Rififi in Schöneberg

KaDeWe-Täter gefasst Zwei Wochen nach der spektakulären Tat wurden nun die Täter gefasst. Beinahe schade. Erinnert der Einbruch ins Berliner KaDeWe doch an berühmte Vorbilder aus dem Kino

Tja, ein bisschen DNS – und schwupps, sind zwei Verdächtige gefasst. Sie sollen für einen der raffiniertesten Coups der letzten Jahre, den Einbruch ins Berliner Edelkaufhaus KaDeWe verantwortlich sein, wo Ende Januar zwar massenhaft Klunker geklaut wurden, aber keine Personen zu Schaden kamen. Natürlich verurteilen auch wir Verbrechen, aber hier soll es nicht um Moral Justiz gehen, sondern darum, wie sich dieser spektakuläre Bruch in die Film-, Literatur- und Kulturgeschichte einordnet.

Seit Jules Dassins einschlägiger und für diese Art von Einbruch namensgebender Film Rififi (die Romanvorlage von Auguste Le Breton hieß Du rififi chez les hommes) bei den Fimfestspielen 1955 in Cannes die Goldene Palme nicht bekam, weil ein paar Bedenkenträger mutmaßten, der Streifen enthielte zu detaillierte Handlungsanweisungen für Nachahmer – seitdem ist Rififi nicht nur der Inbegriff für High-Tech-Einbrüche in hochgesicherte Räumlichkeiten, sondern quasi ein eigenes Subgenre.

Ungerechterweise, möchte man sagen, weil Eric Amblers Roman Topkapi doch mehr an ausgefeilten Gadgets zu bieten hatte.
Die reine Technik beim KaDeWe-Coup war natürlich atemberaubend, wenn alles, was man so liest, einigermaßen stimmt. Wie durch Zauberhand entschärfte Alarmanlagen, Abseilaktionen ganz so als hätte Tom Cruise persönlich in unmöglicher Mission kopfüber den Supercomputer der CIA penetriert. Alleine die Höhenmeter und die Coolness, gleich ein paar Mal dieses Rein- und Rausspiel durchzuziehen! Wow! Was dann angesichts der fast unbeabsichtigten Metaphorik eher nach George Clooney und Oceans's 11, 12 und 13 riecht. Also nach Sex pur. Also eher nach Kino als nach Literatur.

Literarisch heißt das Subgenre Caper Novel. Speziell sexy sind da aber eigentlich nur die Abenteuer von Modesty Blaise und ihrem Gehilfen Willie Garvin, wenn die beiden Comic- und Prosa-opstars der sechziger Jahre mal wieder die Klamotten ablegen und sich mit geschmeidig geölten Gliedmaßen irgendwo zu Nutz und Frommen ihrer durchtriebenen Pläne hineinschmuggeln. Ihr Erfinder Peter O'Donnell hatte ganz entschieden ein Händchen für solche sexy Aspekte, weswegen Modesty und Willie physisch extrem attraktiv angelegt sind.

Weniger sind das die Figuren des unlängst verstorbenen Donald E. Westlake, der in vielen Romanen um den Einbrecher Dortmunder eher dessen Intelligenz illuminiert, so wie der große amerikanische Schriftsteller Lawrence Block mit seinem Dieb Bernie Rhodenbarr vornehmlich Witz und Smartness feiert, wobei auch Rhodenbarr gerne zugibt, dass ein gelungener Einbruch unter erschwerten technischen Bedingungen eine ziemlich geile Angelegenheit ist ….

Ja, die Amis, die Briten und die Franzosen – bei Berliner Schränkern bin ich mir nicht so sicher, dass an ihnen nicht letztendlich doch nur die handwerklichen Aspekte zu loben gewesen sind. Abgesehen von Döblins Alexanderplatz und ein paar Erich-Kästner-Gestalten fehlt ein einprägsames literarisches Denkmal des eleganten Einbrechers in der deutschen Literatur. Worin die einen ein großes moralisches Plus sehen mögen, werden die anderen eine gewisse Fadheit und die Vorherrschaft der Moral über die Eleganz der Action beklagen.

Nachdenklich stimmen deswegen die ersten Vermutungen im Falle KaDeWe: Man hat zwei Brüder aus dem Libanon festgenommen, irgendwo in der Provinz obendrein. Das schmerzt, denn die Story, die man stricken müsste, um aus dieser Konstellation das perfekte urbane, abgezockte, faszinierende und spannende Stück Prosa zu machen, das gar Rififi die Bezeichnungshoheit strittig macht, das dürfte sehr schwer werden.

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