
Die disruptiven Geschäftsmodelle des Silicon Valley zielen auf die Zerstörung ganzer Märkte und Monopolmacht. Damit einher geht der Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen. Nach Ansicht der Internetkonzerne und des mit ihnen verbundenen Risikokapitals soll der ansonsten verhasste Staat hier einspringen und ein Grundeinkommen zahlen. Durch die Anwerbung ausländischer IT-Spitzenkräfte erhöhen die gleichen Unternehmen den Konkurrenz- und Lohndruck auf die einheimischen Facharbeiter. Das Schicksal illegalisierter Einwanderer, die sich als Paketboten oder in Restaurants des Silicon Valley verdingen, lässt die Milliardäre ungerührt. Reinigungs- und einfache Fertigungsarbeiten haben sie längst ausgelagert, um Kosten zu sparen.
Wenn Facebook seinen queeren Nutzern anbietet, aus einer Vielzahl von Geschlechtsidentitäten auszuwählen, dann ist das eine Möglichkeit, intime Verhaltensdaten von Nutzern abzuschöpfen, die dann an Werbekunden verkauft werden. Political Correctness als neue Form der Ausbeutung: Diese Doppelmoral steht für das, was der Dramaturg Bernd Stegemann den „liberalen Populismus“ unserer Zeit nennt.
Wer sozialen Fortschritt will, darf dem Hightech-Kapital nicht auf den Leim gehen. Dessen Geschäftsmodelle haben eine Grundlage: den Zugriff auf unsere Daten. Nur wer diese Eigentumsfrage des 21. Jahrhunderts stellt und im Interesse der großen Bevölkerungsmehrheit beantwortet, wird einer in vielerlei Hinsicht modernisierten radikalen Rechten Paroli bieten können.
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