Ein schwarzes Schaf, das ist immer ein Außenseiter. Oft ein Sündenbock, manchmal eine Schande – und im Ursprung der Redewendung ein Teil des Ganzen, das sich kapitalistischer Verwertungslogik widersetzt. Denn seine Wolle lässt sich kaum färben, ihre Verwendung ist limitiert. Daher sind schwarze Schafe bei Hirten unbeliebt. Rejjie Snow identifiziert sich stark mit dieser Rolle – und nennt sein neues Album Baw Baw Black Sheep.
„I was always just the black sheep“, sagte Rejjie Snow schon 2017 dem Magazin The Fader. Gemeint war unter anderem: als Schwarzer Mann in Dublin, wo der Anteil Schwarzer an der Bevölkerung 1,4 Prozent beträgt. In Interviews erzählt der Rapper, häufig nicht als Ire akzeptiert zu werden.
Wäre Hip-Hop ein Fußballspiel, dann stünde Baw Baw Black Sheep irgendwo in Stadionnähe und wäre mit Tagträumen beschäftigt. Das liegt einerseits daran, dass die Einflüsse des 28-Jährigen immer abseitig waren. Hip-Hop ist in Dublin eher Graffiti als Rap, erste Kontakte zur Musik machte Rejjie Snow durch Videospiel-Soundtracks und Skatevideos von Tony Hawk. Ein Vorbild ist die 2020 verstorbene Untergrundlegende MF DOOM, die einen Gastpart für den Song Cookie Chips beisteuerte. Für den Mann mit der ikonischen Maske, die Rejjie Snow sich aufs Bein tätowiert hat, stand er schon 2012 als Vorgruppe auf der Bühne.
Brücke in die Kindheit
Andererseits liegt es daran, dass Rejjie Snow leichtfüßig von Assoziation zu Assoziation springt. Mirrors handelt von Selbstreflexion, aber auch von Rassismuserfahrungen, seiner Tochter, verflossener und aktueller Liebe. Immer wieder erkundet der Künstler sich und seinen bisherigen Weg. Und so baut Baw Baw Black Sheep dann auch eine Brücke zur eigenen Kindheit und Jugend. Das zeigt sich in den Texten, aber auch im Albumtitel, der von einem Kinderreim inspiriert ist. Schon sein erstes Album Dear Annie (2018) war nach dem Musical um das Waisenkind Annie benannt, das 1998 durch Jay-Zs Hard Knock Life seinen Weg ins Hip-Hop-Universum fand. Sein neues Album, sagt Rejjie Snow selbst, sei sein Soundtrack zu dem Fantasy-Kinderfilm Charlie und die Schokoladenfabrik von 1971 . Das zum Verweilen einladende Stück Relax wiederum samplet My Favorite Things aus dem Musical The Sound Of Music, das 2019 bereits Ariana Grande zu einem weltweiten Erfolg verhalf.
So kann man dieses Album auch als diegetisches Universum konsumieren, in dem es sich zu verlieren gilt. Hier und da wirkt es übernatürlich oder psychedelisch, was wohl auch dem Konsum psychoaktiver Pilze seitens des Rappers geschuldet ist. Baw Baw Black Sheep klingt so farbenfroh wie der Farbfilm, als er sich noch beweisen musste, und bietet eine Möglichkeit der Weltflucht, die so viele gerade nötig haben.
Während der Produktion in L. A. sammelte der Künstler fragmentarische Erinnerungen aus seiner Jugend und setzte sie neu zusammen. Das Mosaik dieser Gedächtnisbilder macht Baw Baw Black Sheep zu einem unkonventionellen Coming-Of-Age-Album: Anstatt zu dokumentieren, wie man endlich erwachsen wird, erzählt es die eigene Geschichte immer wieder anders. Im Hip-Hop allzu festgefahrene Konzepte von Authentizität werden so mit Leichtigkeit übersprungen, was nicht bedeutet, dass in Baw Baw Black Sheep keinerlei Wahrheit zu finden ist. Etwa auch diese: „That’s just how it goes: Sheep grow.“
Info
Baw Baw Black Sheep Rejji Snow 3000 Entertainment/BMG 2021
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.