Minenfelder

US-BOTSCHAFT Wie die Frontstadt den kalten Krieg beendet

Wenn schmallippige Humorlosigkeit und prustender Holzhammer-Humor aufeinander knallen, wird's lustig.

US-Botschafter Kornblum konnte angeblich gar nicht über E. Diepgens Mörderbrüller lachen, er möge doch anstatt der US-Botschaft am Pariser Platz noch eine McDonalds-Filiale eröffnen. Das Büro Diepgen konnte dann darüber nicht lachen - und dementierte heftig. Und zwar alles. Überhaupt scheinen die ehemalige Schutzmacht und das Neue Berlin neuerdings heftig aneinander vorbeizulachen. Senator Strieder wollte ebenso angeblich die inkriminierte Botschaft in die Hiroshima-Straße (!) verlegen, und die Amis wollen gleich den ganzen Pariser Platz zur Sicherheitszone umbauen. Und notfalls den Tiergarten ansägen, um ihren 30-Meter-Kordon plazieren zu können. Beides erregte vice versa keine Heiterkeit. Am komischsten aber ist, dass noch niemand auf die Idee kam, das Brandenburger Tor abzureißen, um freies Schussfeld zu schaffen.

Man mag den Mangel an Grazie bei all diesen Auseinandersetzungen beklagen, aber die schlichte Frage, ob hier nicht alle ein paar an der Waffel haben, wird nicht gerade laut gestellt. Was hiermit getan sein soll.

Es ist ja schon bestürzend absurd, welcher Unfug das knappe Zeitbudget auf hoher und höchster Ebene auffrisst. Auf der einen Seite hat eine Supermacht keine anderen Sorgen, als das mit Symbolwert bis zur Halskrause zugestopfte "Zentrum" eines befreundeten Staates mal kurz umbauen zu wollen kraft der eigenen Wassersuppe. Und dem befreundeten Staat fällt nichts anderes ein, als auf dem Niveau von Pennälerstreichen zu kontern, resp. zu Wadelbeißen. Toll. Besonders, wenn man sich die Tendenz der Blödelei anschaut. Diepgen passt der ganze Entwurf rund um den Pariser Platz nicht, will heißen: Wenn in dem ganzen Getöse das Holocaust-Mahnmal doch endlich ins Kippen käme, wäre das wahrscheinlich ganz wunderbar für ihn. Wird es aber nicht, also bleibt ihm nur angefressenes Gemecker an der Peripherie. Und die Amis steigen sofort begeistert darauf ein und geben den beleidigten Burger. Insofern ist es dann wirklich Bratklops, ob am Pariser Platz noch ein weiterer McDonalds steht oder nur ein Minenfeld zum Schutz der US-Botschaft. In beiden Fällen muss man natürlich darüber nachdenken, was das für das "Event-Placement" auf dem Pariser Platz bedeuten könnte. Innensenator Werthebach hat ja schon angedeutet, dass "kommerzielle Demonstrationen" politisch durchaus wünschenswert sind (politische Demonstrationen weniger, schon kommerziell gesehen). Und wenn jeder hergelaufenene Privatsender das Stückchen Symbol-Topographie für feucht-fröhliches Extrem-Partying anmieten kann, dann ist das wohl auch so. Dann allerdings stören in der Tat solche fun-vermiesepeternden Dinger wie das Holocaust-Merkmal oder eine schusssichere US-Botschaft. Insoweit hat die CDU-Linie eine gewisse Räsong, und ein Event-Franchising könnte dem von Gewerkschaftsaktivitäten arg gezausten McDonalds-Konzern gute Sympathie-Punkte bringen. Und die ganz freie Marktwirtschaft befördern. Das wiederum wäre gut amerikanisch und von Mr. Kornblum und dessen Regierung aufs Schärfste zu begrüßen.

Andererseits allerdings müsste, in seiner eigenen Logik, auch Diepgen die Botschaftspläne der USA begrüßen. Denn könnte man alle anrainenden Grundstücke zur Sicherheitszone erklären, bliebe auch das ungeliebte Holocaust-Mahnmal nicht untangiert. Und man könnte noch einmal eine Diskussion über seinen Standort losbrechen. Etwa: Es verlegen in schwer zentrale Gegenden, wohin Berlins Innensenator Werthebach auch gerne politische Demonstrationen verlegt sehen würde. Nach Köpenick vielleicht, oder aufs Reichssportfeld, ähm, Messegelände. Oder so. Was auch wieder eine räsonable CDU-Linie ergeben würde. Wodurch, trotz prima gesicherter Botschaft, dann um den Pariser Platz herum genug Raum für erwünschte Demonstrationen wäre. Und den einen oder anderen McDonalds auch. Je länger man darüber nachdenkt, desto zwingender erscheint die Vorstellung, dass Kornblum und Diepgen vielleicht zwei ganz ausgekochte und sich herzlich zugeneigte Schlawiner sind. Über diese Nummer müssten wir dann wirklich lachen. Aber ich fürchte, so humorbegabt sind beide Herren nicht.

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