Neues Album „2urück 0hne 2ukunft“: Der glückliche Taugenichts ist wieder da

Hip-Hop Kamp erfand 2009 das Genre „Versager-Rap“. Dreizehn Jahre später legt der Wiener Rapper nach
Ausgabe 13/2022

„Niemand hat drauf gewartet, dass ein Album erscheint“, rappt Kamp zu Beginn von 2urück 0hne 2ukunft, seiner ersten Veröffentlichung seit 13 Jahren. Denn einerseits ist das Deutschrap-Publikum häufig enttäuscht worden von Comebacks, die oft nur bewiesen, dass die Musik schon früher nicht so gut war wie angenommen. Andererseits hatte man sich bereits damit abgefunden, dass der Wiener Rapper es bei seinem ersten Album Versager Ohne Zukunft belässt.

2009 beantwortete Kamp die Frage nach Karrierezielen mit seinem verschachtelt gereimten Pessimismus: „Mach mich mit hartem Alk und Tschick kaputt/Ich schätz: zu lang nach dem Album ist dann Schluss mit Rap/Das ist das erste und letzte/denn mir fehlt Hoffnung wie auf meiner Beerdigung Gäste“. Deutsche Rapper wollten Gewinnertypen sein, Kamp setzte auf die Schönheit des Scheiterns. Versager Ohne Zukunft war Zeitdokument eines wilden Mittzwanzigers, der sich mit Substanzen ruiniert und zerstörerische Liebesbeziehungen eingeht, sich aber auch um die Familie sorgt und immer einen selbstironischen Spruch auf den Lippen hat.

Kirchenglocken, Kinderlieder

Die mit Soul-Samples aus den 70ern gespickten Boom-Bap-Beats von Sparringspartner Whizz Vienna trugen ebenso zum einzigartigen Weltenbau des Albums bei wie Kamps nerdige Referenzen von Skeletor bis Peter Stöger. Massenjubel blieb aus, dennoch wurde Versager Ohne Zukunft zum genreprägenden Album für Rap abseits der Straße – Inspiration für Künstler von Prinz Pi bis Antilopen Gang. Danach war erst mal Schluss: Ein Jahr nach Veröffentlichung des Debüts verstarb die Mutter, Kamp schmiss das Kunststudium, wurde Schuhverkäufer, schwor dem Alkohol ab.

Nun doch das Comeback. Weshalb? Zunächst scheint es, als hätte Kamp wieder Freude an der Musik gefunden. Dann haben sich in „26 Generationen Ratten der Lüfte“, wie es in Dapigens heißt, allerlei neue Wendungen im Lebenslauf angesammelt. In Vrall läuten mitten im Beat die Kirchenglocken für Nora, Kamps Ehefrau. Die gemeinsame Tochter wurde am achten Todestag seiner Mutter im gleichen Krankenhaus wie er selbst 36 Jahre zuvor geboren, erzählt der Rapper im darauffolgenden Lied. In V02 wird der Nachwuchs schon als kleiner Superstar beschrieben, der neue Produktionspartner Fid Mella setzt auf ein heiteres Kinderlied-Sample. Anderswo erklingen verzerrte italienische, englische und österreichische Sprachfetzen, die an eine eingestaubte Version des US-Chipmunk-Souls der Nullerjahre erinnern. 2urück 0hne 2ukunft funktioniert oft übers Schwelgen in Erinnerungen, ohne den Fortlauf der Zeit zu leugnen. Kamp bleibt Taugenichts, aber glücklich: „Ohne Zukunft, aber mit Happy End.“

Noch immer beschreibt der heute 40-jährige Sachverhalte lieber im Detail, voller zusammengewürfelter Reimsilben über unzählige Zeilen verteilt, als durch die Verwendung bedeutungsschwangerer Worte einfache Identifikationsfläche zu bieten. 2urück 0hne 2ukunft fordert aktives Lauschen ein und bietet im Gegenzug eine umso intensivere Teilhabe an der Lebensgeschichte von Florian Kampelmühler. Schlussendlich handelt es sich vielleicht gar nicht um Kamps großes Comeback, sondern bloß um die Cleverness, sich erst dann zu melden, wenn es wirklich etwas zu erzählen gibt, auch wenn es ein Bäckerdutzend Jahre dauert.

Info

2urück 0hne 2ukunft Kamp & Fid Mella VÖ 1. April 2022 bei Vinyl Digital

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