Was bringt ein Boykott?

Buchmesse Rechte Verlage sind ein Problem, aber der Ausstellung fernzubleiben ist keine Lösung. Wir müssen um sie kämpfen
Ausgabe 43/2021
Die Frankfurter Buchmesse: Aufgrund ihrer internationalen Monopolstellung hätten alle von ihr ausgeschlossenen Verlage geschäftliche Nachteile, gegen die sich kartellrechtlich leicht klagen ließe
Die Frankfurter Buchmesse: Aufgrund ihrer internationalen Monopolstellung hätten alle von ihr ausgeschlossenen Verlage geschäftliche Nachteile, gegen die sich kartellrechtlich leicht klagen ließe

Foto: STAR-MEDIA/IMAGO

Seit Tagen wird darüber debattiert: Aus Protest gegen die Präsenz rechter Verlage hatte die afrodeutsche Schriftstellerin Jasmina Kuhnke (Schwarzes Herz) ihre Teilnahme an der diesjährigen Frankfurter Buchmesse abgesagt. Viele Autor:innen und Kulturschaffende hatten sich dem Boykott angeschlossen oder sich mit der Autorin solidarisiert.

Und nun? Ich verstehe jeden Menschen, der sich aufgrund von Traumata nicht mit Rechten auseinandersetzen kann, aber Boykott ist keine Lösung. Denn es ist ja so: Verlage von Rechtsextremisten sind nicht auf Buchmessen, weil dies dem Ideal der Meinungsfreiheit entspricht. Sie sind dort, weil sie sich ohne Probleme reinklagen könnten, wie es die Junge Freiheit 2006 tat, als man sie in Leipzig ausladen wollte.

Im Gegensatz zu der Leipziger ist die Frankfurter Buchmesse nicht in kommunaler Hand, sondern in privater Trägerschaft, was aber keinen Unterschied macht: Aufgrund ihrer internationalen Monopolstellung hätten alle von ihr ausgeschlossenen Verlage geschäftliche Nachteile, gegen die sich kartellrechtlich leicht klagen ließe. Ein rechter Verlag müsste durch den Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet werden, um reibungslos von der Messe ausgeschlossen zu werden. Natürlich könnten die Messen versuchen, eigeninitiativ Bücher rechter Verlage nach verfassungsfeindlichen Inhalten zu durchsuchen, aber ihre Funde müssen dennoch vor Gericht verhandelt werden. Rechte lecken sich die Finger nach solcher PR, könnten sie doch öffentlichkeitswirksam für „unterdrückte Wahrheiten“ kämpfen.

Seit den Ausschreitungen auf der Leipziger Buchmesse 2018 werden die Stände der rechten Verlage von der Polizei zugewiesen, was ihre häufige Eckposition erklärt. Es geht wohl darum, sie besser überwachen zu können und im Fall von Tätlichkeiten mehrere Zugriffsmöglichkeiten zu haben. Dies erklärt eventuell auch, wieso die Rechten auf dieser Buchmesse neben dem „Blauen Sofa“ zu finden waren – die Polizei hatte die Bedeutsamkeit der Position nicht im Blick. Für Unmut sorgte nun die „Signalwirkung“, wenn sich Rechte direkt neben dem ZDF platzieren dürfen. Der besagte Vorfall in Leipzig hat für eine außerordentliche Zunahme der Polizeipräsenz auf Buchmessen gesorgt: Dieses Jahr fühlte man sich wie auf einem Fußball-Derby. Wer zur Halle 03 wollte, begegnete im Zugangsflur Polizisten mit Maschinenpistolen. In der Halle selbst, wo sich die Mehrzahl der belletristischen Verlage sowie die besagten Rechten befanden, zählte ich alleine auf der oberen Ebene sechs Beamte in Kampfausrüstung. Sie waren wegen der Rechten da. Die Rechten waren da, weil man sie nicht loswird. Sie tun, was Rechte immer tun. Sie verstehen ihre Anwesenheit als Infiltration: Sie wollen stören, einschüchtern, verdrängen, auffallen.

In Frankfurt ist ihnen all das gelungen. Wir, die es können, müssen jedoch bessere Wege der Auseinandersetzung finden, als hinzunehmen, dass ausschließlich sie es sind, die verdrängen dürfen, als ihnen all das zu geben, weshalb sie überhaupt gekommen sind.

Früher, als es darum ging, eine Nazi-Demo zu stoppen, sang man: „The streets are ours.“ Die Buchmesse ist es doch auch.

Tijan Sila ist Schriftsteller. Er kam 1981 in Sarajevo zur Welt. Heute lebt und arbeitet er in Kaiserslautern. Bei KiWi erschien zuletzt sein Roman Krach über eine Punkband in der pfälzischen Provinz der Neunziger

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