Michael Bloomberg erwägt Kandidatur

US-Präsidentschaftswahl Eine unabhängige Kandidatur wäre ein unkalkulierbares Risiko für die großen Parteien. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, welch großen Einfluss Bloomberg nehmen könnte

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Michael Bloomberg
Michael Bloomberg

Bild: Andrew Burton/Getty Images)

Der frühere New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg (73) hat gegenüber der Financial Times bestätigt, dass er überlege, eine unabhängige Kandidatur zur Präsidentschaftswahl in den USA anzustreben. Demnach sei er bereit, mindestens 1 Milliarde US-Dollar in seinen Wahlkampf zu investieren. Das Vermögen des Medienmoguls wird auf rund 39 Mrd. US-Dollar geschätzt.

Bloomberg habe schon seit längerer Zeit über eine Kandidatur nachgedacht, wegen geringer Erfolgsaussichten bislang jedoch davon abgesehen. Er sei verärgert über den konservativen Höhenflug der Republikaner Donald Trump. Auch sorge er sich, weil Hillary Clinton gegen Bernie Sanders zunehmend unter Druck gerate. Er übte zudem scharfe Kritik an der Qualtät der politischen Auseinandersetzung: "Ich empfinde die Art der Diskussionen als peinlich banal und als eine Beleidigung für die Wähler." Das Volk hätte etwas Besseres verdient. Eine Entscheidung wolle Bloomberg Anfang März treffen.

Bloomberg war jahrelang bis ins Jahr 2000 Mitglied der Demokraten, wechselte dann bis 2007 zu den Republikanern und ist seitdem parteilos. Politisch ist Bloomberg in den USA als wertliberal mit engsten Verbindungen zur Wall Street einzuschätzen. Er sprach sich für Abtreibungsrechte, die Homoehe und schärfere Waffengesetze aus. Es steht zudem auch für eine liberale Einwanderungspolitik.

Welche Chancen hätte Bloomberg tatsächlich?

Seitdem die beiden großen Parteien, Demokraten und Republikaner, in der heutigen Form bestehen, das heißt ab 1854, hat es kein Kandidat mehr geschafft, das Präsidentenamt zu gewinnen, wenn er nicht in einer der beiden großen Parteien war.

Auch bei dieser US-Wahl 2016 dürfte sich daran nichts ändern, obwohl je nach Ausgangslage gänzlich aussichtslos eine Kandidatur nicht wäre. Eines scheint klar zu sein: Bloomberg wird nur dann als Unabhängiger kandidieren, wenn einerseits die Republikaner Donald Trump oder den erzkonservativen Ted Cruz nominieren und zusätzlich andererseits der „demokratische Sozialist“ Bernie Sanders bei den Demokraten eine Mehrheit für sich erringen kann. Bloomberg sieht sich so weit in der Mitte stehen, dass er annimmt, bei einem solchen Links-Rechts-Duell zwischen Demokraten und Republikanern, der goldene Mittelweg für viele moderate Wähler beider Parteien zu sein. Und er könnte eine Alternative für diejenigen sein, die zwar mit ihrem Kandidaten aus der eigenen Partei nicht zufrieden sind, aber aus Prinzip schon nicht je nach Parteizugehörigkeit einen Demokraten oder Republikaner wählen würden.

Die Ankündigung einer möglichen Kandidatur dürfte insbesondere Bernie Sanders überhaupt nicht ins Kalkül passen. Während Hillary Clinton weiß, dass der befreundete Bloomberg nicht gegen sie antreten würde, hat Sanders nun zu befürchten, dass sich noch weniger Parteivertreter auf seine Seite schlagen könnten. Denn es wären wohl eher die Demokraten, die unter einer Kandidatur Bloombergs leiden würden. Zwar gäbe es auch einige liberal ausgerichtete Republikaner, die mit der Auswahl Trumps oder Cruz nicht einverstanden wären und Bloomberg unterstützen könnten, aber es wären wohl neben grundsätzlich unabhängigen Wählern auch insbesondere Teile des Clinton-Lagers, die zu Bloomberg überlaufen würden und damit Bernie Sanders bei der General Election wichtige demokratische Stimmenanteile kosten könnten. Dies wäre sicher nicht im Sinne der Partei. Und Sanders hat ohnehin schon große Nachteile bei der Verteilung der Super-Delegierten. Aktuell wird hier je nach Schätzung Clinton bereits ein Vorsprung von etwa 350 Delegiertenstimmen vorausgesagt.

Aber wir befinden uns noch im Bereich der Spekulationen. Bloomberg wird den Super Tuesday am 1.März abwarten. Danach könnte zumindest schon eine klare Tendenz in beiden Parteien erkennbar sein, wer siegreich aus den Vorwahlen hervorgehen könnte. Sollte es nicht auf Trump/Cruz vs Sanders hinauslaufen, ist eine Kandidatur wohl vom Tisch. Diese Planung würde auch mit Bloombergs selbst gesetzter Deadline, Anfang März, übereinstimmen.

Unabhängige Kandidaten können Wahlen entscheiden

Wie schon angedeutet können unabhängige Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen in den USA sich nicht ernsthafte Chancen auf den Einzug ins Oval Office machen. Dennoch sind diese Kandidaturen für die beiden großen Parteien immer ein Unsicherheitsfaktor und können immense Auswirkungen auf das Gesamtergebnis habe. Ich möchte zwei Beispiele anführen, die dies auf ihre jeweils eigene Art verdeutlichen.

Ross Perot, 1992

1992 war es der konservative Ross Perot, der als unabhängiger Kandidat, gegen das Washingtoner Establishment wetterte. Damals war es George W. H. Bush, der sich als amtierender republikanischer Präsident um eine zweite Amtszeit im Weißen Haus bewarb, gegen den sich die Kandidatur Perots richtete. Perot trat als grundehrlicher, bürgerlicher Kandidat an und erreichte landesweit 18,91 % der Stimmen. Zwar gewann er nicht einen einzigen Bundesstaat und damit auch keine Wahlmännerstimme. Aber es waren zu viele Wähler aus dem Lager der Republikaner, die Perot ihre Stimme gaben, so dass Bill Clinton einen souveränen Erfolg gegen Bush verzeichnen konnte.

Das Wahldebakel von Florida

Dass ein unabhängiger Kandidat aber nicht mal ein solch gutes Ergebnis wie jenes Ross Perots einfahren muss, um eine Präsidentschaftswahl zu entscheiden, kann man den Ereignissen aus dem Jahr 2000 ablesen. Vielen dürfte diese Wahl noch immer in bester Erinnerung sein. Al Gore trat gegen George W. Bush an, und es war ein historisch knappes Rennen. Nachdem einige TV-Anstalten bereits Bush zum Sieger ernannten und Al Gore ihm auch bereits in einem ersten Telefonat zum Sieg gratulierte, ruderten die Sender in der Wahlnacht bald schon zurück. Noch Wochen nach dem Wahltag stand nicht fest, wer gewonnen hatte. Alle Augen richteten sich auf den Bundesstaat Florida und die Augen der dortigen Wahlhelfer zunächst auf eigenartig gestanzte Lochkarten, die als Wahlzettel genutzt wurden. Später blickte man nur noch auf die Gerichte.

Der Wahlausgang in Florida war so knapp, die Ergebnisse der Auszählung so unsicher, dass ein erbitterter Rechtsstreit entbrannte, ob und welche Stimmzettel nochmals ausgezählt werden sollten. Nach gut zwei Wochen erklärte der Bundesstaat Florida, deren Gouverneur damals Jeb Bush war, George W. Bush zum Sieger. Auf Gore entfielen 2.912.253 Stimmen, Bush erreichte mit 2.912.790 Stimmen eine Mehrheit von 537 Stimmen. Da die Demokraten aber weiterhin Unregelmäßigkeiten und missverständliche Wahlzettel anprangerten, dauerte es weitere Wochen bis der Supreme Court mit 5:4 Stimmen entschied, dass nicht erneut ausgezählt werde. Bush gewann alle 25 Wahlmännerstimmen in Florida, und hatte am Ende mit 271 Wahlmännerstimmen eine denkbar kleine Mehrheit von 5 Stimmen gegenüber Gore. Im Übrigen war die Wahl Bushs im Jahr 2000, die erste Präsidentschaftswahl seit 1876, in der ein Kandidat Präsident wurde, obwohl er weniger Wählerstimmen als sein Konkurrent gewinnen, aber durch das US-Wahlsystem eine Mehrheit an Wahlmännerstimmen im Electoral College auf sich vereinen konnte. Al Gore hatte nämlich landesweit einen Stimmenvorsprung von rund 543.822 Stimmen erringen können.

Ralph Nader, 2000

Was hat das nun mit den unabhängigen Kandidaten zu tun? Im Jahr 2000 war es der landesweit bekannte Verbraucherschutzanwalt Ralph Nader, der weder für die Demokraten, noch für die Republikaner ins Präsidentschaftsrennen ging. Er kandidierte für die amerikanischen Grünen als sog. Third Party Candidate. Nader war eindeutig dem liberalen Wählerspektrum zuzuordnen. Umfragen ergaben, dass eine deutliche Mehrheit der Anhänger Naders eher Al Gore als George W. Bush gewählt hätten. Aber trotz der Bitten und Warnungen aus dem demokratischen Lager, entschied sich Nader, anzutreten. Er gewann zwar nur rund 2,7 % der Stimmen, aber blickt man auf den knappen Wahlausgang in Florida, hatte dies dramatische Folgen. Nader gewann in Florida 97.488 Stimmen. Geht man davon aus, dass das eindeutig prognostizierte Wahlverhalten der Nader-Unterstützer bei einer Entscheidung zwischen Gore und Bush zugetroffen hätte, wäre es für Al Gore ein Leichtes gewesen, von den 97.488 Stimmen 538 Stimmen mehr zu bekommen als sein Konkurrent Bush. Dies hätte dann zum Sieg Gores in Florida gereicht und ihn zum US-Präsidenten gemacht.


In seinem Buch "Duell ums Weiße Haus" beschreibt Ronald D. Gerste ein weiteres Beispiel für den knappen Wahlausgang in Florida bzw. den Effekt aussichtsloser Kandidaturen. Er erwähnt die zwei linken Politikerinnen Monica Moorehead von der Partei Workers World und ihre Vizekandidatin Gloria La Riva. Sie traten völlig chancenlos nur in fünf Bundesstaaten an, einer davon Florida. Hier gewannen sie nur 1804 Wählerstimmen. Aufgrund ihrer politischen Ausrichtung ist anzunehmen, dass ihre Wähler sonst eher Al Gore als George W. Bush gewählt hätten. Bei dem bekannten amtlichen Rückstand von 537 Stimmen, bekommen plötzlich auch die Stimmen für das linke Damenduo der Workers World eine besondere Bedeutung.

1992 profitierten die Demokraten vom Third Party Candidate Ross Perot, 2000 waren es also die Republikaner. Auch wenn diese Kandidaten letztlich keine Chance auf das Präsidentenamt haben, Einfluss auf den Wahlausgang können sie auf unterschiedliche Weise sehr wohl nehmen.

Die Entscheidung Michael Bloombergs oder auch die des ehemaligen demokratischen Bewerbers Jim Webb wird also doch mit einiger Anspannung erwartet. Wenn im Sommer endgültig die Präsidentschaftskandidaten feststehen, werde ich auch in meinem Blog us-wahl2016.de noch weiter auf die third party candidates, die unabhängigen Kandidaten eingehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

us-wahl2016.de

In meinem Blog über die US-Präsidentschaftswahl 2016 berichte ich tagesaktuell und kompakt über den Wahlkampf und die Vorwahlen. www.us-wahl2016.de

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